Nach Angriff auf Berliner Schülergruppe

Polen debattiert über Fremdenfeindlichkeit

Eine Schülerin mit Kopftuch
Muslimische Schüler aus Berlin bespuckt: Rechtliche Konsequenzen wird der Vorfall in Polen wohl keine haben. © dpa / Wolfram Kastl
Von Florian Kellermann · 27.06.2017
Beleidigt und bespuckt: Bei einem Ausflug nach Polen sind muslimische Schüler aus Berlin fremdenfeindlich angegriffen worden. Berichte darüber sorgen nun für eine lebhafte Debatte im Land. Die Opposition sieht die Verantwortung für die Angriffe bei der Regierung.
Die polnische Opposition macht die Regierung dafür verantwortlich, was die Berliner Schüler auf ihrer Reise erlebt haben. Borys Budka von der rechtsliberalen Partei "Bürgerplattform" hat auf Twitter Innenminister Mariusz Blaszczak attackiert: "Sind Sie jetzt stolz auf sich?", fragt er und fügt hinzu: "Was habt Ihr mit Eurer Xenophobie nur angerichtet?"
Auch der Soziologe Adam Ostolski, verbunden mit der linksorientierten Zeitschrift "Krytyka Polityczna", gibt den Machthabern mindestens eine Mitschuld:
"Wir haben es seit einiger Zeit mit einer Welle von Gewalt zu tun, die fremdenfeindlich oder rassistisch motiviert ist. Eine Ursache ist das Klima, das die Regierung schafft in Bezug auf die Flüchtlingsdebatte. Das ergießt sich auf Ausländer, auf alle Menschen, die anders aussehen als die Mehrheit."

Für Kaczynski steckt unterm Kopftuch die Cholera

Schon im Parlamentswahlkampf vor zwei Jahren machte der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, mit Parolen gegen Flüchtlinge auf sich aufmerksam. Zur deren möglicher Aufnahme in Polen sagte er:
"Dazu sollte sich der Gesundheitsminister äußern, denn in diesem Bereich entstehen Gefahren. Krankheiten treten auf, die wir lange nicht hatten in Europa, so die Cholera auf den griechischen Inseln. Parasiten, die im Organismus dieser Menschen unschädlich sind, die aber für die Menschen hier bedrohlich sein können."
Der polnische PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski vor dem Logo der Partei.
PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski © AFP / Janek Skarzynski
In den vergangenen Wochen nun beschworen PiS-Politiker fast täglich die Gefahr, die angeblich von Flüchtlingen für Europa ausgehe. Dabei setzten sie häufig Muslime mit Flüchtlingen und Flüchtlinge mit Terroristen gleich. So sagte Innenminister Mariusz Blaszczak:
"Unsere Vorgängerregierung war bereit, Tausende muslimischer Emigranten aufzunehmen. Sie wollte also zulassen, dass in Polen Zellen entstehen, um islamistische Terroristen zu rekrutieren."

Zahl fremdenfeindlicher Straftaten explodiert

Die Zahl der rassistisch oder fremdenfeindlich motivierten Straftaten in Polen ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Über 700 waren es 2016. Noch vor sechs Jahren hatte die Polizei weniger als hundert solcher Straftaten registriert. Fast täglich kommen nun entsprechende Meldungen, so auch heute: In Sopot wollte ein Mann eine Frau am Betreten einer Kirche hindern. Sie hatte ein Kind mit dunkler Hautfarbe im Arm.
Fast alle polnischen Medien berichteten über den Fall der Berliner Schülergruppe. Die meisten empört, andere abwiegelnd. Das regierungsnahe Internetportal "wpolityce.pl" titelte:
"Der Deutschlandfunk kurbelt die Hysterie um Islamophobie in Polen an."
Der Text suggeriert, es handele sich um so genannte "Fake news", eine erfundene Nachricht. Die Medien werfen auch die Frage auf, warum die Polizei den Schülern nicht half.
"Leider haben wir auch völlig unzureichende Methoden, rassistische Verbrechen zu verfolgen. Die EU-Kommission hat Polen darauf bereits hingewiesen. Das ist das Versäumnis verschiedener aufeinander folgender Regierungen", sagt Adam Ostolski.

Angriffe haben wohl keine Folgen

Die Schüler hatten berichtet, Polizisten hätten nur gegrinst, als sie von einem Mann auf offener Straße angespuckt wurden. Der Polizeisprecher Andrzej Fijalek sieht den Vorfall anders:
"Die Polizisten haben gegrüßt und gelächelt. Wir gehen davon aus, dass die Schüler das falsch interpretiert haben. Sie haben das Lächeln für Spott gehalten."

Die Schülergruppe habe den Vorfall zudem nicht gemeldet, so der Polizeisprecher. Politische oder rechtliche Konsequenzen werden die traurigen Erlebnisse der Schüler in Polen also wohl keine haben.
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