Früherer Nationaltorwart
Sepp Maier im Januar 2024 bei einem Bundesligaspiel in München © IMAGO / imagebroker / IMAGO / imageBROKER / Michael Weber
Sepp Maier wird 80
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Sepp Maier war der Rückhalt jener Bayern-Mannschaft, die in den 70er-Jahren den europäischen Fußball dominierte - und der Nationalmannschaft, die Welt- und Europameister wurde. Am 28. Februar wird Mai er 80 Jahre alt.
Unter den großen deutschen Torhütern hat Sepp Maier eine Ausnahmestellung. Aber auch unter denen, die weltweit Meriten sammelten und sammeln. Nur ein einziger Torwart - der Spanier Iker Casillas - hat mehr Titel gewonnen als Maier, der Welt- und Europameister, der den Europapokal der Pokalsieger gewann - und gleich dreimal in Serie den Landesmeister-Pokal, Vorgänger der Champions League.
Maier war der Rückhalt der deutschen Nationalmannschaft in den Siebziger Jahren um Kapitän Franz Beckenbauer. Seine Mitspieler hießen damals unter anderen Gerd Müller, Uli Hoeneß und Paul Breitner, Günter Netzer und Bernd Hölzenbein. Maier galt als äußerst nervenstark und reaktionsschnell. In der Strafraumbeherrschung setzte er Maßstäbe. Dabei hat sich Maier eigentlich nicht zum Torhüter berufen gefühlt.
Aufstieg in die Bundesliga erst im zweiten Versuch
Am liebsten wäre er Stürmer geworden - doch dann war das Niveau beim aufstrebenden FC Bayern so hoch, dass er ganz nach hinten rückte. Gründungsmitglied der Bundesliga war die junge Mannschaft nicht, sie stand damals noch im Schatten des Lokalrivalen 1860 München. Der Aufstieg in die Bundesliga gelang den Bayern erst im zweitem Versuch:
"Das erste Jahr sind wir nicht aufgestiegen, da waren wir ein bisschen überheblich. Wir schaffen das schon", erzählt Maier. "Nix haben wir geschafft, aber das zweite Jahr, als wir nicht aufgestiegen sind, haben wir in dieser Zeit die Regionalliga dominiert. Ich glaube, der Gerd Müller hat 56 Tore geschossen. Und der Ohlhauser hat 54 Tore geschossen, ich glaube 130 und 140 Tore haben wir in dieser Saison geschossen, und da sind wir zusammengewachsen, in dieser Zeit, die Mannschaft. Ich glaube, das wäre gar nicht so gut gewesen, wenn wir '63 in die Bundesliga aufgestiegen wären, denn wir waren junge Spieler. Wir waren alle von der Jugend raus, und da war der Durchschnitt bei 21 Jahre - 21 Jahre, und da in der Bundesliga, ich glaube nicht, dass wir uns in der Bundesliga halten hätten können."
Per Zufall zum Torwarttrainer
Maier war nicht nur ein herausragender Schlussmann. Er galt als äußert humorvoll. 1976, nur ein paar Tage nach dem dritten Sieg im Landesmeisterpokal, sprang Maier bei einem Bundesligaspiel einer Ente hinterher, als die Bayern in der gegnerischen Hälfte den Ball hatten - doch der Vogel entkam. Was bei allen Scherzen oft vergessen wird: Maier war in seiner Karriere nur selten verletzt. 447 Mal stand er ununterbrochen im Tor der Bayern. Nach seiner Karriere betrieb er einen Tennispark. Und wurde per Zufall der erste deutsche Torwarttrainer, als sich der neue Bayern-Keeper Jean-Marie Pfaff wünschte, von Maier trainiert zu werden.
In dieser Rolle war er ein Pionier - auch in der Nationalmannschaft, wo ihn Trainer Jürgen Klinsmann ausbootete, weil er im Torhüter-Konkurrenzkampf mit Jens Lehmann zu sehr Partei für den Bayern-Torwart Oliver Kahn ergriffen hatte. Maier lebt in Hohenlinden, eine Dreiviertelstunde per Auto von München entfernt. So oft es geht, spielt er Golf, seine Distanz zum Fußball ist in den letzten Jahren größer geworden.
Sein Urteil ist gefragt
Dennoch ist sein Urteil gefragt, erst recht, wenn es um die deutschen Torhüter geht. Manuel Neuer hält er noch immer für den komplettesten von allen: "Die Klasse eines Torhüters sieht man nur, wenn er nicht andauernd unter Beschuss ist, wenn er nicht 20, 30 Paraden macht. Und dann wieder einen rein. Sondern einen Torhüter erkennst du, desto weniger er macht. Aber, wie soll ich sagen, desto, desto produktiver, wie er ist. Er hat dann drei, vier oder fünf Szene und die sind aber wichtig und die meisten sind toll. Und das ist dann ein Klasse-Torhüter, so wie der Neuer. Aber was er macht, hat Hand und Fuß."
Allerdings, sagt Maier, sei es für den Laien schwer, die Leistung eines Torhüters zu bewerten. Und erst recht hält er generationsübergreifende Vergleiche für Unfug: "Ist auch schwierig, einen Torhüter zu bewerten. Und dann vergleichen. Was sollen Sie mich mit dem Kahn vergleichen oder den Kahn mit dem Neuer oder was weiß ich was? Das geht nicht. In der Zeit, wo wir gespielt haben, war man einfach, haben wir einfach mit zu den Besten gehört. Und das ist dann immer so: Du wirst danach ausgesucht, als Bester irgendwann. Wenn du nur Bundesliga spielst, dann kannst du nie der beste der Welt werden."
Es gehe schlicht und ergreifend um Verlässlichkeit auf allerhöchstem Niveau. Um starke Nerven. Und um Fortune. "Du musst dich schon profilieren, wenn du bei Länderspielen bist, bei Europacup-Spielen bist. Du musst dann auch Titel gewinnen. Es ist das A und O. Du kannst ja nicht andauernd im Endspiel sein und gewinnst nix. Und du musst als Torwart, was sehr wichtig ist, musst du mal ein Spiel entscheiden, ein wichtiges Spiel entscheiden. Ist sehr wichtig. Und das bleibt dann bei den Leuten nachhaltig. So wie bei '74 bei der WM im Endspiel? Da habe ich super gehalten. Sicher habe ich auch Glück gehabt. Und wenn es du super hältst, brauchst auch Glück. Und dann hast du auch Glück."
Karriere endete nach Autounfall
Damals, im WM-Finale 1974, hielt Maier so gut wie alles. Es war buchstäblich seine WM, er wurde in die WM-Elf gewählt. Die Titel des Welttorhüters gab es seinerzeit noch nicht, und ganz sicher hätte der Seriensieger im Europapokal ihn mehr als einmal gewonnen. Sepp Maiers äußerst erfolgreiche Karriere endete 1979 abrupt nach einem schweren Autounfall.
Eine ganz besondere Erinnerung hat der Keeper aber nicht an einen seiner Triumphe, sondern an ein kurioses Freundschaftsspiel, das aus dem Ruder lief: das Abschiedsspiel des legendären Niederländers Johan Cruyff. Die Bayern traten in Amsterdam gegen Ajax an.
"Dann, dann haben sie eingeladen, zum Abschiedsbankett nach dem Spiel, und dann haben wir 7:1 einen aufgehauen. 7:1. Wir haben es einfach so genommen, einfach so, das Spiel. Und die haben am Anfang haben sie auch gedrückt, die wollten auch was. 7:1 hat's geheißen. Und dann hat uns der Schwiegervater vom Johan Cruyff hat uns dann vom Bankett ausgeladen, obwohl es das gleiche Hotel war." Stolz drauf ist die Bayern-Legende nicht. Aber es ist und bleibt eine besondere Episode in dieser großen Torwartkarriere.