Nach der Stichwahl in Österreich

"Die FPÖ ist nicht zurückgedrängt"

Der österreichische FPÖ Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer bei einer Wahlkampfveranstaltung in Wels.
Norbert Hofer hat die Wahl zwar verloren, doch der Einfluss seiner Partei bleibt. © picture alliance / dpa / Alexander Schwarzl
Robert Misik im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 05.12.2016
Nach dem Wahlsieg des unabhängigen Kandidaten Alexander Van der Bellen herrscht bei vielen große Erleichterung. Zu früh dürfe man sich jedoch nicht freuen, warnt der Publizist und Blogger Robert Misik.
Nicht nur in Österreich, in ganz Europa fiel gestern Abend vielen Menschen ein Stein vom Herzen. Denn neuer Bundespräsident Österreichs wird der ehemalige Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. 51,7 Prozent der Stimmen holte er laut vorläufigem Endergebnis. Der Kandidat der rechtspopulistischen FPÖ, Norbert Hofer, kam hingegen nur 48,3 Prozent.

Heilsamer Schock nach der Trump-Wahl

Ein Grund für den Sieg Van der Bellens sei wohl die Anfechtung des Wahlergebnisses vom Mai gewesen, sagt der österreichische Publizist und Blogger Robert Misik im Deutschlandradio Kultur. Die Österreicher hätten dies nich goutiert. "Dass jemand hergeht, ein schlechter Verlierer, und sich mit juristischen Tricks eine zweite Chance erschleicht, hat der FPÖ sicher nicht genützt."
Hinzu komme der aggressive Diffamierungs-Hass-Wahlkampf der Rechtspopulisten, der Partei ebenfalls nicht genützt habe. Der wichtigste Grund für den Wahlausgang sei jedoch eine "ganz, ganz, ganz breite zivilgesellschaftliche Kampagne" für Alexander Van der Bellen gewesen. Nach der Trump-Wahl in den USA habe es in Österreich eine Art heilsamen Schock gegeben: "In dem Wählersegment Mitte bis Links gab es eine Wahlbeteiligung von 100 Prozent."

Die Chancen der Rechtspopulisten sind weiterhin intakt

Trotzdem dürfe der Wahlausgang nicht zu falschen Schlüssen verleiten, warnt Misik. "Die FPÖ selber ist natürlich jetzt überhaupt nicht zurückgedrängt - oder deren Aufstieg gestoppt." In den Umfragen liege die Partei stabil bei 32 bis 33 Prozent. Damit habe sie gute Chancen, als stärkste Kraft aus der nächsten Parlamentswahl hervorzugehen.
Misik. "Das gibt es noch einiges zu tun, um zu verhindern, dass nächstes Mal rechtsradikale oder rechtspopulistische Partei in der Regierung ist - wenn nicht sogar als führende Kraft in der Regierung ist - und den Kanzler stellt. Diese Chance ist für die FPÖ auf jeden Fall noch intakt."

Das Gespräch im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: In Österreich werden Wahlen sogar dann wiederholt, wenn nachweislich nicht manipuliert wurde, es reicht, wenn in ein paar abgelegenen Gemeinden die freiwilligen Helfer schlampen – das ist problematisch. Das hat der linke Journalist und Autor Robert Misik geschrieben, wohlgemerkt vor dem vierten und erfolgreichen Versuch, einen Bundespräsidenten von Österreich zu wählen. Nun wissen wir es ja: Der Wahlsieger heißt Alexander Van der Bellen von den Grünen. Herr Misik, schönen guten Morgen!
Robert Misik: Guten Morgen!
von Billerbeck: Ganz Europa fällt ein Stein vom Herzen, hat der deutsche SPD-Chef Sigmar Gabriel gesagt – Ihnen auch?
Misik: Ja, natürlich fällt mir ein Stein vom Herzen, oder sagen wir so, natürlich bin ich froh, dass das so ausgegangen ist, aber ehrlich gesagt, hab ich auch nicht wirklich mit was anderem gerechnet, aber bis man's weiß, ist man dann doch trotzdem nervös, nicht?
von Billerbeck: Es gab ja auch andere Stimmen, die Befürchtungen waren ja groß, dass da tatsächlich der FPÖ-Mann Norbert Hofer in die Wiener Hofburg einzieht.
Misik: Ja, es war ja auch nicht ganz unberechtigt, diese Befürchtung zu haben. Es stand ja beim letzten Mal 50 zu 50, und die Gesamtlage hat sich natürlich auch nicht wirklich so entwickelt, dass man sagen kann, es ist jetzt ein Boost für einen linksliberalen Kandidaten. Ganz im Gegenteil, mit der Trump-Wahl, mit dem Brexit-Votum konnte man ja auch irgendwie annehmen, dass es so etwas wie eine Woge gibt, die jetzt der FPÖ günstig ist. Es gab natürlich eben auch eine Reihe von anderen Tendenzen jetzt in Österreich, die der FPÖ ungünstig waren, und die konnte man gleichzeitig auch absehen.

Starke zivilgesellschaftliche Kampagne für Van der Bellen

von Billerbeck: Dann analysieren Sie das doch mal für uns, woran liegen denn nun die Gründe für diesen Sieg des Grünen gegen den blauen Hofer.
Misik: Es ist eine Reihe von Gründen. Ich würde als Erstes sagen, die Österreicher haben das nicht so wahnsinnig goutiert, dass die FPÖ die Wahl angefochten hat. Die Leute haben schon verstanden, diese Wahl damals im Mai ist korrekt abgelaufen und ist korrekt ausgegangen, und dass dann jemand hergeht, ein schlechter Verlierer, und deswegen sich quasi mit juristischen Tricks eine zweite Chance erschleicht, hat sicher nicht genützt der FPÖ. Das Zweite ist, die FPÖ hat total einen aggressiven Diffamierungshasswahlkampf geführt, ein Jahr lang, und gleichzeitig versucht, ihren Kandidaten als sanft und sonst irgendwas, harmlos darzustellen, der aber auch in den letzten Wahlkampftagen dann sein wahres Gesicht gezeigt hat. Auch das hat ihm sicher nicht genützt.
Und das Dritte ist, und ich glaube das Wichtigste fast, es gab eine ganz, ganz, ganz, ganz breite zivilgesellschaftliche Kampagne, Zehntausende Leute, die Wahlkampf für Alexander Van der Bellen gemacht haben, insbesondere dann nach der Trump-Wahl in den USA. Da gab es sozusagen auch so eine Art heilsamen Schock, und da sind wirklich alle gelaufen, wenn man so will. Und deswegen, glaube ich, würde ich auch sagen, in dem politischen Wählersegment Mitte bis links gab es eine Wahlbeteiligung von 100 Prozent, man hat also jeden quasi zur Urne gebracht, und das war dann letztendlich wahlentscheidend, würde ich sagen.

Die FPÖ ist weiterhin stärkste politische Kraft

von Billerbeck: Trotzdem, wenn er auch diesmal nicht gewonnen hat, Norbert Hofer hat ja viele Österreicher für sich mobilisieren können, Sie haben es eben schon mal so fast zitiert, ein Jahr Propaganda, ein Jahr der Lüge, des Hasses und der Herabwürdigung, so habe ich es bei Ihnen im Blog gelesen. Damit war er ja offenbar erfolgreich, wenn auch nicht so, um Bundespräsident zu werden. Was sagt uns das denn? Blicken Sie doch mal tief in die österreichische Seele.
Misik: Na ja, da würde ich es jetzt nicht so übertreiben. Ich meine, die FPÖ ist stark genug, aber 47 Prozent sind natürlich auch nur ihr Potenzial unter wirklichen Ausnahmebedingungen. Da waren auch genügend Leute dabei, die Hofer auch nicht super finden, aber halt einen Grünen noch unmöglicher für sie – sagen wir mal so, sehr konservative Leute auf dem Land und so weiter und so fort, wo du noch nie einen Grünen gesehen hast, das soll man ja nicht ganz vergessen.
Die FPÖ selber ist natürlich jetzt überhaupt nicht zurückgedrängt oder deren Aufstieg gestoppt, auch wenn ich glaube, dass das für sie schon eine sehr empfindliche Niederlage jetzt ist, die einen in den Knochen ein bisschen stecken bleiben wird für ein paar Wochen. Aber sie liegt in den Umfragen stabil bei 32,33 Prozent, manche haben sie bei 34 Prozent, und ist damit stärkste Partei in den Umfragen selbst, ja, fast schon vor dem Sommer letzten Jahres, und hat damit gute Chancen, als stärkste aus den nächsten Parlamentswahlen herauszugehen, die irgendwann mal nächstes oder spätestens übernächstes Jahr sein werden.
Das ist die, wie soll ich sagen, gesamtpolitische Ausgangslage, und da gibt es noch einiges zu tun, um zu verhindern, dass nächstes Mal eine rechtsradikale oder rechtspopulistische Partei in der Regierung ist, wenn nicht sogar als führende Kraft in der Regierung und den Kanzler stellt. Also diese Chance ist für die FPÖ auf jeden Fall noch intakt.
von Billerbeck: Der österreichische Journalist Robert Misik war das nach der gestrigen Wahl um das Amt des Bundespräsidenten von Österreich, das die FPÖ nicht gewonnen hat, sondern der Grüne Alexander Van der Bellen. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Misik: Ich danke auch, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.