Nachts bei Kerzenschein

Von Sebastian Engelbrecht · 26.03.2012
Zwar ist Frühling im Gazastreifen, aber viele frieren, denn sie haben derzeit nur sechs Stunden Strom am Tag. Die Ursachen: der innerpalästinensische Machtkampf und die Krise in Ägypten. Die Menschen in Gaza müssen den verwirrenden Bruderstreit der Parteien ausbaden.
An einer Tankstelle stehen nicht nur die Autos Schlange, sondern auch Menschen. Zwanzig Männer, jeder mit einem Kanister in der Hand, warten an den Zapfsäulen. Sie brauchen Diesel für ihre Strom-Generatoren zuhause. Einer von ihnen ist Siad Al-Afifi, Besitzer einer kleinen Taschen-Manufaktur.

"Ich stehe hier nach Benzin an für mein Auto und meinen Generator, weil der Strom immer ausfällt. Jeden Tag stehe ich hier. Manchmal bekommen wir nur Benzin im Wert von 20 Schekeln. Das reicht nicht."

Für 20 Schekel bekommt man in Gaza knapp fünf Liter Super. Der Liter kostet umgerechnet 80 Cent, der Liter Diesel nur 50 Cent. Der Sprit ist billig, die Preise sind vom Staat festgelegt – aber der Brennstoff ist knapp.

Fawzi Barhoum, Sprecher der Hamas, sieht die Schuld bei der ägyptischen Regierung. Kairo lasse weniger Diesel und Benzin durch die Schmugglertunnel im Süden des Gaza-Streifens fließen als bisher. Die Regierungen in Kairo und Gaza streiten um den Preis. Die Hamas fordert ermäßigte Preise, die Ägypter wollen zu international üblichen Preisen liefern. Ein weiterer Grund ist der innerpalästinensische Kampf zwischen der Hamas-Regierung in Gaza und der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, die von der Fatah-Partei dominiert wird. Hamas-Sprecher Barhoum sieht die Sache so:

"Die Regierung in Ramallah von Salam Fajad lehnt es ab, Gaza mit Diesel zu versorgen, obwohl sie automatisch vom Gehalt jedes Angestellten 170 Schekel einbehalten, ohne das Geld nach Gaza zu überweisen. Sie haben hier in Gaza 85.000 Angestellte."

Die Häfte des Strombedarfs von Gaza, 140 Megawatt, deckt ein einziges Kraftwerk. Es verbrennt Diesel aus Ägypten. Die Kosten dafür muss die Palästinensische Autonomiebehörde in Ramallah an die Betreibergesellschaft des Kraftwerks bezahlen. Aber die Hamas-Regierung in Gaza überweist die Einnahmen von den Stromverbrauchern nicht nach Ramallah. Die Begründung: Die Regierung in Ramallah behalte von den Löhnen ihrer 85.000 Angestellten in Gaza jeden Monat 170 Schekel ein. Damit ist aus der Sicht der Hamas die Stromschuld an Ramallah bereits beglichen. Die Regierung in Ramallah wiederum meint, das einbehaltene Geld reiche nicht aus, um die Energiekosten für das Kraftwerk zu bezahlen. Muhammad Hegazi, ein Abgeordneter der Fatah-Partei im palästinensischen Parlament, stellt fest:

"Hier muss das bezahlt werden. Die Hamas soll das bezahlen, weil die Hamas bringt das Geld von der Bevölkerung."

Den verwirrenden Bruderstreit der palästinensischen Parteien müssen die Menschen in Gaza ausbaden. Der Eisenwarenhändler Al Taba lebt seit zwei Monaten ohne Strom.

"Manche Leute behelfen sich mit Kerzen oder mit Batterien, aber ein Generator ist teuer in der Anschaffung und im Unterhalt. Gestern habe ich auf dem Holzfeuer Brot gebacken."

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