Nach Juncker ist vor Juncker

Von Annette Riedel, Studio Brüssel |
Darauf könnte es hinaus laufen in Luxemburg: Nach Juncker ist vor Juncker. Man übersteht nicht 18 ununterbrochene Dienstjahre als Regierungschef, wenn man nicht mit allen politischen Wassern gewaschen ist. Jean-Claude Juncker <em>ist</em> mit allen politischen Wassern gewaschen, meint Anette Riedel.
Er konnte zwar nicht verhindern, dass es im Herzogtum um ein paar Monate vorgezogene Wahlen gibt. Und die gestrige Abrechnung des Parlaments mit Junckers zu unambitioniertem, zu laxem, zu intransparentem Umgang mit dem Geheimdienst im Allgemeinen und der Geheimdienstaffäre im Speziellen gleicht einer Ohrfeige für den insgesamt nach wie vor sehr beliebten Politiker. Aber er hat nicht auch noch die andere Wange hingehalten.

Clever hat er nicht am Anfang der Debatte seinen Rücktritt angekündigt, sondern hat seine Chance genutzt, fast einlullend detailreich zwei Stunden lang auf nahezu alle Kritikpunkte einzugehen. Man hätte sich ein bisschen mehr, wenn schon nicht Schuldbewusstsein, so doch, sagen wir, "Problembewusstsein" von Juncker vorstellen können.

Ein "mea culpa" kam nicht. Eingestandene Fehler versuchte er als fast schon wieder sympathische Schwächen zu verkaufen. Als er jedoch erkennen musste, dass er keine Mehrheit für seine Sicht der Dinge finden würde, zog er die Reißleine und kündigte Rücktritt und Neuwahlen an. Auf diese Art und Weise kam er gerade noch so an einem Misstrauensvotum gegen ihn vorbei, das er mit Sicherheit verloren hätte. Ein Regierungschef, dem gerade aktenkundig das Misstrauen ausgesprochen worden ist, hätte wohl kaum munter in drei Monaten zur Wiederwahl antreten können.

Man kann sich mit Recht fragen, warum halb Europa eigentlich so interessiert ist an Junckers politischem Schicksal. Er ist Regierungschef eines Landes, das ungefähr so viel Einwohner hat wie Hannover oder Leipzig oder Dresden. Der luxemburgische Politiker ist eben wie kaum ein anderer auch europäischer Politiker, gehört seit mehr als 18 Jahren sozusagen zum Inventar der EU. War und ist irgendwie noch immer "das Gesicht zum Euro" – im Guten und im Bösen. Im Bekannten allemal.

Daheim kann man ihm kaum vorwerfen, die Brüsseler Bühne nicht immer auch im Interesse Luxemburgs genutzt zu haben. Wohl aber, dass er manchmal mehr auf dieser Bühne gestanden hat, als sich nationalen Angelegenheiten zu widmen, der Geheimdienstaffäre etwa.

Man geht kein großes Risiko ein, wenn man wettet, dass es vielleicht noch einmal Juncker nach Juncker in Luxemburg geben wird – schon allein Mangels Alternative – dass er aber sein grundsätzliches Interesse an einem einflussreichen Job in Brüssel nicht aufgeben wird. Und davon werden demnächst gleich mehrere vakant.