Nach Festnahmen in der Türkei

"EU-Politiker müssen die Abgeordneten im Gefängnis besuchen"

Diyarbakir im Südosten der Türkei
Südosten der Türkei: Polizisten bewachen am 4. November 2016 das Gerichtgebäude in Diyarbakir, wo mehrere Mitglieder der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP verhaftet worden sind. © imago/Depo Photos
Feleknas Uca im Gespräch mit Axel Flemming · 05.11.2016
Als Reaktion auf die Inhaftierung zahlreicher HDP-Politiker in der Türkei fordert die pro-kurdische Partei Unterstützung von der EU und Deutschland. Unterdessen rechnet auch Uca Feleknas, die als HDP-Abgeordnete im Südosten der Türkei lebt, mit ihrer Festnahme.
Die Türkei hat Haftbefehl gegen den Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung "Cumhuriyet" und acht führende Mitarbeiter erlassen. Die neun Journalisten waren am Montag festgenommen worden. Die Behörden werfen ihnen vor, das Gülen-Netzwerk und militante kurdische Gruppen zu unterstützen.
Carsten Buttkereit zu den neuesten Entwicklungen in der Türkei:

HDP-Abgeordnete Feleknas Uca: "Wir sprechen von einem Ausnahmezustand"

Wie weit der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan geht, zeigte sich in dieser Woche, als nicht nur Journalisten, sondern auch Abgeordnete des türkischen Parlaments verhaftet wurden.
"Es kann passieren, dass wir auch alle festgenommen werden. Die Immunitäten sind ja aufgehoben worden im Parlament. Die Situation ist am Eskalieren, vor allem hier im Südosten. Wir sprechen von einem Ausnahmezustand, den die Regierung ausgesprochen hat. Aber die Kurden haben einen Ausnahmezustand schon seit Jahren zu erleben."
Das sagte Feleknas Uca im Deutschlandradio Kultur. Die Politikerin wurde am 7. Juni 2015 für die kurdische Partei Halkların Demokratik Partisi (HDP) im Wahlkreis Diyarbakır ins Parlament gewählt. Die deutsch-kurdische Jesidin lebt in Diyarbakir, wo mehrere Abgeordnete der HDP in der Nacht vom 3. auf den 4. November verhaftet worden waren. Die Repressionen gegenüber ihrer Partei hätten aber bereits seit den Wahlen im vergangenen Jahr zugenomen, so Uca. Jetzt müssten die Abgeordneten mit allem rechnen.

Am Freitag seien inhaftierte Kollegen ohne Rechtsbeistand vernommen worden, sagte Feleknas Uca. Auch ihnen - als Abgeordneten - sei verboten worden, mit den Ko-Vorsitzenden in Diyarbakir zu sprechen. Sie wüssten nicht, wie es den Inhaftierten gesundheitlich gehe und wie ihre Gesamtsituation in der Haft sei. "Wir haben nicht die Information bekommen, wo alle Abgeordnete untergebracht worden sind, in welchem Gefängnis."
Sie hätten sich nicht einmal vor der Verhaftung von ihren Parteikollegen verabschieden können, so Uca.
Feleknas Uca im türkischen Parlament
Feleknas Uca, im Juni 2015 bei den Parlamentswahlen ins türkische Parlament eingezogen mit der pro-kurdischen HDP© picture alliance/dpa/Str

"Druck auf die Türkei ausüben"

Die HDP warnt vor dem Ende der Demokratie in der Türkei und bittet um internationale Unterstützung. Als Reaktion auf die Festnahmen hätten Abgeordnete der HDP und der Parteivorstand eine außerordentliche Sitzung zusammengerufen, so Feleknas Uca, um darüber zu beraten, wie die Partei auf die aktuelle Situation reagieren könne. In einem Abbruch der Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei sieht Feleknas Uca aber keine aktuelle Lösung:
"Es geht darum, mehr Druck auf die Türkei auszuüben. Im Moment müssen mehr internationale Delegationen in diese Region kommen, auch um die Abgeordneten im Gefängnis zu besuchen."
Für alle müsse die Demokratie gelten: "Es kann nicht sein, dass wir nach einem zivilen Putsch alle unter einem Diktator Erdoğan leben müssen."
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