Nachhaltigkeit im Sport

Trikots mieten gegen den Konsumrausch

05:36 Minuten
Spielbälle zur Fußball WM 2022 und Trikots der Deutschen Nationalmannschaft
Das DFB-Team wird zwar für die WM keine Trikots mieten, aber die Nutzung von Trikots und T-Shirts für einen Anlass und weiterer Verwendung gilt als nachhaltig. © picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm
Von Ronny Blaschke · 23.10.2022
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Vor der Fußball-WM beginnt für viele Sportartikelhersteller eine lukrative Zeit. Nachhaltigkeit spielt dabei oft kaum eine Rolle. Manche Firmen zeigen allerdings, dass es auch mit sozial und ökologisch verträglichen Arbeitsbedingungen geht.
Die sportwissenschaftliche Fakultät der Uni Leipzig, Anfang September. Mehr als 100 Experten aus Kommunen und Zivilgesellschaft vernetzen sich bei einer Konferenz, ihr Titel: „Sport handelt fair“. Es geht um die Beschaffung und Vergaberichtlinien für nachhaltige Sportartikel.
Auf einem „Markt der Möglichkeiten“ stellen Startups ihre Ideen vor. Mit dabei ist Anna Hadzelek und ihre Firma Re-Shirt, sie sagt:

Wir haben die allererste Siebdruckfarbe entwickelt, die sich wieder auswaschen lässt. Die erlaubt es uns, bei kurzfristigen Anlässen, wie zum Beispiel Sportveranstaltungen oder Festivals oder wenn man einfach ein großes Team nur ein paar Tage lang mit den richtigen T-Shirts ausstatten will, dass wir bedruckte T-Shirts zur Miete anbieten. Das ist einfach neu. Dadurch können Veranstaltungen ihren Ressourcenverbrauch wirklich signifikant einsparen.

Anna Hadzelek von der Firma Re-Shirt

Anna Hadzelek hat sich mit Designerinnen in München zusammengetan. Jahrelang waren sie in der Modebranche tätig. Die Unzufriedenheit wuchs, und so gehen sie nun ihren eigenen Weg. Mit ihrer Firma wollen sie dem ständigen Konsum neuer Kleidung etwas entgegensetzen.
Dafür setzen sie auch auf Wiederverwertung, sagt sie: „Dafür kooperieren wir mit Altkleidersortierbetrieben. Von denen gibt’s in Deutschland super viele. Wir sind die Ersten in Deutschland, die bedruckte T-Shirts anbieten, aber ausschließlich auf Shirts aus zweiter Hand.“  

Die Nachfrage nach "Bio-Bällen" steigt

Lange wurde der Begriff „Bio“ vor allem mit Lebensmitteln in Verbindung gesetzt. Laut der Unternehmensberatung Deloitte sind inzwischen gut 60 Prozent der europäischen Kundschaft bereit, auch für fair gehandelte Kleidungsstücke mehr Geld auszugeben.

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Auch im Sport sei diese Entwicklung allmählich zu spüren, sagt Robert Weber, Gründer der „Bad-Boyz-Ballfabrik“ in Nürnberg:
„Wenn Vereine bei uns anrufen und wir sie fragen, was sie zu uns geführt hat, dann kommt sehr oft die Antwort: Die Eltern unserer Jungen in der F-Jugend haben darauf gedrängt, dass wir faire Bälle einkaufen sollen. Aber das findet im Augenblick noch im sehr kleinen Rahmen statt. Ich bin mir relativ sicher, dass von den 28.000 Fußballvereinen 26.000 gar nicht wissen, dass es einen fairen Ball gibt."

80 Millionen Bälle pro Jahr

Robert Weber arbeitet seit mehr als 40 Jahren in der Sportartikelbranche. In den Achtzigern verlegte er die Ball-Produktion eines Nürnberger Unternehmens nach Pakistan. Seitdem ist er mehr als 70 Mal dort gewesen. Vor allem im Nordosten Pakistans, in der Stadt Sialkot, wo 730 Hersteller pro Jahr mehr als 80 Millionen Bälle produzieren.
Diese Massenproduktion ging Robert Weber zunehmend gegen den Strich. Also gründete er 2014 ein eigenes Unternehmen, das ausschließlich fair produzierte Bälle aus Pakistan bezieht.
„Von den circa 730 Herstellern sind tatsächlich nur sechs Stück Fairtrade zertifiziert“, sagt er. „Und das wichtige bei Fairtrade-Sportbällen ist eben immer die Doppel-Zertifizierung. Das heißt: Sowohl die Marke und Vertriebsfirma hier in Deutschland, als auch der Hersteller in Pakistan müssen beide Fairtrade zertifiziert sein, werden also beide kontrolliert.“  

Nachhaltigkeit muss nicht teuer sein

Fairtrade in der Produktion heißt unter anderem: Existenzsichernde Löhne und ökologisch unbedenkliche Arbeitsbedingungen. Immer mehr Sportvereine beteiligen sich an der Aufklärung, zum Beispiel der FC Internationale in Berlin-Schöneberg.
Anton Klischewski, im Verein zuständig für Nachhaltigkeit, wünscht sich, dass Kommunen und Verbände mehr Anreize schaffen:
„In Berlin könnte man den Landessportbund Berlin als ein positives Beispiel. Der hat eine Förderung von fair gehandelten und ökologisch hergestellten Sportartikeln auf den Weg gebracht hat. Das sind bis zu 50 Prozent, die man dort als Amateurverein zurückbekommen könnte, wenn man sich für das nachhaltigere Angebot entscheidet. Das ist ein enormer Wert, der dieses Argument 'Nachhaltigkeit ist teuer' vielleicht im ersten Schritt direkt entkräften kann."
Anton Klischewski und seine Mitstreiter im Netzwerk „Sport handelt fair“ haben Empfehlungen für fair gehandelte Sportkleidung veröffentlicht. Ob sich daran bald auch der Profifußball orientiert?
Selbst eher gesellschaftskritische Klubs sind durch millionenschwere Verträge an Sportartikelhersteller gebunden. In Deutschland setzt einzig der FC St. Pauli auf eine eigene Kollektion, um sich von Zulieferern unabhängig zu machen.

Werbung für fair gehandelte Sportartikel

Doch auch an anderen Standorten können Fans aktiv werden, sagt Lara Schröder von der Aufklärungsinitiative „Cum Ratione“:
"Erst mal kann ich ja auch einfach in den Shop des Lieblingsvereins gehen und nachfragen: 'Habt Ihr das denn auch in Fair?' Es ist natürlich auch in unserer Konsumgesellschaft so: Die Nachfrage regelt auch das Angebot. Das heißt, es muss auch viel von Fanseite kommen. Gleichzeitig gibt es aber auch wirklich total viele kreative Lösungen wie Quizze, die man in den Schulen durchführen kann, um das Thema auf spielerische Art und Weise unter die Schülerinnen und Schüler zu bringen."
In den kommenden Wochen wollen etliche NGOs für fair gehandelte Sportartikel werben. Bis jedoch ein Fairtrade-Ball bei einem WM-Finale zum Einsatz kommt, werden wohl noch Jahre vergehen.
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