Nach den Feuern in Kalifornien

"Schritt für Schritt geht es vorwärts"

Eine kleine Flagge hängt an einem Briefkasten vor einem komplett ausgebrannten Haus in Santa Rosa, Kalifornien (Oktober 2017).
Einer Mondlandschaft gleich: Wo die Feuer in Kalifornien (hier Santa Rosa), hinwegfegten, blieb nichts. © AP Photo/ Jeff Chiu/ dpa
Von Kerstin Zilm · 29.11.2018
Feuer haben in Kalifornien Tausende Häuser zerstört und mehr als 90 Personen getötet. Zwischen Asche, verbogenem Stahl und Trümmern versuchen Menschen, ihr Leben wieder aufzubauen.
Eine zierliche Frau in schwarzem T-Shirt, die braunen Haare zu einem lockeren Dutt hochgesteckt, probiert Jacken an. Kleiderständer sind zwischen Regale voller Schuhe und Geschirr gezwängt. Pappkartons mit Handtüchern und Bettwäsche stehen neben Kisten mit Toastern und Hygieneartikeln.
Gestern war Mias Geburtstag. Vor zwei Wochen ist ihr Haus abgebrannt.
"Mit sieben bin ich da eingezogen, 1973. Wer hätte gedacht, dass ich in meinem 53. Lebensjahr das Haus meines Lebens verliere. Mein Haus, das ich innig liebte, wo ich mich jede Nacht zum Schlafen hingelegt habe. Alles, Gutes und Schlechtes, ist in diesem Haus passiert."
Sie hat die Evakuierungsanordnungen ignoriert. Sie hat eine Nacht lang ausgeharrt, ohne Handyempfang und Strom, im Bergdorf zwischen Malibu und Los Angeles. Sie hat den Flammenschein im Osten und die Aschewolken aus dem Westen beobachtet.
Vor einer Notunterkunft in Chico, Kalifornien, USA, suchen sich von den Waldbränden Betroffene Kleiderspenden aus.
Vor einer Notunterkunft in Chico, Kalifornien, werden Kleiderspenden ausgegeben.© Barbara Munker / dpa
Dann flogen Funken über ihr. Mia hat geschnappt, was in dem Moment am wichtigsten schien: ihre zwei Hunde, ein paar T-Shirts, den Sioux-Federschmuck von der Wand, die Originalausgabe von Briefen über den Seneca-Stamm ihrer Großeltern und deren goldgerahmte Brillen aus dem Nachttisch.
"Ich habe eine Adlerfeder draußen vor dem Haus gelassen. Dann hab ich meine Hand ans Haus gelegt und zu seinem Geist gesagt, dass er es ohne mich retten muss."
Es hat nicht funktioniert. Seit über zwei Wochen schläft Mia bei Freunden auf der Couch. Zum vierten Mal sucht sie hier im Hilfszentrum nach Kleidung, die ihr passt. Sie hat abgenommen und weiß ihre Größe nicht mehr.

"Gerührt von der Liebe und Unterstützung"

Auch Jenn Kurtz' Hügel brannte. Aber sie ist mit Mann und Kindern rechtzeitig geflüchtet, erstmal in ein Hotel. Von dort aus organisierte sie bereits das Hilfszentrum in einem leerstehenden Laden am Fuße der Berge, keine 24 Stunden nach ihrer Evakuierung trafen bereits die ersten Spenden ein.
Jenn selbst hatte Glück. Ihr Haus ist nicht abgebrannt, sie konnte mit ihrer Familie wieder zurück. Ihre Stimme ist rau von der Asche, die immer noch in der Luft hängt. Sie ist überwältigt davon, wie viele Menschen helfen wollen.
"Manchmal sind Leute wieder gegangen, weil wir mehr als 30 freiwillige Helfer hier hatten. Wir geben nicht nur Sachen aus, sondern auch jede Menge Umarmungen. Viele sagen: Obwohl wir so viel verloren haben, sind wir gerührt von der Liebe und Unterstützung, die wir bekommen."

Massage-Gutschein und Kleiderspenden

Eine Frau kommt in den Laden, Mitte fünfzig, einen Stapel Broschüren in der Hand. Es sind Gutscheine für den Massagesalon um die Ecke. Heather hat sich dort gerade verwöhnen lassen. Auch sie hat ihr Haus im Feuer verloren. 16 Jahre hat sie dort mit Mann und zwei Söhnen gewohnt.

Die Erinnerungsstücke ihrer Großeltern, die im Konzentrationslager starben: verbrannt. Der angeblich feuerfeste Safe: verbrannt. Die sechs Kisten Wein, die sie gerade fürs 25-jährige Hochzeitsjubiläum gekauft hatten: verbrannt. Sie sucht nach Geschirr für den Übergang.
"Ich habe in den letzten zwei Wochen in über fünf Betten geschlafen. Manchmal im Hotel, manchmal bei Freunden. Es ist sehr rührend, wie sehr die Nachbarn zusammenhalten. Ich habe sowas noch nie erlebt. Es ist toll."
Brände am Pacific Coast Highway (Highway 1) in Malibu, Kalifornien, 9. November, 2018.
Eine Wand aus Feuer: Brände am Pacific Coast Highway in Malibu.© AFP / Robyn Beck

Das Einzige, was übrig blieb: einige Tontöpfe

Mai zeigt inzwischen auf dem Smartphone ein Video von ihrem abgebrannten Haus. Ein Nachbar hat es mit einer Drohne aufgenommen. Schlafzimmer, Nachttisch, Fernseher, Couch, Heizung, Baum, Wohnzimmer – alles grau und schwarz, Schutt und Asche bis auf den Kamin. Sie war inzwischen dort.
"Ich hab mit Freunden zwei Stunden lang alles durchsucht. Es fühlte sich an wie fünf Stunden und als hätte uns jemand mit dem Bulldozer überrollt. Total anstrengend, besonders emotional. Das Einzige, was noch da ist, sind Tontöpfe, die ich im College gemacht habe und welche aus den 60er-Jahren von meiner Mutter."
Sie hat ein Waffeleisen, eine Kaffeemaschine und einen Bilderrahmen unter dem Arm. Ein Freund hat versprochen, bald einen Wohnwagen auf ihr Grundstück zu stellen. Sie will die Gastfreundschaft ihrer Freunde nicht überstrapazieren, aber ein Hotelzimmer kann sie sich nicht leisten und Vermieter haben die Wohnungspreise direkt nach dem Feuer erhöht, manche mehr als verdoppelt. Sie versucht, nach vorne zu schauen. Eins nach dem anderen.
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