Nach den Attentaten vom 13. November

Der NATO-Bündnisfall geistert durch Berlin

Bundespräsident Joachim Gauck im Plenum des Bundestages in Berlin während der zentralen Gedenkveranstaltung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge; Aufnahme vom 15.11. 2015
Bundespräsident Joachim Gauck im Plenum des Bundestages in Berlin während der zentralen Gedenkveranstaltung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge; Aufnahme vom 15.11. 2015 © picture alliance / dpa
Von Theo Geers · 15.11.2015
Bei der Gedenkstunde zum Volkstrauertag sprach Bundespräsident Joachim Gauck von "Krieg" - ein "Krieg", der in Paris Todesopfer gefordert habe. Ein CSU-Mann spekuliert bereits über den Bündnisfall. Doch die Verteidigungsministerin mahnt zur Besonnenheit.
Der Volkstrauertag ist in diesen Jahr ein Tag der aktuellen Trauer – dass stellte der Bundespräsident an den Anfang seiner Gedenkrede, und Joachim Gauck versicherte:
"Wir beugen unser Haupt vor den Toten, niemals aber beugen wir uns dem Terror."
Doch dann war es ein anderer Satz von Joachim Gauck, der aufhorchen ließ.
"Wir leben in Zeiten, in denen wir Opfer einer neuen Art von Krieg beklagen."
Das Wort "Krieg", benutzt vom Bundespräsidenten, nachdem gestern Francois Hollande dasselbe Wort benutzte und die Kanzlerin Frankreich jedwede Unterstützung im Kampf gegen die Terroristen versprochen hatte – es fügt sich ein in eine langsam aufkommende Debatte darüber, wie Frankreich auf die Anschläge reagieren wird und ob ihm dabei die Bündnispartner in der NATO, also auch Deutschland, beistehen müssen oder werden.
"In der Tat ist es so, dass Paris einen Anschlag von Außen darstellt, dass heißt: Hier ist ein Bündnispartner betroffen."
Von der Leyen mahnt zu Ruhe und Besonnenheit
Sagt am Vormittag der CSU-Bundestagsabgeordnete und Verteidigungsexperte Florian Hahn, und deutet den möglichen NATO-Bündnisfall an. Danach wird ein Angriff auf einen NATO-Staat als Angriff auf alle Verbündeten gewertet. Allerdings steht es jedem NATO-Partner frei, wie er seiner Beistandspflicht dann nachkommt. Am Nachmittag dann tritt eine jedes Wort wägende Verteidigungsministerin vor die Mikrofone:
"Die Tatsache, dass die französische Regierung von Krieg spricht und der Bundespräsident auch diesen Begriff benutzt hat, spricht zunächst einmal dafür, dass es zeigt, wie tief die Franzosengetroffen sind, aber nicht nur die Franzosen, sondern wir alle."
Sagt Ursula von der Leyen und macht deutlich:
"Auf zweitem Blatt steht aber dann die formelle Frage, nämlich wie die Franzosen sich weiter verhalten werden. Und je nachdem welche Beratungen sie dann einfordern werden. Zum Beispiel auch in der NATO müssen wir mit großer Ruhe und Besonnenheit dann diese Thematik besprechen."
Auch über eine Beteiligung der Bundeswehr an den Luftschlägen gegen die Terrormiliz IS in Syrien und im Nordirak will sie nicht spekulieren:
"Es ist im Augenblick so, dass es an Flugzeugen nicht mangelt, was die Luftschläge angeht. Alle weiteren Schritte - da werde ich keiner Spekulation nachkommen."
De Maizière: Ob es Verbindungen zu den Flüchtlingen gibt, ist noch nicht bekannt
Die Anschläge von Paris befeuern aber auch die Debatte darüber, wer an Flüchtlingen derzeit nach Deutschland kommt. Markus Söder, CSU, fordert in der Welt am Sonntag von der Kanzlerin eine Umkehr in der Flüchtlingspolitik. Zitat: "Die Zeit unkontrollierter Zuwanderung und illegaler Einwanderung kann so nicht weiter gehen. Paris ändert alles."
Paris ändert nichts – hält der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner dagegen. Und Stegner ist nicht allein. Denn vor dieser Verquickung von Terror in Paris und der Flüchtlingskrise hierzulande warnte schon gestern der Bundesinnenminister, heute tat es die Verteidigungsministerin.
"Ganz ohne Zweifel ist es so, dass wir an unseren Grenzen Ordnung schaffen müssen, dass wir kontrollieren müssen, wer reinkommt. Aber nochmal: Ich glaube, das sollte man strikt trennen von dem, was unter terroristischer Bedrohung formuliert wird."
Denn genau das, so hatte schon gestern der Bundesinnenminister gewarnt, führe nur zu neuem Streit in der Koalition. Die aber braucht jetzt Einigkeit und Thomas de Maiziére belegte dies auch mit einer vorläufigen Bilanz:
"Bezüge zum Thema Flüchtlinge kennen wir noch nicht. Gleichwohl muss man achtsam sein, dass sich unter die Flüchtlinge nicht Terroristen schleichen. Wir hatten Hinweise darauf, wir sind jedem Hinweis nachgegangen. Bisher hat sich keiner dieser Hinweise verstärkt."