Nahost-Konflikt

Zwischen Solidarität und leiser Kritik

Rauch steigt über Gaza-Stadt auf, nachdem eine israelische Rakete eingeschlagen ist.
Rauch steigt über Gaza-Stadt auf, nachdem eine israelische Rakete eingeschlagen ist. © picture alliance / dpa / Mohammed Saber
Von Wolfram Nagel · 15.08.2014
Seit Wochen eskalieren die Spannungen zwischen Palästinensern und Israelis immer wieder gewaltsam. Juden in der Diaspora betrachten den Konflikt mit Sorge, aber längst nicht alle stehen uneingeschränkt auf der Seite des jüdischen Staates.
"Für uns, und jetzt spreche ich für uns als Mitglieder der jüdischen Gemeinde, ist die Situation im Moment nicht wirklich einfach."
Ein Meeting im Hof der jüdischen Gemeinde zu Dresden vor wenigen Tagen. Freunde der Gemeinde haben sich versammelt, um ihre Solidarität mit Israel zu bekunden und mit den hier lebenden Juden. Gemeindemitglieder hingegen sind nur wenige gekommen. Nora Goldenbogen, die Vorsitzende, spricht zu evangelischen und katholischen Pfarrern, Mitgliedern der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, zu Vertretern von Stadt und Land.
"Und viele von uns, Gemeindemitglieder, haben Familienmitglieder in Israel. Natürlich sind sie besorgt."
"Die Spirale von Gewalt und Hass endlich durchbrechen"
Nora Goldenbogen repräsentiert zwar die Gemeinde, weiß aber, dass viele der 700 Mitglieder nicht so denken wie sie. Nur wenige sagen offen, was sie vom Gazakrieg halte – möglicherweise um nicht Israel in den Rücken zu fallen. Die Historikerin fühlt sich der israelischen Friedensbewegung verbunden, die eine gewaltlose, politische Lösung anstrebt. Aber darüber spricht sie nicht öffentlich. Ganz persönlich fordert sie, die Spirale von Gewalt und Hass endlich zu durchbrechen.
"Aus dieser Spirale muss man raus, wenn man was verändern will. Es hätte andere Optionen gegeben. Es gab sie damals mit Rabin und das war ein Unglück, dass der ermordet wurde."
Von einem jüdischen Extremisten, wenige Monate nach Abschluss des Osloer Friedensabkommens zwischen Israel und den Palästinensern. Es sind doch die Hardliner auf beiden Seiten, die einen Friedensschluss und eine Zweistaatenlösung unmöglich machen, sagt der 80 Jahre alte Heinz-Joachim Aris:
"Die einen wollten sie ins Meer jagen und die auch. Also das ist eben dieses Unversöhnliche, das ist das Furchtbare. Und da fragt man sich, wie soll auf dieser Basis Frieden wieder entstehen. Und Avigdor Lieberman, auch wenn er tragischerweise der Außenminister ist, das ist ja nun das absolute Beispiel für die Hardliner."
Israel nicht blind vertrauen
Deshalb möchte der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Sachsen der Politik Israels auch nicht blind vertrauen. Aber den Einsatz der Armee im Gazastreifen kann er verstehen:
"Es sind ja immer nur kleine Kreise, in Gaza die Hamas, die das Ganze ja mit einer Intensität diesmal schüren und einfach Israel zu Gegenreaktionen herausfordern. Aber insgesamt sind immer wieder die Menschen zu bedauern, die Menschen, die unverschuldet in dieses Chaos getrieben werden und ihr Leben verlieren."
Ramon Anusiewicz wiederum verweist ganz klar auf das Terrorpotenzial und den politischen Unwillen der Hamas. Pazifistische Träumereien führen da nicht weiter. Für ihn hat das israelische Militär gar keine andere Wahl. Die Terrortunnel müssen zerstört und die Dschihadisten entwaffnet werden. Und mit Verweis auf die Räumung des Gazastreifens im Jahr 2005 sagt er:
Raketenbeschuss: "Welcher Staat würde sich das gefallen lassen?"
"Die Antwort der Hamas ist etwa nicht gewesen, den Gazastreifen nun aufzubauen, sondern die Antwort war, Tausende Raketen auf Israel zu schießen. Jetzt frage ich mich, welcher Staat in der Welt würde sich das gefallen lassen, dass von einem anderen Territorium Raketen auf das eigenen Land geschossen werden? Die Hamas benutzt ihre eigene Bevölkerung als Schutzschild. Sie hat ihre Waffendepots in Schulen, in Krankenhäusern, in Moscheen. Und nun wird Israel immer einseitig kritisiert."
Die Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinde, Johanna Stoll, hingegen versucht, sich in die Situation der Palästinenser hinein zu versetzen. Als Mitarbeiterin im Dresdner Flüchtlingsrat hatte sie früher viel mit palästinensischen Migranten zu tun. Auch Israel kennt sie gut. Erst kürzlich kam sie von einem Seminar in Yad Vashem zurück. Im Gegensatz zu manchen Gemeindemitgliedern sieht sie das Unrecht auf beiden Seiten.
"So viel Gewalt. Solange man sich das gegenseitig aufrechnet und sagt, du hast, und da hast du blockiert, und da hast du das gemacht, wird's nie ne Lösung geben. Eigentlich muss man'n Strich ziehen und sagen, beide haben sich falsch verhalten und dann nach vorne gucken und sehen, was man für Lösungen findet. Und Israel als Solches verteidige ich natürlich auch, aber ich verteidige die Politik, wie sie gegen die Palästinenser läuft, nicht. Das ist ein Unterschied."
Die Palästinenser: "Ein Spielball arabischer Staaten"
Israel könne nur auf seine eigene Stärke bauen, meint Michael Hurshel. Ohne das Militär wäre das Land schon längst von den arabischen Nachbarn überrannt worden, vermutet der aus den USA stammende Musiker.
"Natürlich tun mir aber auch die Palästinenser leid, die nichts dafür können. Und die wirklich als ein Spielball von einer Reihe arabischer Staaten herhalten seit vielen Jahrzehnten, denen es gar nicht darum geht, den Palästinensern zu helfen. Das was Frau Goldenbogen, die Vorsitzende, gesagt hat, stimmt schon, also nur durch Verhandlungen kann man da weiterkommen, sicherlich nicht mit Waffen. Aber Israel muss sich schon verteidigen."
Egal, welche Konzessionen Israel machen würde, den Palästinensern wäre es nie genug, sagt Hurshel. Auf den Landkarten der Hamas komme Israel gar nicht vor.
"Das ist eigentlich das Ziel. Das kann nicht sein und das wird nicht sein. Solange wie es Kräfte gibt, die also Menschen zum Hass erziehen – und da muss ich auch leider sagen, dass auf der Seite von Hamas, da fängt man bei den vierjährigen Kindern an: Schieß einen Juden, wenn du einen Juden siehst –, solange das weitergeht, dann wird es auch sehr schwer sein, Verhandlungen zu machen."
Große Islamische Staaten gebe es mehrere, aber es gebe nur einen kleinen, bedrohten jüdischen Staat, sagt der Musiker.
"Da würde ich schon sagen, also ich als Jude unterstütze Israel, ganz klar. Wenn es die arabischen Stimmen sagen, also wir fordern auf jeden Fall, dass Jerusalem zu uns gehört und nicht mehr zu Israel, also das Herrschaften ..., das wird nicht passieren."
"Das Grundprinzip ist Solidarität mit Israel"
Zumindest in zwei Punkten seien sich doch die meisten Gemeindemitglieder einig, glaubt Heinz-Joachim Aris: in der Trauer um alle Opfer des Konfliktes und in der Rückendeckung für den Staat Israel.
"Das Grundprinzip ist Solidarität mit Israel. Es geht jetzt schon mal darum, dieses Land vor weiteren Schaden durch unsere Solidarität der in der Diaspora lebenden Juden zu schützen."
Zwar werden die unterschiedlichen Ansichten zum blutigen Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern intern durchaus diskutiert, aber öffentlich möchte kaum jemand über dieses Thema reden. Denn all zu oft werden die hier lebenden Juden für das Geschehen in dem kleinen Land verantwortlich gemacht.
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