Nachhaltigkeit im Sport

Fußballvereine machen sich zukunftsfest

06:25 Minuten
Rote Sitzschalen einer Stadiontribüne mit liegengelassenen Papp- und Plastikbechern.
Müll im Stadion: Das Reden über Nachhaltigkeit ist das eine, das andere die Umsetzung. © imago / Baering
Von Thomas Wheeler · 11.04.2021
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Nachhaltigkeit ist auch im Fußball angekommen. Der 1. FC Köln bekam als erster deutscher Sportverein das TÜV-Zertifikat für nachhaltige Unternehmensführung. Doch nicht nur die Großen gehen diesen Weg, wie ein Amateurklub aus Berlin zeigt.
Was müssen wir verändern, damit möglichst noch viele Generationen unter menschenwürdigen Bedingungen auf der Erde leben können?
Die Liste der Herausforderungen ist lang: Klima- und Umweltschutz, Ernährungsprogramme, Gleichberechtigung, Rassismus, militärische Abrüstung. Das Denken an die Welt von morgen und nachhaltiges Handeln nimmt einen immer größeren Platz in unserer Gesellschaft ein. Auch im Sport.
"Die ganzen Sportverbände haben durchaus umweltrelevante Sportarten", sagt Oliver Brendle. "Überall gibt es Umweltauswirkungen. Wenn man da gezielt versucht, die zu reduzieren, und durch bestimmte Veränderungen auch nachhaltiger gestaltet, ist es für den Sport und auch für die Jugendlichen wesentlich attraktiver, den Sport weiter zu betreiben. Deshalb ist Nachhaltigkeit im Sport dringend wichtig, auch für die Rekrutierung künftiger Generationen."

Ökologisch, ökonomisch, sozial

Brendle ist Umweltingenieur. Seit 1997 arbeitet er beim TÜV Rheinland, der seinen Sitz in Berlin hat. Dort ist er zuständig für die Zertifizierung von sogenannten Managementsystemen. Der Schwabe prüft nationale und internationale Unternehmen, wie sie es mit Umweltschutz, Energieverbrauch und Arbeitsschutz halten.
"Sie belegen dann gegenüber einem unabhängigen Prüfer, dass sie sich in allen Punkten, die sie sich vorgenommen haben, auch verbessert haben."
Gemeinsam mit der Universität Witten/Herdecke in Nordrhein-Westfalen hat der TÜV Rheinland 2012 ein Nachhaltigkeitszertifikat entwickelt.
"Es beinhaltet alle gängigen Nachhaltigkeitskriterien: ökologisch, ökonomisch und sozial. Diese Nachhaltigkeitszertifizierung orientiert sich im Wesentlichen an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen."
Oliver Brendle, Nachhaltigkeitsbeauftragter beim FC Internationale Berlin.
Oliver Brendle vom TÜV ist auch Nachhaltigkeitsbeauftragter beim FC Internationale Berlin.© Deutschlandradio / Thomas Wheeler
Nun ist das Reden über Nachhaltigkeit das eine, das andere die konkrete Umsetzung. Diese wird von Brendle regelmäßig überprüft.
"Mein Job ist es beim TÜV Rheinland, einmal im Jahr hinzugehen, alle relevanten Personen zu interviewen und zu sehen, wie wird die Nachhaltigkeit gelebt. Ist es im Betrieb angekommen, und wurden auch Verbesserungen erreicht?"
Ein Zertifikat ist drei Jahre gültig und kann verlängert werden. Eine Aberkennung ist bei Nichterfüllung der Unternehmensziele allerdings auch möglich.

Weniger Abfälle bei Großveranstaltungen

Auch bei den internationalen Sportverbänden wächst das Bewusstsein, nachhaltige Konzepte zu entwickeln. Der europäische Fußballverband UEFA als einer der großen Dachverbände hat mehrere Aufgabenbereiche identifiziert und ist auf unterschiedlichen Feldern tätig.
"Es geht um CO2-Ausstoß bei Großveranstaltungen. Da will man versuchen, das ein bisschen durch Aktionen zu reduzieren. Man hat natürlich das Thema Reduzierung von Abfällen mit Einweggeschirr und Einwegbechern. Natürlich auch das Lieferkettenmanagement, das Merchandising, die Bekleidung und die Trikots. Das ist ein großes Thema."
Dass Handlungsbedarf besteht, verdeutlicht der CO2-Ausstoß bei der letzten Fußballeuropameisterschaft 2016 in Frankreich. Nach Angaben der UEFA wurden während der EM mehr als 2,8 Millionen Tonnen emittiert. Das entspricht ungefähr 2,6 Millionen Flugreisen Paris–New York hin und zurück. Aber nicht nur bei den Verbänden gibt es inzwischen erste Denk- und Handlungsansätze.
Auch bei den Vereinen der Fußballbundesliga bewegt sich etwas. Aktiv sind bisher der VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen, der SC Freiburg, der VfB Stuttgart, der FSV Mainz 05 und der 1. FC Köln. FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle möchte gerne, dass die Rheinländer in puncto Nachhaltigkeit Vorreiter in der Bundesliga werden.
Im letzten Herbst erhielten die Kölner von TÜV-Mann Brendle als erster Bundesligist das Nachhaltigkeitszertifikat. Für die kommenden Jahre hat sich der FC ehrgeizige Ziele gesteckt:
"Die haben Hunderte von Fanshopartikeln, auch ihre Sportbekleidung wollen die nach Nachhaltigkeitskriterien künftig beschaffen. Da gibt es ein mehrjähriges Programm. Jedes Jahr wollen sie eine bestimmte Zahl von Artikeln umstellen."

Berliner Verein will Zertifikat

Neben dem 1. FC Köln strebt nun auch ein Berliner Amateurfußballverein das Nachhaltigkeitszertifikat an: der FC Internationale aus dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Der 1980 gegründete Klub hat ungefähr 1.200 Mitglieder. Brendle war von Anfang an als Spieler dabei. Heute ist der Umweltingenieur Nachhaltigkeitsbeauftragter des Vereins.
"Nachhaltigkeit ist natürlich ein Thema, dass von den Mitgliedern kommt. Auch von jüngeren Mitgliedern, die sagen, wir sind zwar sozial sehr gut - Integration -, aber die Nachhaltigkeit bedingt noch ein bisschen mehr."
Der FC Internationale hat sich in der Hauptstadt vor allem durch seine Sozial- und Integrationsarbeit einen Namen gemacht. Insbesondere im Kinder- und Jugendbereich ist der Verein sehr aktiv und hat mehr als 30 Nachwuchsmannschaften: Mädchen wie Jungen.
Beim Thema Nachhaltigkeit will der FC Internationale ein Impulsgeber für andere Vereine sein. Deshalb ist man auch in Gesprächen mit dem Landessportbund Berlin.
"Wir wollen das in die Breite bringen und nicht jetzt als Einzelprojekt darstellen. Wir möchten das so kommunizieren, dass es immer mehr werden."
Am kommenden Freitag wird der TÜV Rheinland den FC Internationale prüfen. Aber nicht von Oliver Brendle, sondern von einem seiner Kollegen. Sollte der Verein die Kriterien für das Zertifikat erfüllen, ist er eingeladen, seine Ideen auf der ZNU-Zukunftskonferenz für nachhaltige Unternehmensführung am 12. Mai vorzustellen.
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