Nachtigallen und Rosen

Von Jonathan Scheiner · 08.11.2013
Die Sopranistin Chen Reiss hat kürzliche ein neues Liederalbum herausgebracht. Die junge Israelin kann bereits auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. Inmitten des internationalen Umfelds und einem bunten familiären Hintergrund fällt ihr der Begriff der Heimat jedoch sehr leicht.
Viele junge Israelis träumen von einer glänzenden Karriere als Musiker, nachdem sie sich durch eine langjährige Ausbildung gequält haben. Doch nicht alle hoffnungsvollen Talente schaffen es an die großen Bühnen dieser Welt. Ganz anders die junge Sopranistin Chen Reiss. Sie hat fast auf Anhieb ein prestigeträchtiges Engagement an eines der führenden Opern-Häuser ergattert, die Wiener Staatsoper. Dort sang sie bereits die "Sophie" im Rosenkavalier von Richard Strauss oder die Servilia in Mozarts "La Clemenza di Tito".

Obwohl sie noch gar nicht so lange im Geschäft ist, liest sich die Vita der jungen Israelin wie eine Aneinanderreihung von Höhepunkten. Vor ihrer Wiener Residenzperiode war Chen Reiss an der Bayerischen Staatsoper in München engagiert. Doch gesungen hat sie auch schon an der Mailänder Scala, am Pariser 'Theatre des Champs-Elysee' und der Deutschen Oper in Berlin.

Am Dirigierpult jeweils die berühmtesten Vertreter ihrer Zunft, angefangen von Daniel Barenboim und Zubin Mehta bis hin zu Sir Simon Rattle. Unter seinem Dirigat hat Chen Reiss die Filmmusik zum Kinohit "Das Parfüm" eingespielt. Doch mindestens genauso wichtig sind die CDs, auf denen Chen Reiss klassische Lieder singt. Auf ihrem neuestem Album "La Rossignol et la Rose" singt die Israelin Stücke aus mehreren Jahrhunderten. Sie alle handeln von Nachtigallen und Rosen.

"Ich war immer schon begeistert von der deutschen Sprache, habe sehr viel Schubert, Schumann und Mahler, Strauss gesungen. Ich wollte aber nicht nur eine Liedplatte machen. Ich wollte über ein Thema machen und in verschiedenen Sprachen etwas ganz Buntes. Und dann habe ich diese Vokalise von Saint-Saens, "La Rossignol et la Rose", die Nachtigall und die Rose entdeckt. Ich habe Recherche gemacht, und da habe ich gefunden so viele Lieder über Nachtigallen und Rosen, diese Kernsymbole der Romantik, die stehen für Liebe, für Leidenschaft, für Sehnsucht, das hat mich sehr inspiriert. Die Texte und die Musik. Ich habe eine Auswahl getroffen und mit 25 Liedern von 21 Komponisten in sieben verschiedenen Sprachen."

Obwohl Chen Reiss die deutsche Sprache inzwischen ständig gebraucht, ist sie nicht damit aufgewachsen. Deutsch hat sie erst mit 18 Jahren am Goethe-Institut in Israel gelernt, doch dann ist sie erst mal fünf Jahre zum Gesangsstudium in die USA gezogen. Als sie dann 2003 an die Bayerische Staatsoper kam, musste sie ihr Deutsch erst mal wieder auffrischen. Dabei hätte sie doch als Kind nur ihren Großeltern zuhören müssen.

"Ich kann das nicht von Zuhause, ich bin nicht mit Deutsch ausgewachsen. Meine Großeltern haben deutsch gesprochen, aber nie mit uns, zwischen ihnen haben sie Ungarisch gesprochen, aber die konnten auch Deutsch, sie haben auch auf Deutsch gelesen. Meine Vater Seite kommen aus Ungarn, Mutterseite aus Türkei und Syrien, ich bin eine Mischung. Aber Heimat ist Israel und meine Familie ist das wichtigste für mich. Ich bin sehr nah. Wir sprechen sehr oft, heutzutage mit Technologie ist fantastisch, mit Skype, wir sehen uns jeden Tag. Und sie kommen sehr oft mich zu besuchen und gehe oft dorthin. Eine richtige jüdische Familie."

Kein Wunder bei so viel Heimatverbundenheit, dass auf der aktuellen CD neben Mozart und Schubert auch der israelische Schlager "Shnei Shoshanim" auftaucht, zu deutsch "Zwei Rosen". Das war gar nicht so einfach, sagt Chen Reiss, ein israelisches Lied über Rosen und Nachtigallen zu finden. Doch dieses Lied kannte sie noch aus ihrer Kindheit. Und so hat sie das Lied an das Ende ihrer CD gesetzt. Sozusagen als krönenden Abschluss!

Mehr Informationen:

Homepage von Chen Reiss