Nach dem "Year of Return"

Verändert sich die Musikszene Ghanas?

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Ein Konzert im Kristall, einer Bar und Konzertort im Osu Distrikt in Ghana.
Accra, die Hauptstadt von Ghana, hat ein reiches Musikerbe: Seit den 1940er-Jahren pulsiert der Highlife. © laif/ Agence VU/ Michaël Zumstein
Von Nele Posthausen · 09.01.2020
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Im Jahr 2019 hatte Ghanas Regierung das "Year of Return" ausgerufen, um mehr Menschen aus der Diaspora in das westafrikanische Land zu locken. Dabei spielte auch Musik eine große Rolle. Aber was bleibt nach dem Ende der Kampagne?
Die Regierung unter Präsident Nana Akufo-Addo hat sich Anfang 2019 an die gesamte "Global African Family" gewandt und erklärt, diese mit offenen Armen in Ghana zu empfangen. Anlass war, dass vor 400 Jahren der Sklavenhandel an der sogenannten "Goldküste" von Ghana begonnen hatte.
Akufo-Addo möchte die internationale Vernetzung fördern, eine erfolgreiche Kampagne wäre aber auch eine gute Werbung für die anstehenden Wahlen Ende des Jahres. Es war das "Year of Return", das Jahr der Rückkehr.
Am Ende des Jahres 2019 sind einige aber nur noch genervt von der Aktion – rappt zum Beispiel der Musiker Wanlov The Kubolor: "Year of Return be so annoying, 2020 be on the return, mahama want another turn".
"Nervig", man könnte auch sagen omnipräsent, war die Kampagne in Ghana. Ein Flyer bewirbt allein für den Monat Dezember mehr als 40 Events zum Thema, darunter viele Kulturveranstaltungen. Die meisten davon in der Hauptstadt Accra.

"Year of Return" ein Erfolg?

Die Bilanz der Rückkehr: 200 Personen, die aus der Diaspora, hauptsächlich Amerika, innerhalb des letzten Jahres ghanaische Staatsbürger geworden sind. Laut der Ministerin für Tourismus, Kunst und Kultur ein Erfolg.
Sie hat erklärt, dass die Kampagne umgerechnet mehr als anderthalb Milliarden Euro ins Land gebracht habe. Denn die zunehmende Aufmerksamkeit aus der Diaspora habe auch für mehr Touristinnen und Touristen im Land gesorgt.
Für viele war aber nicht das "Year of Return" der Anlass für den Neuanfang. Die Musikerin T’Neeya ist zum Beispiel schon vor zwei Jahren aus Deutschland nach Ghana gegangen.
Sie bezeichnet sich selbst als Deutsch-Kamerunerin, inzwischen sei sie Teil der florierenden Kulturszene Accras. Es sei hier viel einfacher für sie, mit großen Namen der Szene zusammenzuarbeiten, als an Kontakte in Deutschland zu kommen, sagt sie.
Nur ganz am Anfang sei sie von lokalen Musikerinnen und Musikern kritisch betrachtet worden: "Sie kommt nicht von hier, sie kommt nicht aus Ghana, was macht sie? Das waren so die Fragen am Anfang, aber weil sie gehört haben, was für Musik ich mache und dass ich auch gute Musik mache, sind sie alle so: Du bist unsere Schwester. Und das bringe ich wirklich auch in mein Herz. Denn das ist alles, was ich immer wollte: Menschen mit Musik zusammenzubringen."
Schwieriger empfindet Betina Quest den Start, in die ghanaische Musikszene. Quests Familie stammt aus Burundi, sie selbst war lange in Berlin. Unterstützung und ein Netzwerk finden in Accra nicht alle so schnell, erzählt sie. Schuld seien die Lebensumstände.

Finanzielle Lage der Musiker schafft Probleme

"Musiker hier verdienen nicht viel Geld. Das heißt, alles, was man tut, oder vieles, was man tut, ist irgendwie immer gekoppelt an: Ah, dafür habe ich das Geld nicht oder dafür habe ich die Zeit nicht, weil ich die immer investieren muss, um Geld zu verdienen. Das heißt, so natürlich zusammen zu kommen oder zu jammen, die Zeit hat man nicht so richtig. Und das ist so ein bisschen das Problem und deswegen ist auch die Konkurrenz so scharf. Also diese Idee von: Wir tauschen uns aus oder wir arbeiten zusammen. Nein, das ist eher so: Das ist mein Wissen! Oder mein Kontakt!"
Auch Rapper Wanlov The Kubolor sieht die finanzielle Lage der Musiker und Musikerinnen als Problem: "Sie unterstützen dich hier nicht als Musiker, du bekommst das gleiche Geld für eine Show vom Band wie wenn du eine Band mitbringst. Deswegen spielen viele einfach Playback."
Viele in Ghana fragen sich darüber hinaus, weshalb die Kampagne, das "Year of Return", auf nur ein Jahr beschränkt ist. So stellt der Musikhistoriker John Collins von der University of Ghana fest, dass die Rückkehr aus der Diaspora auf den afrikanischen Kontinent gerade für Musiker und Musikerinnen schon lange ein zentrales Thema sei:

Afro-amerikanische Minnesänger

"Die Idee, dass der afrikanische Sklavenhandel ein One-Way-Ticket war und die Europäer Afrika erobern konnten, indem sie die Verbindung der Sklaven in ihre Heimat abschnitten, ist ein entscheidender Punkt in der Geschichte", sagt John Collins. "Aber die Afro-Amerikaner haben ihren Weg zurück nach Afrika gefunden. Vielleicht nicht in Massen, aber immer durch Musik. Es gab sogar afro-amerikanische Minnesänger, die schon in den 1880er-Jahren durch Südafrika getourt sind. Diese Verbindung war immer da."
Musikhistoriker John Collins bewertet die "Year Of Return"-Kampagne trotzdem positiv. Denn es sei wichtig, Amerikanern und Europäern mit Familiengeschichte in Afrika zu zeigen, dass sie keine Fremden in Ghana seien. Und das ist auch ein Wunsch, den die sogenannten "Returnees" immer wieder äußern: einfach als Teil von Ghana wahrgenommen zu werden.
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