"Ich habe Loyalität nie mit Gehorsam verwechselt"
Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Er galt zunächst als Scharfmacher, dann als soziales Gewissen seiner Partei. Eins war er aber immer: ein Querdenker, der sich nicht an die Parteiräson hielt.
Geißler war einer der prominentesten Querdenker in der CDU. Ein Parteilinker, der für ein soziales Profil stand. Als Bundesfamilienminister erfand Geißler in den Achtziger-Jahren unter anderem Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub. Er war damals oft seiner Zeit und seiner Partei voraus, auch bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau.
"Helfen Sie vor allem mit, den jüngeren Männern und den Männern der mittleren Generation zu sagen, dass sie von ihrem Paschathron - es gibt viele, die da noch drauf sitzen - herunter müssen!".
Helmut Kohl hatte Geißler Ende der Siebziger-Jahre zum Generalsekretär der CDU gemacht - und dann machen lassen. Denn Kohl stand eigentlich für Geschlossenheit. Sein General Geißler verfolgte beim Modernisierungskurs eine komplett andere Methode: Streit anfangen.
"Ich habe Loyalität nie mit Gehorsam verwechselt. Ich bin ja nicht in CDU hinein gedackelt und bleibe als Dackel in ihr drin, sondern überlege mir, warum ich in der CDU bin, also die Grundsätze meiner Partei."
Ein Meister der Abteilung Attacke
Wenn es darum ging, den politischen Gegner zu attackieren, war Heiner Geißler nicht zimperlich. Er provozierte die SPD mit polemischen Äußerungen. Er unterstellte den Sozialdemokraten zu lügen oder "die fünfte Kolonne des Ostblocks" zu sein. SPD-Chef Willy Brandt keilte zurück: Geißler sei der schlimmste Hetzer seit Joseph Goebbels.
Geißler selbst beherrschte nicht nur die Abteilung Attacke, sondern konnte auch Kreide fressen.
"Wir hatten Angriffe auf den politischen Gegner, das ist eigentlich etwas, das mir nicht so liegt, das macht mir keinen Spaß, die Sozialdemokraten massiv anzugreifen."
Ende der Achtziger Jahre kommt es immer öfter zum Streit mit Helmut Kohl und 1989 schließlich zum Bruch. Kohl warf Geißler vor, den gescheiterten Putsch auf dem Bremer Parteitag mitorganisiert zu haben. Geißler bestritt dies. Kohl ließ ihn dennoch fallen und entmachtete ihn als Parteigeneral.
"Wir waren sehr befreundet. Und diese Freundschaft ist in der Tat der Macht geopfert worden."
"Wir sind in der CDU kein geistiges Sultanat"
In seiner Partei blieb Heiner Geißler unbequem. Im Spendenskandal nach dem Ende der Ära Kohl bestätigte er als erster prominenter CDU-Politiker, dass es schwarze Konten gegeben hatte.
"Es wird auch klar gesehen, dass Helmut Kohl die Partei im Stich gelassen hat und dass er schwere finanzielle Lasten aufgebürdet hat durch sein Verhalten, also die Einstellung der CDU ist da schon sehr nüchtern geworden."
2002 verabschiedete sich Heiner Geißler aus der aktiven Politik in einen Unruhestand. Er schrieb immer neue Bücher und war als Schlichter in Tarifkonflikten gefragt.
2007 provozierte Geißler seine Partei, indem er sich den Globalisierungskritikern von attac anschloss. Die teils heftige Kritik aus der CDU ließ ihn einmal mehr kalt.
"Wir sind kein geistiges Sultanat, die CDU, wo ein Obermufti bestimmt, was die Leute denken oder sagen sollen."
Bundesweite Schlagzeilen als Stuttgart 21-Schlichter
Mit 80 Jahren machte Geißler noch einmal bundesweit Schlagzeilen. Er schlichtete im Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21. Privat war er ein passionierter Kletterer und Gleitschirmflieger. Heiner Geißler lebte in Gleisweiler in der Südpfalz, wo er auch einen Weinberg besaß. Vor dem Tod hatte er nach eigener Aussage keine Angst.
"Irgendwann geht das Leben zu Ende. Solange man lebt, ist man ja nicht tot. Und wenn man tot ist, dann weiß man nichts mehr davon."