Nach dem Busunfall kam das Glück

Von Elmar Krämer · 08.04.2013
Als Benny Beimer wurde er bekannt. Christian Kahrmann war der große Sohn der Vorzeige- und Problemfamilie in der ARD-Serie "Lindenstraße". Das ist lange her: Heute kocht Kahrmann Kaffee in Prenzlauer Berg.
8. Dezember 1985, 18.40 Uhr ARD. Zum ersten Mal wird die Die Mutter aller deutschen Fernsehseifenopern ausgestrahlt, die Lindenstraße.

Es ist Hausmusikabend bei Familie Beimer, Vater Hansemann an der Gitarre, seine "Taube" Helga an der Blockflöte, ebenso Tochter Marion - ganz harmonisch! Wäre da nicht Benny Beimer am Cello, der kleine Rebell

Filmtake / erste Lindenstraßenfolge: "Was flüsterst du denn da Bösartiges mit Marion Benny? Ich hab ihr gesagt, dass ihr das Geld für meine Cellostunden besser sparen solltet. Kauft mir lieber eine neue Stereoanlage, dann gäbe es wenigstens einen anständigen Sound und keinen solchen Trallala-Verschnitt."

Christian Kahrmann kommt mit 13 Jahren eher zufällig zu der Rolle in der Lindestraße. Zwar hat der Kölner schon mit acht Jahren angefangen, Nebenrollen im WDR-Kinderprogramm zu spielen, aber das war sowohl für ihn als auch für seine Eltern eher ein Hobby. Sein Vater ist Arzt, seine Mutter Medizisch-Technische Assistentin und Hausfrau. Das Filmgeschäft ist ihnen fremd – aber sie unterstützen ihren Sohn.

"1985 waren überall in den Zeitungen in Köln Annoncen, dass sie für die Lindenstraße jugendliche Darsteller suchen, und dann habe ich mich da gemeldet."

Das Feedback ist nicht sonderlich gut – für die Rolle sei er zu jung und auch vom Typ würde er nicht passen. Dann halt nicht denkt, sich Familie Kahrmann – und fährt in die Sommerferien.

"Als wir wiederkamen, riefen die dann nochmal an und haben gesagt, sie hätten es sich noch mal überlegt und würden mich gerne noch mal einladen. Und dann haben sie es im Endeffekt so ein bisschen gegen das Klischee des pickligen 15-Jährigen besetzt. Also ich war 13, sah aber aus wie elf und hatte ein Piepsstimmchen – kann man auch in den ersten Folgen noch sehen: Haha."

Filmtake: "Dann gäbe es wenigstens einen anständigen Sound."

Damals ahnte noch niemand, dass die Lindenstraße der große Serienerfolg im deutschen Fernsehen werden würde. Solange es mit der Schule zu koordinieren ist, haben Kahrmanns Eltern kein Problem damit, dass ihr Sohn regelmäßig nach dem Unterricht von einem Chauffeur zum Dreh abgeholt wird. 2

Christian Kahrmann wird mit der Serie älter. Mit 21 hat er dann genug von der Lindenstraße.

Filmtake: "Aber das lässt sich ändern und zwar für immer."

Bei einem Busunglück stirbt Benny Beimer in der Lindenstraße. Christian Kahrmann hat sein Abi in der Tasche und beginnt ein Studium der Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften.

"Das war mir viel zu trocken, und ich war natürlich versaut durch die Praxis der Dreherei, und dann noch mal im Studium darüber zu quatschen, fand ich echt langweilig. Und dann hab' ich mich entschieden, als Schauspieler weiterzumachen, aber dann hab' ich gesagt, ich fang noch mal von der Pieke an, ich hab zwar viel Erfahrung und Routine, aber ich habe kein richtiges Handwerk gelernt."

Um das zu ändern, geht er für drei Jahre an eine Schauspielschule in New York – hier kennt den deutschen Serienstar keiner. Kahrmann spielt Theater, gründet eine deutsche Theatergruppe – aber alles auf Zeit.

"Es war auch klar, ich gehe da jetzt für ein paar Jahre hin und dann gehe ich nach Deutschland zurück."

Für eineinhalb Jahre lebt Christian Kahrmann wieder in Köln – doch die Stadt ist ihm mittlerweile zu provinziell. Wieder ist es der Zufall, der entscheidet: Ein Freund bietet ihm eine Wohnung in Berlin an – Kahrmann überlegt nicht lange.

"Hab' einen Transporter gepackt, hab' meine sieben Sachen da rein und bin dann in den Prenzlauer Berg und bin dann da eingezogen, und das war super – die Wohnung war perfekt."
Kahrmann dreht Spielfilme und Fernsehserien und lernt seine Frau kennen. Mit ihr reist der passionierte Kaffeetrinker viel, auch nach Italien.

"Ich fand das immer toll, die Baristi in diesen weißen Anzügen und diese fetten Maschinen. Da gibt es tolle Läden, die auch ganz toll aufgemacht sind, und dann auch ganz kleine Läden, und dann machen die da wunderbarsten Kaffee. Und dann hab' ich zum meiner Frau gesagt: Weißte, es wäre echt mal mein Traum, so ein kleiner Laden, also eine Espressobar – das wäre schon toll. Und dann sagt meine Frau so über die Jahre: Was ist denn los, du wolltest das doch immer machen."

Der Gedanke lässt Kahrmann nicht mehr los – mittlerweile ist er Familienvater, und hat zwei Töchter. Ein zweites berufliches Standbein ist also keine schlechte Idee. Warum also nicht auch seine Kaffee-Leidenschaft zum Beruf machen?
Karmann probiert es aus und macht ein Barista-Praktikum in einem Café in Berlin.

"Dann hab ich so ein Jahr lang in diesem Team mitgearbeitet, wenn ich nicht gedreht habe und so."

Im September 2011 hängt in seinem Bezirk Prenzlauer Berg ein Schild in einem Laden in der Bötzowstraße Zu vermieten – eigentlich die perfekte Lage für ein eigenes Café.

"Ich fand den Laden toll, ich bin aber zu Dreharbeiten gefahren und dann hab' ich gedacht: Muss ich doch ziehen lassen muss doch jemand anders machen, weil ich bin jetzt sechs Wochen weg und das funktioniert nicht. Und dann war ich Ende November wieder hier und da hing das Schild immer noch Zu vermieten. Und dann dacht' ich, das probierst du jetzt mal.

Wir stehen jetzt hier im Kahrmanns Own hinter unserer tollen Espresso-Maschine und Spaß macht einfach, wenn Du den Leuten etwas hinstellst und die sagen: Ey, das war toll."

Von der Lindenstraße in Köln in die Bötzowstraße in Berlin: Christian Kahrmann scheint zufrieden mit seinem Leben. Die Schauspielerei ist immer noch sein eigentliches Standbein, aber er freut sich, dass es neben Kamera und Klappe jetzt auch noch Kaffee und Kuchen in seinem Berufsleben gibt.