Nachruf auf Wladyslaw Bartoszewski

Eine beispiellose Autorität

Der frühere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski
Der frühere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski © picture alliance / dpa / Grzegorz Jakubowski
25.04.2015
Ein ruhiges Rentnerleben kam für ihn nie in Frage: Bis zuletzt arbeitete der frühere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski als Staatssekretär der polnischen Regierung. Am Freitag starb er im Alter von 93 Jahren in Warschau.
Wladyslaw Bartoszewski war Ehrenbürger von Israel. Eine große Auszeichnung für einen katholischen Polen, die ihm 1991 im israelischen Parlament, der Knesset, verliehen wurde. Vier Jahre später hielt Bartoszewski als polnischer Außenminister eine Rede im Deutschen Bundestag - auch dies eine Ehre, die nur sehr wenigen Ausländern zuteil wird.
Schon diese beiden Ereignisse zeigen die außergewöhnliche Bedeutung des Mannes. Keiner stand wie er für eine Aussöhnung zwischen Polen und Deutschland und genoss gleichzeitig das uneingeschränkte Vertrauen von Juden in aller Welt. Nur deshalb konnte er als Nicht-Jude 24 Jahre lang dem Internationalen Auschwitz-Rat vorstehen, der sich um das Museum auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslagers kümmert. Darauf war Bartoszewski stolz: "Aber man sollte auch das Positive zeigen, das in der gemeinsamen Geschichte unserer Nationen passiert ist. Ich sage meinen jüdischen Freunden immer: Geht in die Warschauer Universität. Dort hängt eine Tafel zu Ehren von Menchaem Begin. Er war der einzige Absolvent dieser Hochschule, der einen Nobelpreis bekommen hat. Da gehen jährlich Zehntausende Studenten vorbei und jeder sieht: Ein polnischer Jude, der einen Nobelpreis erhält, ist jemand, worauf wir Polen stolz sind."
Als 19-Jähriger in die polnische Heimatarmee
Bartoszewski war selbst Gefangener in Auschwitz - mit der Nummer 4427 einer der ersten des Konzentrationslagers. Nach seiner Freilassung trat der damals 19-Jährige der polnischen Heimatarmee bei. Die Untergrundorganisation führte einen Partisanenkampf gegen die Besatzer. Bartoszewski war dort nicht nur in der Informationsabteilung und als Journalist tätig. Er gehörte auch einer Gruppe namens Zegota an, die sich jüdische Mitbürger unterstützte und rettete.
Nach dem Krieg hatte Bartoszewski zunächst keine Chance auf eine politische Karriere. Denn er stellte sich gegen das kommunistische Regime, saß mehrmals im Gefängnis - insgesamt sechseinhalb Jahre. Er schlug sich vor allem als Journalist durch, unter anderem für katholische Zeitschriften - und zeitweise auch im Ausland, bei Radio Liberty in Wien. Bei dieser Gelegenheit, in den 1960er Jahren, bereiste er auch die Bundesrepublik Deutschland.
Seine damals erworbenen hervorragenden Deutschkenntnisse halfen ihm nach der demokratischen Wende. Bartoszewski war zunächst polnischer Botschafter in Wien, später zweimal Außenminister. Bis zuletzt beriet er als Staatssekretär die polnische Regierung in internationalen Angelegenheiten. Ihn beeindruckte die Entwicklung Deutschlands zu einer stabilen, fest im Westen verankerten Demokratie. Bei seine Rede im Bundestag 1995 sagte er:
"Das zutiefst demokratisierte Deutschland ist zu seiner konstruktiven Rolle in der europäischen Geschichte und Kultur zurückgekehrt und bildet heute einen tragenden Pfeiler im gegenwärtigen Europa. So sehen die Polen das heutige Deutschland. Meine persönliche Lebenserfahrung enthält schmerzliche Erlebnisse und reichhaltige Beobachtungen. Dazu gehören acht Jahre bitterer Praxis in Gefängnissen und Lagern der Nazis und Kommunisten. Bis heute sage ich manchmal selbstironisch, dass die Diktatoren mich schlichtweg nicht leiden konnten, was letztlich auf voller Gegenseitigkeit beruht."
In seiner Heimat auch umstritten
Trotz seiner Verdienste war Bartoszewski in seinem Heimatland nicht unumstritten. Nationalkatholische Polen warfen ihm vor, dass er auch an die Kollaboration einiger Polen im zweiten Weltkrieg mit den deutschen Besatzern erinnerte. In einem Interview sagte er: Als Angehöriger des Untergrunds hätte er sich damals mehr vor missliebigen Polen als vor Deutschen gefürchtet. Damit meinte er, dass Polen ihn leichter erkennen und an die deutschen Behörden verraten konnten. Aber auch in Deutschland eckte Bartoszewski an, als er Erika Steinbach, die damalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, kritisierte. Doch auch diese streitbare, mitunter polemische Seite des Ex-Außenminister machte seinen unverwechselbaren Charakter aus.
Mit Bartoszewski verlor Polen einen Menschen, der aus allen schlimmen Erfahrungen etwas Wertvolles machte und dies seinem Land voll zugute kommen ließ. Er wolle in einem freien und stabilen Land sterben, so formulierte Bartoszewski einst sein Lebensziel. So ist es letztendlich gekommen - auch dank seines Lebenswerks.
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