Klimaschutz

Wie die Fußball-EM besonders nachhaltig werden soll

06:17 Minuten
Pokal der Fußball-Europameisterschaft
Für die Fußball-Europameisterschaft mussten keine neuen Stadion gebaut werden (hier der Pokal). © IMAGO / Nordphoto / IMAGO / nordphoto GmbH / Engler
Von Ronny Blaschke · 05.05.2024
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Der DFB und die UEFA wollen neue Maßstäbe setzen und die EURO 2024 zur nachhaltigsten Fußball-Europameisterschaft aller Zeiten machen. Wie soll das funktionieren?
Die Gastgeber der Fußball-EM beschreiben ihr Nachhaltigkeitskonzept als Meilenstein. So können die Stadionbesucher an Spieltagen den Nahverkehr kostenlos nutzen.
Der Strom in den Spielstätten soll aus erneuerbaren Energien stammen. Die Veranstalter wollen zudem sparsam mit Wasser umgehen, sagt Tristan Heß, der Nachhaltigkeitsbeauftragte für die EM in Hamburg:

In Hamburg setzen wir darauf, dass die Leute mit dem Umweltverbund von A nach B kommen, also mit dem ÖPNV, mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Im Stadion wird es keine Parkplätze für private PKW geben. Dafür gibt es aber einen gesicherten Fahrradparkplatz, sodass die Anreise mit dem Rad attraktiver wird.

Tristan Heß, EM-Nachhaltigkeitsbeauftragter in Hamburg

Im Hamburger Volksparkstadion sollen fünf EM-Spiele stattfinden. Tristan Heß, der mit seinem Team in der Hamburger Umweltbehörde angesiedelt ist, kümmert sich um die Fanzone auf dem Heiligengeistfeld.

Kommunikation vor allem digital

Hier, im Stadtteil St. Pauli, können Tausende Fans die Spiele im Public Viewing verfolgen. Getränke und Speisen werden im Mehrweggeschirr bereitgestellt, sagt Tristan Heß:
"Die Kommunikation auf der Fläche wird primär digital erfolgen. Man darf keine größeren Flyer oder Broschüren austeilen. Wenn, dann nur kleine Flyer, auf denen ein QR-Code drauf ist, über die man sich weiter informieren kann.
Und wir haben auch Vorgaben für die reduzierte Ausgabe von Giveaways und Geschenken. Die Maßnahmen zusammengenommen werden das Abfallaufkommen auf der Veranstaltungsfläche erheblich reduzieren."

Kritik von der Deutschen Umwelthilfe

Auch Umweltwissenschaftler wie Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe halten die Vorrausetzungen für ein klimaschonendes Sportgroßereignis für gegeben. Gerade im Vergleich zu früheren Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften in Russland, China oder Katar.
In Deutschland mussten für die EM keine neuen Stadien gebaut werden. Aber Fischer möchte den Maßstab höher anlegen:
"Wir haben festgestellt, dass die Kommunikation der EURO 2024 GmbH und auch des DFB sehr defensiv ist. Kommunikation und Austausch mit kritischen Umweltschutzgruppen: eher unerwünscht. Wir hätten uns gewünscht: gar keine Kurzstreckenflüge. Wir hätten uns gewünscht, so wie das teilweise auch bei Bundesligaspielen der Fall ist, dass es Sperren für Autos in der Stadionumgebung gibt." 

Unterschiedliche Nachhaltigkeitskonzepte in EM-Städten

Die 51 Spiele der Fußball-Europameisterschaft finden in zehn deutschen Städten statt. Die Qualität der Nachhaltigkeitskonzepte in diesen Kommunen ist unterschiedlich.
Nun aber, vor und während der EM, müssen sich die Städte mit der Uefa arrangieren, erläutert Anton Klischewski, Experte für Klimaschutz im Fußball und verantwortlich für Nachhaltigkeit beim Amateurfußballklub FC Internationale in Berlin:

Der größte Interessenskonflikt bei den Städten besteht zwischen den Vergaberechtslinien und den Sponsoringlinien. Die Uefa lässt sich natürlich in ihre Verträge schreiben, dass Sponsoringrecht erst mal über Vergaberecht steht. Deswegen kann zum Beispiel auch ein großer Sponsor die kompletten Volunteers ausrüsten und muss nicht an einem normalen Ausschreibungsverfahren der Stadt Leipzig oder Berlin teilnehmen.

Anton Klischewski, Experte für Klimaschutz im Fußball

Global agierende Konzerne als Sponsoren

Die Uefa verzeichnet Jahresumsätze von mehr als vier Milliarden Euro. Ihre Sponsoren sind global agierende Konzerne, darunter Elektrohersteller aus China, ein Getränkeproduzent aus den USA oder eine Fluglinie aus Katar. Diese Sponsoren werden während der EM in den Stadien und auf den Fanmeilen besonders präsent sein.
Die lokalen Unternehmen und Umweltbündnisse müssen sich mit kleineren Flächen begnügen, sagt Anton Klischewski. Und er nennt einen weiteren Punkt, der die große Nachhaltigkeitskampagne der Uefa in einem anderen Licht erscheinen lässt:

Mir stößt immer noch sauer auf, dass mittlerweile die Euro als dieses große nachhaltige Raumschiff tituliert wird. Und nebenbei gibt es im Vereinsfußball jetzt die Champions-League-Reform ab der kommenden Saison mit über 60 Spielen mehr. Wir haben 60 weitere Auswärtsfahrten für Teams in der Gruppenphase allein.

Die Uefa behauptet, dass die EM auch dem Breitensport in Deutschland langfristig zugutekommen wird. Dafür hat sie einen Klimafonds in Höhe von sieben Millionen Euro aufgelegt. Dutzende Vereine erhalten nun eine Förderung: für Wärmepumpen, LED-Flutlichtleuchten oder Elektro-Minibusse.

Sportartikel kommen in dem Konzept nicht vor

Was im Nachhaltigkeitskonzept der Uefa hingegen kaum vorkommt, sind Sportartikel und Merchandising.
Adidas zum Beispiel, einer der Marktführer, produziert pro Jahr eine halbe Milliarde Kleidungsstücke. In den Monaten vor der Fußball-EM läuft die Maschinerie auf Hochtouren. Millionen Euro fließen in Werbekampagnen.
Lara Schröder von Aufklärungsinitiative "Cum Ratione" sagt, dass mehr als die Hälfte der Kleidungsstücke innerhalb eines Jahres auf dem Müll landen: "Es ist superwichtig, dass man, auch wenn man sagt, ich bin Adidas- oder Nike-Fan, ich möchte da weiterhin kaufen, dass man den Marken auch zurückspielt, wie wichtig das Thema Nachhaltigkeit für einen ist.
Der Markt lenkt auch das Angebot. Dass ich vielleicht auch mit den Kindern darüber rede: Hier ist das Trikot: Wisst Ihr eigentlich, wie viel bei der Näherin ankommt? Dass vielleicht auch nicht jede Saison neue Trikots gekauft werden müssen." Vor und während der Europameisterschaft sind etliche Veranstaltungen und Workshops zum Thema Nachhaltigkeit im Fußball geplant. Viele davon finden jedoch ohne jegliche Beteiligung von Uefa und DFB statt.

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