Nach dem Anschlag in Tunesien

"Wir gucken jetzt alle in dieselbe Richtung"

Sicherheitskräfte und andere Menschen laufen aus dem Nationalmuseum in Tunis.
Sicherheitskräfte und andere Menschen bringen sich in Tunis vor dem Nationalmuseum in Sicherheit. Terroristen nahmen im Museum Geiseln. © picture alliance/dpa/Str
Soraya Fersi im Gespräch mit Marianne Allweiss und André Hatting · 19.03.2015
Bringt das Attentat in Tunis die junge, im Arabischen Frühling erkämpfte Demokratie in Gefahr? Soraya Fersi, Gründungsmitglied der Frauenrechtsorganisation "Egalité & Parité" glaubt an die demokratischen Kräfte und das "Wir"-Gefühl in Tunesien.
Wieder sind bei einem islamistischen Anschlag Menschen ums Leben gekommen, darunter auch Touristen. Ziel waren diesmal das Parlament in der tunesischen Hauptstadt Tunis und das benachbarte Nationalmuseum. Was heißt das für das Land und die fragile Demokratie nach dem Arabischen Frühling.
Soraya Fersi, Gründungsmitglied der Frauenrechtsorganisation "Egalité & Parité", lebt in Tunis und ist davon überzeugt, dass auch dieser Anschlag der Demokratie nichts anhaben werde: Jedes Mal, wenn in den zurückliegenden Jahren etwas Ähnliches passiert sei, habe das die Tunesier noch enger zusammen geschweißt. "Das heißt: Wir sind dann noch strenger Tunesier geworden - die politischen Unterschiede, die werden dann vergessen, und wir sind dann alle zusammen und gucken in dieselbe Richtung." Sie hoffe, dieser Anschlag werde jetzt endlich das geplante Anti-Terrorismus-Gesetz voran bringen, denn zu lange sei über Definitionen von Terrorismus diskutiert worden.
Tunesische Jugendliche haben keine Perspektive
Als wichtigste Ursache für den Zulauf, den der Islamische Staat von Jugendlichen aus Tunesien hat, sieht Fersi die Vernachlässigung des Bildungssektors.
"Das ist eine Bildungsproblematik bei uns. Das Bildungssystem hat versagt, total versagt. Und es gibt viele Jugendliche, die entweder arbeitslos sind, ohne ein Diplom zu haben. Oder aber sie haben ein Diplom, das ihnen überhaupt nichts nützt. Und das Bildungsniveau ist runtergegangen in den letzten Jahre."
Viele Jugendliche seien schlicht orientierungs- und perspektivlos, somit anfällig für die Botschaften, die IS im Internet verbreite. Im Übrigen sei dies aber kein speziell tunesisches Problem: "Das ist auch ein Mittelmeerproblem, und das müssen wir eigentlich gemeinsam lösen. Man kann nicht sagen, Tunesien muss das alleine lösen oder Deutschland oder Frankreich oder Italien. Das ist wirklich ein Problem, das man geopolitische lösen muss."
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