Nach der Entlassung auf die Bühne
Die Pleite von Quelle hat die Region Fürth schwer getroffen. Die ehemaligen Mitarbeiter schildern jetzt im Stadttheater Fürth in kleinen Szenen, wie sie den Tag ihrer Entlassung erlebt haben. Intendant Werner Müller betont die Aufgabe des Theaters, „auf solche menschlichen und auch unternehmerischen Katastrophen in geeigneter Art und Weise“ zu reagieren.
Liane von Billerbeck: In Fürth kommt heute die Wirklichkeit auf die Bühne, jene Wirklichkeit, die um das Theater herum exisierte, seit 82 Jahren, und seit Herbst verschwunden ist, als das Versandhaus Quelle geschlossen wurde. In Fürth bin ich jetzt telefonisch mit dem Intendanten des Stadttheaters, mit Werner Müller verbunden. Schönen guten Tag!
Werner Müller: Schönen guten Tag, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Warum dieser Abend? Ist das ein Akt der Solidarität, Therapie oder Kunst?
Müller: Ein bisschen beides, ein bisschen alles von diesen Dingen, die Sie genannt haben. Es soll natürlich ein Akt der Solidarität sein, es stehen ja auch Künstler von uns zusammen mit den ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Bühne. Wir haben gemerkt und auch ja gehört, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dieses auch als Teil der Verarbeitung dieser Vorgänge für sich selber und gemeinsam sehen, und natürlich haben wir versucht, diesen Abend auch entsprechend zumindest dramaturgisch so zu verdichten, dass ein künstlerisches Produkt auf der Bühne dann entstehen kann.
von Billerbeck: Danach wollte ich gerade fragen: Bei Ihnen kommen ja die Entlassenen von Quelle/Primondo zu Wort – so was kann ja auch schnell peinlich werden, wenn dann Nichtautoren schreiben, singen, spielen. Haben Sie eingegriffen, also gab es fachliche Beratung?
Müller: Also unser Theaterpädagoge Johannes Beissel hat das, ich denke, auf eine sehr sensible Art geführt, hat das eine oder andere auch reduziert, hat es in der Art und Weise des jeweiligen Vortrags verdichtet und fokussiert, sodass, denke ich, jede Geschichte für sich selber stehen kann. Und das, was mich gestern Abend bei der Probe auch so beeindruckt hat, ist, dass aus diesen Einzelschicksalen dann ein Gesamtbild, natürlich ein unvollständiges Bild, aber doch ein Bild entsteht von dieser Art Lebens- und Unternehmensgemeinschaft, die Quelle ja über viele Jahre und Jahrzehnte hier in Fürth und in der Region gewesen ist.
von Billerbeck: Nun besteht ja auch die Gefahr, wenn man solche Amateure, Leute aus Quelle auf die Bühne stellt, dass man nicht nur zeigt oder ihnen eine Bühne bietet, sondern dass man sie auch vorführt. Wie haben Sie versucht, das zu vermeiden?
Müller: Die Beiträge der jeweiligen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bleiben quasi für sich stehen, sie haben eine große Authentizität. Wir haben nicht versucht, dem Ganzen einen inszenatorischen Rahmen oder eine Kommentarebene noch hinzuzufügen, sondern das Ergebnis ist ein sehr, sehr pures, direktes Ergebnis, sodass ich glaube, dass diese Form der Ausgestelltheit oder diese Gefahr der Ausgestelltheit nicht stattfinden wird.
Der Abend soll, und das wird er, denke ich, auch, er wird berühren, teilweise durchaus auch betroffen machen, ist aber auch immer wieder durchbrochen durch quasi fröhliche Szenen. Und wir haben diesen Abend nicht zuletzt auch deswegen veranstaltet und veranstalten ihn deswegen, um auch eine gewisse Form der Zukunftsperspektive denjenigen, die auf der Bühne stehen bzw. denjenigen, die im Zuschauerraum sitzen, mitzugeben.
von Billerbeck: Also es geht auch darum, sich selbst ins Spiel zu bringen als Theater und zu sagen, wir sind noch da, wir sind auch für euch da – also Selbstzweck, Egoismus?
Müller: Nein, ich denke, die Wahrnehmung und das Wissen darum, dass das Theater als kulturelles Zentrum der Stadt sich in seinen Formen und auch in seinen Möglichkeiten in einem solchen Diskurs einbringen muss dann. Wir sind weder ein Elfenbeinturm, sondern wir sind das Theater der Stadt und müssen auf solche menschlichen und auch unternehmerischen Katastrophen in geeigneter Art und Weise reagieren.
von Billerbeck: Sie sagen Katastrophe – wie wichtig war denn Quelle/Primondo für Ihr Theater? Wenn da der größte Arbeitgeber in Fürth zumacht, was bedeutet das für Ihr Haus?
Müller: Unmittelbar hat es bedeutet, dass eine unserer wichtigen Hauptsponsoren weggebrochen ist, den wir zwar teilweise durch einen anderen Partner dann ersetzen konnten, aber der finanzielle „Verlust“ liegt auch bei uns in einem sagen wir mal niedrigen fünfstelligen Bereich. Das ist in der Relation zu dem, was für die Stadt und für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Quelle passiert ist, natürlich nahezu vernachlässigbar. Mittelbar müssen wir sehen, welche Entwicklungen die Besucherströme und die entsprechenden Möglichkeiten des Theaterbesuches dann wahrscheinlich erst ab der nächsten Spielzeit nehmen. Ob wir darauf durch diese Insolvenz jetzt negative Erfahrungen im Besucherbereich machen müssen, kann ich jetzt im Moment noch nicht absehen.
von Billerbeck: Also ob ganz einfach die, die bei Quelle entlassen wurden, noch die Nerven haben, bei Ihnen ins Theater zu gehen?
Müller: Die Nerven und möglicherweise auch das Geld, ja.
von Billerbeck: Sind solche Ideen wie dieser Abend heute, wo Sie die ehemaligen Quelle- und Primondo-Beschäftigten auf die Bühne stellen, auch so ein Versuch zu sagen, okay, wir sind das Theater für euch, wir sind euer Bürgertheater? Man kann ja auch den Hintergedanken haben, bei den vielen Sparüberlegungen, die es landauf, landab gibt, wenn wir nur nach Wuppertal gucken, ja, dass man dann sagt, okay, wenn es dann hart auf hart kommt, dann erinnern sich die Leute dran, das ist unser Theater, die haben immer was für uns gemacht, die machen wir nicht dicht.
Müller: Das Stadttheater Fürth speziell war seit seiner Eröffnung und auch getragen von Anfang an, also seit über 100 Jahren, ein sprichwörtliches Bürgertheater. Es ist zum großen Teil auch aus Mitteln der damaligen Fürther Bevölkerung zu Anfang des 20. Jahrhunderts mitfinanziert worden. Also es gibt eine ganz starke Identifikation auch der jetzigen Bevölkerung mit ihrem Theater. Das ist erst mal unabhängig davon, ob sie jetzt auch reingehen oder nicht, aber unsere Zahlen weisen schon auch aus, dass auch die Resonanz und die Teilnahme und auch die Teilhabe hier am Theater speziell hier in Fürth ungebrochen ist.
Wir kennen – Sie haben das ja auch beschrieben eingangs – natürlich Entwicklungen auch in anderen Theaterstätten. Wenn ich an die Initiative damals denke der Münchner Kammerspiele mit dem Bunnyhill-Projekt oder an den Heimspielfonds der Bundeskulturstiftung, dass die Theater in den letzten Jahren doch große Anstrengungen unternommen haben, um sich nach außen in die jeweilige Kommune hinein mehr zu öffnen, als es früher der Fall gewesen ist, auch theaterferne Klientel anzusprechen. Und solche Entwicklungen gibt es bei uns auch.
Wir haben seit einer Spielzeit diese zusammengefasst im sogenannten Brückenbau-Projekt, in dem also Community Dance stattfindet, in denen Semesterwerkstätten stattfinden, in die dann im Herbst dieses Jahres in einem Theaterprojekt mit dem Titel „Berichte von Unsichtbaren“ münden wird. Also da gibt es eine ganze Reihe von Initiativen, die jetzt weniger was damit zu tun haben, dass wir sagen, uns bricht das Publikum weg, sondern die, glaube ich, eher Theater wieder mehr verstehen, in einem gesellschaftlichen, in einem politischen Kontext zu sagen, das, was die Stadt und die jeweilige Lebensgemeinschaft bewegt, muss sich auch im Theater formulieren und artikulieren können.
von Billerbeck: Welche Reaktionen auf den heutigen Theaterabend erhoffen Sie sich vom Publikum?
Müller: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, wir werden eine Form des Gemeinschaftserlebnisses, das Erlebnis haben, wie es am Theater ja immer gemeinsam sein soll. Hier sind natürlich ein ... Auch im Publikum wird ein großer Anteil von betroffenen Quellemitarbeitern und -mitarbeiterinnen sitzen. Wir sind selber sehr neugierig und gespannt auf dieses „Experiment“.
von Billerbeck: Der Fürther-Stadttheater-Intendant Werner Müller war das, dessen Bühne einen Abend mit, von, über und für die Verlierer der Quellepleite macht. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Müller: Sehr gerne, danke Ihnen!
Werner Müller: Schönen guten Tag, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Warum dieser Abend? Ist das ein Akt der Solidarität, Therapie oder Kunst?
Müller: Ein bisschen beides, ein bisschen alles von diesen Dingen, die Sie genannt haben. Es soll natürlich ein Akt der Solidarität sein, es stehen ja auch Künstler von uns zusammen mit den ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Bühne. Wir haben gemerkt und auch ja gehört, dass die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dieses auch als Teil der Verarbeitung dieser Vorgänge für sich selber und gemeinsam sehen, und natürlich haben wir versucht, diesen Abend auch entsprechend zumindest dramaturgisch so zu verdichten, dass ein künstlerisches Produkt auf der Bühne dann entstehen kann.
von Billerbeck: Danach wollte ich gerade fragen: Bei Ihnen kommen ja die Entlassenen von Quelle/Primondo zu Wort – so was kann ja auch schnell peinlich werden, wenn dann Nichtautoren schreiben, singen, spielen. Haben Sie eingegriffen, also gab es fachliche Beratung?
Müller: Also unser Theaterpädagoge Johannes Beissel hat das, ich denke, auf eine sehr sensible Art geführt, hat das eine oder andere auch reduziert, hat es in der Art und Weise des jeweiligen Vortrags verdichtet und fokussiert, sodass, denke ich, jede Geschichte für sich selber stehen kann. Und das, was mich gestern Abend bei der Probe auch so beeindruckt hat, ist, dass aus diesen Einzelschicksalen dann ein Gesamtbild, natürlich ein unvollständiges Bild, aber doch ein Bild entsteht von dieser Art Lebens- und Unternehmensgemeinschaft, die Quelle ja über viele Jahre und Jahrzehnte hier in Fürth und in der Region gewesen ist.
von Billerbeck: Nun besteht ja auch die Gefahr, wenn man solche Amateure, Leute aus Quelle auf die Bühne stellt, dass man nicht nur zeigt oder ihnen eine Bühne bietet, sondern dass man sie auch vorführt. Wie haben Sie versucht, das zu vermeiden?
Müller: Die Beiträge der jeweiligen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bleiben quasi für sich stehen, sie haben eine große Authentizität. Wir haben nicht versucht, dem Ganzen einen inszenatorischen Rahmen oder eine Kommentarebene noch hinzuzufügen, sondern das Ergebnis ist ein sehr, sehr pures, direktes Ergebnis, sodass ich glaube, dass diese Form der Ausgestelltheit oder diese Gefahr der Ausgestelltheit nicht stattfinden wird.
Der Abend soll, und das wird er, denke ich, auch, er wird berühren, teilweise durchaus auch betroffen machen, ist aber auch immer wieder durchbrochen durch quasi fröhliche Szenen. Und wir haben diesen Abend nicht zuletzt auch deswegen veranstaltet und veranstalten ihn deswegen, um auch eine gewisse Form der Zukunftsperspektive denjenigen, die auf der Bühne stehen bzw. denjenigen, die im Zuschauerraum sitzen, mitzugeben.
von Billerbeck: Also es geht auch darum, sich selbst ins Spiel zu bringen als Theater und zu sagen, wir sind noch da, wir sind auch für euch da – also Selbstzweck, Egoismus?
Müller: Nein, ich denke, die Wahrnehmung und das Wissen darum, dass das Theater als kulturelles Zentrum der Stadt sich in seinen Formen und auch in seinen Möglichkeiten in einem solchen Diskurs einbringen muss dann. Wir sind weder ein Elfenbeinturm, sondern wir sind das Theater der Stadt und müssen auf solche menschlichen und auch unternehmerischen Katastrophen in geeigneter Art und Weise reagieren.
von Billerbeck: Sie sagen Katastrophe – wie wichtig war denn Quelle/Primondo für Ihr Theater? Wenn da der größte Arbeitgeber in Fürth zumacht, was bedeutet das für Ihr Haus?
Müller: Unmittelbar hat es bedeutet, dass eine unserer wichtigen Hauptsponsoren weggebrochen ist, den wir zwar teilweise durch einen anderen Partner dann ersetzen konnten, aber der finanzielle „Verlust“ liegt auch bei uns in einem sagen wir mal niedrigen fünfstelligen Bereich. Das ist in der Relation zu dem, was für die Stadt und für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Quelle passiert ist, natürlich nahezu vernachlässigbar. Mittelbar müssen wir sehen, welche Entwicklungen die Besucherströme und die entsprechenden Möglichkeiten des Theaterbesuches dann wahrscheinlich erst ab der nächsten Spielzeit nehmen. Ob wir darauf durch diese Insolvenz jetzt negative Erfahrungen im Besucherbereich machen müssen, kann ich jetzt im Moment noch nicht absehen.
von Billerbeck: Also ob ganz einfach die, die bei Quelle entlassen wurden, noch die Nerven haben, bei Ihnen ins Theater zu gehen?
Müller: Die Nerven und möglicherweise auch das Geld, ja.
von Billerbeck: Sind solche Ideen wie dieser Abend heute, wo Sie die ehemaligen Quelle- und Primondo-Beschäftigten auf die Bühne stellen, auch so ein Versuch zu sagen, okay, wir sind das Theater für euch, wir sind euer Bürgertheater? Man kann ja auch den Hintergedanken haben, bei den vielen Sparüberlegungen, die es landauf, landab gibt, wenn wir nur nach Wuppertal gucken, ja, dass man dann sagt, okay, wenn es dann hart auf hart kommt, dann erinnern sich die Leute dran, das ist unser Theater, die haben immer was für uns gemacht, die machen wir nicht dicht.
Müller: Das Stadttheater Fürth speziell war seit seiner Eröffnung und auch getragen von Anfang an, also seit über 100 Jahren, ein sprichwörtliches Bürgertheater. Es ist zum großen Teil auch aus Mitteln der damaligen Fürther Bevölkerung zu Anfang des 20. Jahrhunderts mitfinanziert worden. Also es gibt eine ganz starke Identifikation auch der jetzigen Bevölkerung mit ihrem Theater. Das ist erst mal unabhängig davon, ob sie jetzt auch reingehen oder nicht, aber unsere Zahlen weisen schon auch aus, dass auch die Resonanz und die Teilnahme und auch die Teilhabe hier am Theater speziell hier in Fürth ungebrochen ist.
Wir kennen – Sie haben das ja auch beschrieben eingangs – natürlich Entwicklungen auch in anderen Theaterstätten. Wenn ich an die Initiative damals denke der Münchner Kammerspiele mit dem Bunnyhill-Projekt oder an den Heimspielfonds der Bundeskulturstiftung, dass die Theater in den letzten Jahren doch große Anstrengungen unternommen haben, um sich nach außen in die jeweilige Kommune hinein mehr zu öffnen, als es früher der Fall gewesen ist, auch theaterferne Klientel anzusprechen. Und solche Entwicklungen gibt es bei uns auch.
Wir haben seit einer Spielzeit diese zusammengefasst im sogenannten Brückenbau-Projekt, in dem also Community Dance stattfindet, in denen Semesterwerkstätten stattfinden, in die dann im Herbst dieses Jahres in einem Theaterprojekt mit dem Titel „Berichte von Unsichtbaren“ münden wird. Also da gibt es eine ganze Reihe von Initiativen, die jetzt weniger was damit zu tun haben, dass wir sagen, uns bricht das Publikum weg, sondern die, glaube ich, eher Theater wieder mehr verstehen, in einem gesellschaftlichen, in einem politischen Kontext zu sagen, das, was die Stadt und die jeweilige Lebensgemeinschaft bewegt, muss sich auch im Theater formulieren und artikulieren können.
von Billerbeck: Welche Reaktionen auf den heutigen Theaterabend erhoffen Sie sich vom Publikum?
Müller: Das ist schwer zu sagen. Ich denke, wir werden eine Form des Gemeinschaftserlebnisses, das Erlebnis haben, wie es am Theater ja immer gemeinsam sein soll. Hier sind natürlich ein ... Auch im Publikum wird ein großer Anteil von betroffenen Quellemitarbeitern und -mitarbeiterinnen sitzen. Wir sind selber sehr neugierig und gespannt auf dieses „Experiment“.
von Billerbeck: Der Fürther-Stadttheater-Intendant Werner Müller war das, dessen Bühne einen Abend mit, von, über und für die Verlierer der Quellepleite macht. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch!
Müller: Sehr gerne, danke Ihnen!