Nachrufe auf Hildebrandt

"Ein Aufpasser erster Güte"

Von Gregor Sander · 20.11.2013
Auch Edmund Stoiber ruft Dieter Hildebrandt etwas nach und nennt ihn staatstragend den "Doyen des politischen Kabaretts". In München gab es eine Lesung des Doyens der Horrorliteratur, Stephen King.
"Dieter Hildebrandt war das personifizierte schlechte Gewissen der Nation, ein Kabarettist vom alten Schlag, der wusste, wie die Welt auszusehen hatte, aber eben nicht aussah." Mit diesen Worten beginnt Andreas Platthaus seinen Nachruf in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. In der Tageszeitung DIE WELT ist Barbara Möller sicher: "Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Dieter Hildebrandt eine Säule der alten Bundesrepublik gewesen ist. Ein Aufpasser erster Güte. Hildebrandt war der feindliche Beobachter der konservativen Politik."
Sein "Scheibenwischer" in der ARD war über Jahrzehnte erfolgreich und hatte kaum noch vorstellbare Auswirkungen, wie Andreas Platthaus in der FAZ betont: "Im Mai 1986 wurde der ˈScheibenwischerˈ dann zur Legende, als der Bayerische Rundfunk sich aus der laufenden Übertragung ausblendete, weil den CSUnahen Senderchefs nicht passte, was Hildebrandt über Tschernobyl erzählte." Trotzdem trauert auch Edmund Stoiber, langjähriger CSU-Vorsitzender und bayrischer Ministerpräsident, in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG um den Kabarettisten: "Dieter Hildebrandt war der Doyen des politischen Kabaretts im Nachkriegsdeutschland. Seine sprachliche Brillanz, sein scharfer Witz waren unnachahmlich."
Einen "Mini-Strauß für kleinere Räume" nannte Hildebrandt Stoiber einmal, erinnert sich Barbara Möller in der WELT, aber der hat ihm das offensichtlich verziehen. Auch Helmut Dietl, in dessen Filmen "Kir Royal" und "Zettl" Hildebrandt mitspielte, trauert in der SZ um seinen Freund, allerdings mit den Worten: "Es gibt nichts Peinlicheres als diese Nachrufe, die man jetzt dauernd liest und hört. Dieter hat NACH-RUFE nicht nötig, er hat einen RUF, der nicht vergeht."
Die tägliche Feuilletonberichterstattung zum Fall Gurlitt konzentriert sich am Donnerstag auf die juristische Situation. In der FAZ wird die Kunstrechts-Expertin Friderike Gräfin von Brühl befragt:
"Das Hauptrisiko für Nachfahren der Eigentümer" der betroffenen Gemälde liege darin, so von Brühl,"dass in all den Jahren entweder eine Verjährung der Ansprüche oder eine gutgläubige Ersitzung stattgefunden haben könnte." Diesen Begriff erklärt Thomas E. Schmidt in der Wochenzeitung DIE ZEIT: "Das deutsche Recht kennt den Tatbestand des ˈgutgläubigen Ersitzensˈ, was heißt, nach zehn Jahren erwirbt einer auch fragwürdiges Eigentum, wenn ihm der Richter bestätigt, dass es keinen Grund gab, Misstrauen an der rechtmäßigen Herkunft des Besitzes zu haben. Darunter fallen die meisten Erbschaften, vermutlich auch die 1967 von der Mutter Gurlitt auf den Sohn gekommene Sammlung. Rechtsbrüche des Vaters könnten darüber hinaus verjährt sein. Das ist ethisch und moralisch unbefriedigend, aber Gesetz."
In München gab es am Dienstag eine Lesung, die an ein Rockkonzert erinnerte. Stephen King trat zum ersten Mal in Deutschland auf und Martin Scholz von der WELT durfte ihn vorher im Hotel besuchen: "Wie er da so liegt in seinem olivfarbenen Schlabber-T-Shirt, wirkt er eher wie jemand, der sich daran macht, den Keller zu entrümpeln, nicht wie der König der Bestseller-Autoren, der dann am Abend im ausverkauften Circus Krone in München vor 2500 Zuschauern über seinen neuen Roman ˈDoktor Sleepˈ und die Grenze zwischen Leben und Tod sinniert."
Und das macht King, so Jan Wiele in der FAZ, gemeinsam mit Denis Scheck: "King gibt Scheck zur Begrüßung einen high five. Hey, man! Und kurz darauf das Angebot: ˈCall me Stephenˈ. Das Publikum, das zum Teil Stunden im Regen gewartet und sich schon vor dem Beginn gefühlt Stunden lang selbst fotografiert hat, ist völlig aus dem Häuschen."
Wer bei "Shining" eher an Stanley Kubrick denkt, als an den Erfinder der Geschichte, Stephen King, den dürfte folgendes Zitat von Martin Scholz aus der WELT überraschen. Im Frage- und Antwortspiel mit Denis Scheck wirft der Horror-Autor am Abend die Anekdotenmaschine an, erzählt von diffusen Telefonaten mit Stanley Kubrick, den er als Regisseur zwar bewundere, dessen Version von "Shining" er aber nach wie vor, nun ja, zwar nicht hasse, aber nicht so sehr möge.
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