"Nachtlärm"

Von Jörg Taszman · 22.08.2012
Ein Schreikind terrorisiert in "Nachtlärm" seine Eltern. Am besten schläft es bei 130 km/h auf der Autobahn ein. An einer Schweizer Raststätte wird der Wagen samt Baby geklaut. Es landet in dieser schwarzen Komödie bei einem Kleinkriminellen und seiner Freundin. "Nachtlärm" ist ein intelligenter, origineller und genreübergreifender Film.
Tim terrorisiert seine Eltern. Er ist neun Monate jung und ein Schreikind und Livia und Marco ordnen ihr gesamtes Leben seinen kleinen Launen unter. Sie gehen nur auf Zehenspitzen durch die Wohnung, sitzen im Wohnzimmer mit dicken Kopfhörern und schauen fern, immer mit der Angst, dass der Kleine wieder schreit. Dann kommt er ins Auto, wird bei 130 km/h auf Schweizer Autobahnen in den Schlaf gefahren. Nur der permanente Streit geht weiter. Durch dumme Zufälle an einer Autobahnraststätte wird den beiden der Wagen geklaut. Tim lag noch im Auto ...

Nach dem Originaldrehbuch von Martin Suter hat es Regisseur Christoph Schaub geschafft, ein ganz anderes "Roadmovie" zu drehen. Der geklaute Tim ist nun bei einem Kleinkriminellen gelandet, der seiner neuen Flamme imponieren will. Dieses zweite Paar wirkt wie ein Gegenpol zu den bürgerlichen, verkrampften Livia und Marco.

"Nachtlärm" ist Kammerspiel, Ehedrama, Thriller und schwarze Komödie. Es ist vor allem ein Schauspielerfilm. Alexandra Maria Lara und Sebastian Blomberg sind sehr überzeugend als überforderte junge Eltern. Ihre latente und offene Wut wirkt authentisch, nachvollziehbar.

Carole Schuler und Georg Friedrich spielen das ausgeflipptere Paar mit eher prolligem Hintergrund. Dabei verrät der Regisseur jedoch nicht ihr Milieu, sondern nimmt auch diese Figuren sehr ernst. Georg Friedrich stellt einmal mehr seinen Status als derzeit wohl spannungsvollster und vielleicht auch facettenreichster deutschsprachiger männlicher Darsteller unter Beweis, der aufbrausend, machohaft, bedrohlich, aber auch nachdenklich und charmant sein kann. Wenn er das schreiende Baby auf die Kühlerhaube legt, weiß man als Zuschauer wirklich nie, was nun folgt, die Tragödie oder eine humane, liebevolle Geste.

So bleibt "Nachtlärm" spannend und sehenswert, macht gegen Ende den einen oder anderen dramaturgischen Schlenker zu viel, aber das tut dem Vergnügen kaum Abbruch. "Nachtlärm" ist ein intelligenter, origineller und genreübergreifender Film.

Deutschland / Schweiz 2012, Regie: Christoph Schaub, Hauptdarsteller: Alexandra Maria Lara, Sebastian Blomberg, Tiziano Jähde, Georg Friedrich, Carol Schuler, ab 12 Jahre, 94 min.

Filmhomepage

Links bei dradio.de:
"Giulias Verschwinden" von Christoph Schaub
Hans-Ulrich Pönack hat Corinna Harfouch und Bruno Ganz als Traumpaar gesehen
Alexandra Maria Lara als Livia und Sebastian Blomberg als Marco mit ihrem Kind Tim in der Komödie "Nachtlärm"
Alexandra Maria Lara als Livia und Sebastian Blomberg als Marco© picture alliance / dpa / X-Verleih
Carol Schuler als Clair und Georg Friedrich als Jorge mit dem unfreiwillig entführten Kleinkind Tim in der Komödie "Nachtlärm"
Carol Schuler als Clair und Georg Friedrich als Jorge mit dem unfreiwillig entführten Tim© picture alliance / dpa / X-Verleih
Mehr zum Thema