Nach Rückzug von Katja Kipping und Bernd Riexinger

Neuer Wind bei der Linkspartei

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Katja Kipping und Bernd Riexinger, die Bundesvorsitzenden der Partei Die Linke, sprechen auf einer Pressekonferenz. Die beiden Vorsitzenden haben ihren Rücktritt erklärt.
Nach dem Rückzug der Parteivorsitzenden der Linken, Katja Kipping und Bernd Riexinger, könnte eine weibliche Doppelspitze folgen. © picture-alliance/ZB/Britta Pedersen
Michael Koß im Gespräch mit Anke Schaefer  · 31.08.2020
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Mit dem Wechsel an der Parteispitze der Linken verbindet der Parteienforscher Michael Koß wenig neue Chancen für die Partei. Zwar sei die Möglichkeit für eine Regierungsbeteiligung gegeben, aber die Wählerklientel sei gleichbleibend niedrig.
Nach dem Rückzug der beiden Linken-Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger spricht einiges für eine weibliche Doppelspitze. Im Gespräch für die Nachfolge sind die Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, Janine Wissler, und die thüringische Landesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow. Beide Politikerinnen sind einer breiteren Öffentlichkeit bislang nahezu unbekannt.
Auch er kenne die beiden Politikerinnen nur aus der Zeitung, sagt unser Studiogast, der Politologe und Parteienforscher Michael Koß. Er halte es für ehrenwert, dass es der Partei offenbar nicht vor allem darum gehe, bekannte Persönlichkeiten zu präsentieren. Henning-Wellso sei vielleicht manchem noch in Erinnerung, weil sie dem kurzzeitigen thüringischen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) nach dessen Wahl mit Stimmen der AfD einen Blumenstrauß vor die Füße warf. Wissler hätte sich in Hessen 2018 fast mal mit der SPD-Politikerin Andrea Ypsilanti auf ein Linksbündnis geeinigt.
Der Politologe Michael Koß.
Der Politologe Michael Koß analysiert die Chancen der Linkspartei nach einem Wechsel in der Parteispitze. © Hans Panichen
Er halte die Chance einer Regierungsbeteiligung für die Linke für so groß wie noch nie. "Wie groß sie am Ende ist, steht in den Sternen", so Koß. Die Chancen seien größer, weil der frühere Linken-Politiker Oskar Lafontaine keine Rolle mehr spiele, der einer Zusammenarbeit mit der SPD lange im Weg gestanden habe. Aber die Linkspartei könne machen, was sie wolle und lande immer nur bei sieben bis neun Prozent der Wählerstimmen, so Koß. "Das ist die einzige Partei, deren Umfragetrend eine Linie ist."

Kleine Anhängerschaft

Die Partei habe ein strukturelles Problem, so der Parteienforscher. "Ich glaube nicht, dass das Segment, nach dem die Linkspartei da schielen will, vorhanden ist", sagt er. Selbst wenn die SPD alles falsch mache, sehe er für die Linke keinen Wählerpool von 15 Prozent. Der Hauptkonkurrenz sei die größte Oppositionspartei, die AfD. Da habe die Linken-Politikerin Sara Wagenknecht in ihrer Analyse recht.
Wer Linken-Politiker nach ihren Haupthemen frage, bekomme ungefähr 20 verschiedene Antworten. "Das ist natürlich Teil des Problems", so Koß. Er könne keine Themenhierarchie ausmachen.
In Thüringen sei der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow eine "Idealkonstellation", die dort funktioniere. Aber das sei auf der Bundesebene nicht wiederholbar. Machbar auf der Bundesebene sei dagegen ein echtes Signal an SPD und Grüne, dass die Linke koalitionsbereit sei. "Das scheint mir auch der Hintergrund dafür zu sein, dass die letzte Wunderwaffe der Linkspartei, Gregor Guysi, außenpolitischer Sprecher ist und gerade hart daran arbeitet, den größten Knackpunkt eines gemeinsamen Handels abzuräumen", sagt Koß. Dabei gehe es um die bisherige Forderung der Linken, die Nato abzuschaffen. Dann könnte man den Nachwuchs machen lassen.
(gem)

Michael Koß, geboren 1976, studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Rechtswissenschaft in Göttingen, Besançon und Uppsala. Nach der Promotion war er bis 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politik und Regieren in Deutschland und Europa an der Universität Potsdam und wechselte danach an das Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seit Herbst 2019 hat er eine Professur an der Leuphana Universität Lüneburg.

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