Nachtwei äußert Verständnis für Russland
Der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Winfried Nachtwei, hat Verständnis für Russlands Ankündigung geäußert, den KSE-Vertrag auszusetzen.Bei den konventionellen Streitkräften in Europa habe es in den vergangenen Jahren eine enorme Verschiebung zum Nachteil Russlands gegeben, was sich so in den Verträgen nicht darstelle, sagte Nachtwei. Deshalb gebe es hier ein nachvollziehbares Ansinnen der russischen Seite. Dies müsse man sehr ernst nehmen.
Hans Ostermann: Überraschend kam die Nachricht nicht. Schon im April hatte Wladimir Putin angekündigt: "Wir werden auf die geplante US-Raketenabwehr in Osteuropa die entsprechende Antwort finden". Jetzt kam sie aus Moskau: Der Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa, kurz KSE, wird auf Eis gelegt. Dieses Abkommen zur Rüstungskontrolle legt unter anderem Obergrenzen fest bei Panzern, Artillerie und Flugzeugen. Droht jetzt so etwas wie ein neuer Kalter Krieg? Darüber möchte ich mit Winfried Nachtwei sprechen. Er ist der sicherheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen im Bundestag und Mitglied im Unterausschuss Abrüstung und Rüstungskontrolle. Guten Morgen, Herr Nachtwei.
Winfried Nachtwei: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Wie ernst ist die Warnung Moskaus zu nehmen?
Nachtwei: Gemischt ernst zu nehmen. Ich vergleiche es mit einem lauten Schuss, der jetzt ausgelöst wurde, wobei man noch nicht...
Ostermann: Wohin? Ich welche Richtung?
Nachtwei: Ja, wobei man noch nicht sagen kann, ist es einfach nur Theaterdonner, ist es Warnschuss oder läuft es darauf hinaus, dass es zum scharfen Schuss mit Trefferwirkung kommt? Also, aber es gibt da drin Bestandteile, die sind sehr ernst zu nehmen, das meine ich sehr wohl.
Ostermann: Woran denken Sie da, bei diesen Bestandteilen?
Nachtwei: Bei dem, was nur relativ ernst zu nehmen ist: der innenpolitische Hintergrund. Es ist offensichtlich bei der russischen Führung üblich geworden, na, aber es ist ja nicht nur bei der russischen Führung, gibt es ja auch anderswo auf der Welt, Außenpolitik vor innenpolitischen Hintergründen zu machen, und vor allem im Hinblick also auf den Wahlkampf und da im Herbst und da ist es also eben, na ja, offensichtlich opportun, gegenüber dem Westen kräftig was hochzuziehen. Das ist nur begrenzt ernst zu nehmen.
Was aber wirklich ernst zu nehmen ist: der Kern des KSE, der Anpassung des Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa, wo es in der Tat in den letzten Jahren eine enorme Verschiebung gegeben hat zum Nachteil Russlands, und was sich in diesen Verträgen bisher gar nicht darstellt. Also, da gibt es also ein berechtigtes oder, ich sage mal vorsichtiger, ein nachvollziehbares Interesse und Ansinnen der russischen Seite.
Ostermann: Nun hat Moskau diesen Rüstungsvertrag unterschrieben. Viele NATO-Staaten aber nicht, weil russische Soldaten noch in Moldawien und Georgien stationiert sind. Sind das die entscheidenden Punkte, weshalb das Ding jetzt auf Eis liegt?
Nachtwei: Das ist der Knackpunkt, über den der Streit in der Tat seit einigen Jahren läuft. Der Westen, die NATO sagt, es müssen diese sogenannten Istanbuler Verpflichtungen bezogen auf Georgien und Moldawien erst vollständig erfüllt sein, erst dann können wir ratifizieren. Die russische Seite sagt, das hat unmittelbar nichts damit zu tun, es hätte da keinen unmittelbaren Konnex gegeben und zwotens ist dieser Abzug schon weitgehend bewerkstelligt und drittens schließlich, darauf wird auch hingewiesen, hat es inzwischen immerhin die zweite NATO-Erweiterung gegeben, es hat inzwischen US-Stützpunkte in Bulgarien und Rumänien ergeben. Also, insofern wäre, das meine ich allerdings auch, jetzt Anlass genug, vom Westen aus den Vertrag, den angepassten Vertrag zu ratifizieren.
Ostermann: Bliebe Moskau hart, Herr Nachtwei, dann wäre Europa der Verlierer dieses Rüstungsstreits, ein Streit, den nicht zuletzt die USA mit zu verantworten haben. Wenn schon das direkte Gespräch zwischen George Bush und Wladimir Putin vor einigen Wochen nichts gebracht hat, wer kann denn dann noch etwas in Bewegung bringen?
Nachtwei: Nun, die Europäer sollten sich bewusst sein, dass sie in der Tat also ein ganz, ganz besonderes Interesse daran haben, dass dieser Eckpfeiler europäischer Sicherheit und Friedensordnung, was immer wieder von den Regierungen betont wird, dass dieser so kostbar ist und so wichtig ist, dass man jetzt auch alles dafür tut, dass dieser Eckpfeiler nicht zerbröckelt und darüber wirklich dann auch das europäische Haus beschädigen würde. Also, die Europäer müssen insgesamt wirklich auf einen Nenner kommen und dieses dann auch gegenüber dem amerikanischen Partner deutlich machen, durchsetzen.
Ostermann: Unternimmt abrüstungspolitisch die Bundesregierung genug? Welche Möglichkeiten lässt sie vielleicht ungenutzt?
Nachtwei: Ja, da habe ich also Zweifel, dass da genug getan wird, um die europäische Position zu vereinheitlichen und dann also eben auch gegenüber den USA deutlich zu machen. Allerdings, das kann man wohl sagen, der Bundesregierung ist deutlich, ist bewusst, wie wichtig dieser Vertrag ist.
Ostermann: Gut, es gibt wesentlich schärfere Kritik aus der CSU. Da wird gesagt, es reicht nicht aus, dass der Bundesaußenminister von einem aggressiven Schritt Putins redet, dass er von Besorgnis spricht. Er müsste wesentlich deutlicher gegenüber Moskau werden. Diese Kritik teilen Sie nicht?
Nachtwei: Nein, diese teile ich so nicht, weil nämlich hinter dieser Kritik eine ziemliche Selbstgerechtigkeit steht, als wäre sozusagen jetzt die Verantwortung für dieses Säbelrasseln, für diesen konfrontativen Schritt, der er ja tatsächlich ist, als wäre da die Verantwortung einfach nur 100 Prozent Moskau, 0 Prozent Brüssel.
Winfried Nachtwei: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Wie ernst ist die Warnung Moskaus zu nehmen?
Nachtwei: Gemischt ernst zu nehmen. Ich vergleiche es mit einem lauten Schuss, der jetzt ausgelöst wurde, wobei man noch nicht...
Ostermann: Wohin? Ich welche Richtung?
Nachtwei: Ja, wobei man noch nicht sagen kann, ist es einfach nur Theaterdonner, ist es Warnschuss oder läuft es darauf hinaus, dass es zum scharfen Schuss mit Trefferwirkung kommt? Also, aber es gibt da drin Bestandteile, die sind sehr ernst zu nehmen, das meine ich sehr wohl.
Ostermann: Woran denken Sie da, bei diesen Bestandteilen?
Nachtwei: Bei dem, was nur relativ ernst zu nehmen ist: der innenpolitische Hintergrund. Es ist offensichtlich bei der russischen Führung üblich geworden, na, aber es ist ja nicht nur bei der russischen Führung, gibt es ja auch anderswo auf der Welt, Außenpolitik vor innenpolitischen Hintergründen zu machen, und vor allem im Hinblick also auf den Wahlkampf und da im Herbst und da ist es also eben, na ja, offensichtlich opportun, gegenüber dem Westen kräftig was hochzuziehen. Das ist nur begrenzt ernst zu nehmen.
Was aber wirklich ernst zu nehmen ist: der Kern des KSE, der Anpassung des Vertrages über Konventionelle Streitkräfte in Europa, wo es in der Tat in den letzten Jahren eine enorme Verschiebung gegeben hat zum Nachteil Russlands, und was sich in diesen Verträgen bisher gar nicht darstellt. Also, da gibt es also ein berechtigtes oder, ich sage mal vorsichtiger, ein nachvollziehbares Interesse und Ansinnen der russischen Seite.
Ostermann: Nun hat Moskau diesen Rüstungsvertrag unterschrieben. Viele NATO-Staaten aber nicht, weil russische Soldaten noch in Moldawien und Georgien stationiert sind. Sind das die entscheidenden Punkte, weshalb das Ding jetzt auf Eis liegt?
Nachtwei: Das ist der Knackpunkt, über den der Streit in der Tat seit einigen Jahren läuft. Der Westen, die NATO sagt, es müssen diese sogenannten Istanbuler Verpflichtungen bezogen auf Georgien und Moldawien erst vollständig erfüllt sein, erst dann können wir ratifizieren. Die russische Seite sagt, das hat unmittelbar nichts damit zu tun, es hätte da keinen unmittelbaren Konnex gegeben und zwotens ist dieser Abzug schon weitgehend bewerkstelligt und drittens schließlich, darauf wird auch hingewiesen, hat es inzwischen immerhin die zweite NATO-Erweiterung gegeben, es hat inzwischen US-Stützpunkte in Bulgarien und Rumänien ergeben. Also, insofern wäre, das meine ich allerdings auch, jetzt Anlass genug, vom Westen aus den Vertrag, den angepassten Vertrag zu ratifizieren.
Ostermann: Bliebe Moskau hart, Herr Nachtwei, dann wäre Europa der Verlierer dieses Rüstungsstreits, ein Streit, den nicht zuletzt die USA mit zu verantworten haben. Wenn schon das direkte Gespräch zwischen George Bush und Wladimir Putin vor einigen Wochen nichts gebracht hat, wer kann denn dann noch etwas in Bewegung bringen?
Nachtwei: Nun, die Europäer sollten sich bewusst sein, dass sie in der Tat also ein ganz, ganz besonderes Interesse daran haben, dass dieser Eckpfeiler europäischer Sicherheit und Friedensordnung, was immer wieder von den Regierungen betont wird, dass dieser so kostbar ist und so wichtig ist, dass man jetzt auch alles dafür tut, dass dieser Eckpfeiler nicht zerbröckelt und darüber wirklich dann auch das europäische Haus beschädigen würde. Also, die Europäer müssen insgesamt wirklich auf einen Nenner kommen und dieses dann auch gegenüber dem amerikanischen Partner deutlich machen, durchsetzen.
Ostermann: Unternimmt abrüstungspolitisch die Bundesregierung genug? Welche Möglichkeiten lässt sie vielleicht ungenutzt?
Nachtwei: Ja, da habe ich also Zweifel, dass da genug getan wird, um die europäische Position zu vereinheitlichen und dann also eben auch gegenüber den USA deutlich zu machen. Allerdings, das kann man wohl sagen, der Bundesregierung ist deutlich, ist bewusst, wie wichtig dieser Vertrag ist.
Ostermann: Gut, es gibt wesentlich schärfere Kritik aus der CSU. Da wird gesagt, es reicht nicht aus, dass der Bundesaußenminister von einem aggressiven Schritt Putins redet, dass er von Besorgnis spricht. Er müsste wesentlich deutlicher gegenüber Moskau werden. Diese Kritik teilen Sie nicht?
Nachtwei: Nein, diese teile ich so nicht, weil nämlich hinter dieser Kritik eine ziemliche Selbstgerechtigkeit steht, als wäre sozusagen jetzt die Verantwortung für dieses Säbelrasseln, für diesen konfrontativen Schritt, der er ja tatsächlich ist, als wäre da die Verantwortung einfach nur 100 Prozent Moskau, 0 Prozent Brüssel.