Nach dem Terroranschlag in London

Es gibt kein Patentrezept gegen Terror

Schwer bewaffnete Polizisten patrouillieren nach dem Anschlag in London im Bereich um die London Bridge und den Borough Market.
Ein schwer bewaffneter Polizist patrouilliert nach dem Anschlag. © dpa-Bildfunk / Dominic Lipinski
Von Burkhard Birke · 04.06.2017
Es ist richtig, dem islamistischen Terror auch im Innern entschlossen entgegen zu treten, sagt Kommentator Burkhard Birke. Doch mit Kriegsrhetorik ist es nicht getan: Es gilt, die Muslime aktiv einzubinden, um den Hasspredigern den Nährboden zu entziehen. Und dafür braucht es einen kühlen Kopf.
Aller schlechten Dinge sind drei: Genug ist genug – sagt die alte und wahrscheinlich neue Premierministerin Theresa May nach drei Terrorattacken binnen weniger Wochen zu Recht und wirkt dabei doch erstaunlich ohnmächtig. Theresa May will eine robustere Antiterrorstrategie, will die Freiräume für die pervertierende Ideologie des sogenannten Islamischen Staates vor allem im Internet beschneiden und schärfere Gesetze. Auch Theresa May weiß freilich: Es gibt kein Patentrezept gegen Terror, vor allem nicht gegen diese perfide, menschenverachtende Art der Kamikazebomber oder zu Waffen umfunktionierten Fahrzeuge.
Auch ihre Gegner wissen das: Und dennoch werden sie morgen, wenn die aus Respekt vor den Opfern des Anschlags eingelegte Wahlkampfpause vorbei ist, die Fragen stellen, die sie schon nach dem Attentat von Manchester an die frühere Innenministerin richteten.

Der Umgang mit dem Islamismus ist zu lax

War es ein Fehler die Polizeikräfte – auch die der bewaffneten Einheiten in England und Wales seit 2010 um nahezu 20.000 zu reduzieren und das Budget herunterzufahren? Wären nicht Nachbarschaftspolizisten am besten geeignet, den Kontakt zu den Moslemgemeinden zu halten? Weshalb hat man die auf 350 geschätzten Syrienrückkehrer nicht stärker ins Visier genommen? Lediglich ein einziges Einreiseverbot wurde verhängt. Das Problem scheinen also weniger die fehlenden Instrumente und Gesetze als eine gewisse Laxheit im Umgang mit dem Phänomen des wachsenden Islamismus im Land.
Natürlich ist es richtig, dass die britische Regierung in den letzten Jahren die Mittel für den Antiterrorkampf wieder aufgestockt hat und weitere zur Verfügung stellen will. Der Schwerpunkt soll aufs Internet, Cyberaktivität gelegt werden. Richtig ist auch, dass man nicht sämtliche 23.000 potentiellen Dschihadisten, noch nicht einmal die 3000 gefährlichsten unter ihnen, in Polizeigewahrsam stecken oder ständig beobachten kann. Für die Rundum-Überwachung einer Person bräuchte man mehrere Dutzende Beamte.

Die Terroristen sind in unseren Gesellschaften aufgewachsen

Auch die Geheimdienste leisten wertvolle Arbeit, stoßen aber an ihre Grenzen. So sehr man den Terror auch mit traditionellen Mitteln der Polizeiarbeit bekämpft, scheinen ihm wie bei einer Hydra immer neue Köpfe zu wachsen. Die Gründe dafür sind hausgemacht, denn der Feind sitzt mitten unter uns. Alle westlichen Länder kennen ähnliche Probleme und sollten noch stärker zusammenarbeiten. Die Attentäter von Paris, Brüssel und jetzt in Großbritannien sind in unseren Gesellschaften aufgewachsen. Importiert werden längst nicht mehr die Terroristen. Die schädliche Saat einer pervertierten Ideologie im Namen des Islam fällt hierzulande auf fruchtbaren Boden. Scharenweise werden potentielle Dschihadisten unter den Ausgegrenzten, den Nichtintegrierten dieser Gesellschaft gezüchtet: Der Dünger ist eben jene von Hasspredigern und übers Internet verbreitete Ideologie.
Die in Großbritannien und Frankreich überproportional von Muslimen bevölkerten Gefängnisse werden zu Brutstätten für Radikale. Die Ideologie des sogenannten Islamischen Staates verachtet unsere Werte, Freiheit und Lebensform, predigt Intoleranz und wünscht den Ungläubigen den Tod herbei. Diese Ideologie bindet die unabhängigen Glieder einer Terrorkette zusammen. Sie gibt diesen Menschen den Halt, den sie in unserer Gesellschaft nicht finden.

Man muss die Muslime aktiv einbinden

Theresa May, aber auch andere führende Politiker haben Recht, wenn sie diese Ideologie bekämpfen und somit dem Terrorismus den Nährboden entziehen wollen. Das freilich ist eine langfristige gesellschaftliche und eine Herkulesaufgabe. Gelingen kann sie nur, wenn man die Muslime aktiv einbindet, statt sie zu verprellen. Entradikalisierungsprogramme wie Prevent müssen angepasst werden, damit sie nicht mehr bei den Muslimen auf Skepsis und Ablehnung stoßen, da sie sich stigmatisiert fühlen. Es gilt die Radikalen, die Gewaltbereiten zu isolieren. Deshalb muss die Finanzierung von Moscheen und Predigern im Land stärker kontrolliert und die durch radikale Islamideologen etwa aus Saudi Arabien, dem Hort des Wahhabismus, gestoppt werden. All das ist ein langfristig angelegter Prozess.
Und kurzfristig? Muss vor allem die Gesellschaft für ihre Werte wachsam zusammenstehen.

Jetzt ist ein kühler Kopf gefragt

Es ist schon bemerkenswert, dass die britische Regierung anders als die französische nach den Terroranschlägen in Paris nicht vom Krieg gegen den Terror spricht. Natürlich wird Großbritannien nach wie vor seine Rolle beim Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat in Syrien und im Irak spielen. Aber es ist kein Krieg, sondern ein Mehrfrontenkampf, mit Schwerpunkt an der Heimatfront.
Um den zu gewinnen braucht man weder einen zum Dauerzustand gewordenen Ausnahmezustand wie in Frankreich noch Tausende mit Maschinengewehren bewaffnete Soldaten auf der Straße: Mögen die Briten weiter kühlen Kopf bewahren und dem Terror stoisch trotzen.
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