Nachhaltiges Cocktailtrinken

Zwischen Eiswürfelverzicht und Ananasboykott

04:38 Minuten
Drei Cocktails mit Minzlikör und Eiswürfeln in Gläsern
Ein Londoner Star-Barkeeper hat auch schon mal komplett auf Eiswürfel verzichtet - um Energie zu sparen. © imago/Westend61
Von Katharina Kühn · 20.07.2019
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Eigentlich klingt Cocktails trinken nach Luxus und nicht nach Umweltbewusstsein. Es gibt aber Bars, die bei der Zubereitung ihrer Drinks und auch bei ihrer Ausstattung auf CO2-Ausstoß und Ökobilanz achten – zum Beispiel in London und Berlin.
Vielleicht waren Bars bis vor Kurzen noch die Inseln des glückseligen Müllproduzierens, der unbeschwerten Verschwendung. Allerdings: Wer 15 Euro für ein paar Zentiliter verlangt, könnte sich ja auch ein bisschen um die Rettung des Planeten kümmern.
Und genau das, also ein bisschen die Welt zu retten, versuchen nun einige Cocktailbars. Hier tut sich besonders die Londoner Szene hervor, angetrieben vom Star-Barkeeper Ryan Chetiyawardana, der mal komplett auf Eiswürfel verzichtet hat, um Energie zu sparen.

Weinreste werden zu leckerem Sirup

Wer genau hingehört hat, wird nun eventuell erbost gerufen haben: Da sind doch Eiswürfel! Stimmt. Die Nine Lives Bar geht einen anderen Weg. Hier in der unterirdischen Bar, gibt es zwar Eiswürfel in den Gläsern. Aber sonst ist der Ansatz in der selbsternannten Zero-Waste-Bar radikal. Als erstes geht es darum, in der Bar weniger wegzuwerfen. Zum Beispiel offenen Wein, erklärt Barchef Victor:
"Offener Wein vom Samstagabend kann schlecht werden, deswegen möchtest du ihn nicht in der kommende Woche anbieten. Wir nehmen daher den Wein, mischen übrig gebliebene Kräuter vom Wochenende dazu, Rosmarin, Thymian, Kardamon und etwas Bananenschale, lassen das lange köcheln und machen so einen leckeren Sirup, den wir mit Rye Whiskey mixen."
Die Einrichtung ist aus zweiter Hand, das Soundsystem wurde aus mehreren alten Musikanlagen zusammengebaut, selbst das Toilettenpapier ist eine Mischung aus schnell wachsendem Bambus und Recyclingpapier. Die Zutaten werden, so gut es geht, lokal gekauft – wenn sie denn überhaupt gekauft werden.
Denn die Nine Lives Bar arbeitet mit einem Event-Organisator zusammen. Was auf einer Veranstaltung übrig bleibt, kommt in die Bar.

Auf der Suche nach den passenden Zutaten

Ähnlich macht das auch die Tiger Bar seit zweieinhalb Jahren in Berlin mit einem Partner-Restaurant, erzählt Yoshua Lange, neudeutsch "Food and Beverage Manager", also zuständig für alles, was mit Essen und Getränken zu tun hat:
"Der Anfang war ein bisschen schwierig, weil das war immer - nicht dass der Cocktail nicht interessant war - das war, dass die Leute, wenn sie zuerst in das Restaurant gehen: Dann sie haben fermentierten Rotkohl gegessen, später wollen sie nicht unbedingt einen Cocktail mit Rotkohl, obwohl es super schmeckt! Aber nein, die waren schon bei dieser Geschichte.
Nur weil der Rotkohl im ersten Gang geschmeckt hat, möchten die Besucher ihn nicht unbedingt noch einmal nach dem Essen als Cocktail serviert bekommen. Also überlegen nun Restaurant und Bar vorher, welche Zutaten wie passen könnten. Von einigen Zutaten hat sich die Tiger-Bar getrennt, sagt Barchef Matt Bosswell:
"Wir hatten Cocktails mit Ananas zum Beispiel gemacht. Und jetzt benutzen wir gar keine Ananas. Vielleicht getrocknet, zum Beispiel, oder in einem Tee oder sehr konzentriert, so eine Tinktur, dass wir das nur einmal pro Jahr machen müssen. Aber wir müssen nicht 30 Kilo Ananas oder zwei, drei, vier Ananas pro Woche bestellen."

Tropische Früchte vermiesen die CO2-Bilanz

Die meisten tropischen Früchte sind aus der Angebotskarte der Tiger-Bar verschwunden. Ihr C02-Fußabdruck war zu groß. Für die Säure nehmen die Barkeeper lieber Äpfel, Essig oder Verjus, Saft aus unreifen Trauben.
Trotzdem gibt es sie natürlich noch: Die Gäste, die Pina Colada wollen, die nach einem Strohhalm fragen, die Cosmopolitan bestellen.
"Wenn Leute irgendetwas suchen, was ein bisschen schwer oder ein bisschen alte Schule oder so ist, sagen wir immer: Eigentlich haben wir das, du solltest aber zuerst das probieren. Und niemand sagt nach dieser Verkostung, nein, nein, nein, ich wollte trotzdem einen Cosmo! Ich meine, das hat auch mit der Energie und Attitude zu tun, die du gibst."
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