Mythos und Realität einer außergewöhnlichen Frau
Im nächsten Jahr feiert Holland den 400. Geburtstag des Malers Rembrandt van Rijn. Über mehrere Jahrzehnte porträtierte er immer wieder auch seine Mutter Neeltje van Zuydtbroek. Jetzt befasst sich eine Ausstellung in Rembrandts Geburtsort Leiden mit dem Mythos und der Realität dieser außergewöhnlichen Frau.
Immer wieder Neeltje van Zuidtbrouck: ihr Sohn Rembrandt van Rijn hat seine Mutter Modell sitzen lassen, wann immer er eine Frau zu malen oder zu zeichnen hatte. Christiaan Vogelaar kommt als Kurator ins schwärmen, wenn er vergleicht, wie Rembrandt das Gesicht seiner Mutter dargestellt hat.
"Er hat viel mehr gemacht als andere Maler, ... immer wieder dasselbe Modell, aber ganz unterschiedlich: als alte Frau lesend, dann in einem Interieur, dann von ganz nahe, dass man die Züge richtig sehen kann. Und die Werke sind ganz unterschiedlich."
Die alte Frau mit den unendlich vielen Falten im Gesicht, eingefallenem Mund, Lesebrille auf die Nase geklemmt studiert ein dickes Buch. Im Hintergrund-Dunkel erkennt man die Pelzkappe, die sie trägt. Wie von einem Spot beleuchtet, strahlt ihr Gesicht und macht jede Wimper, jedes Haar in den Augenbrauen sichtbar.
Dabei ist bis heute unsicherer denn je, ob die so häufig abgebildete Frau wirklich seine Mutter war. Sicher ist: er muss eine enges emotionales Verhältnis zu ihr gehabt haben.
"Sie vor allem sein Modell, das sehr nützlich war. Gratis, was für Holländer auch damals eine Rolle gespielt hat. Sie war eine schöne Frau. .. sie war eine alte Frau, das kann man spüren."
Die Auftakt-Ausstellung zu Rembrandts 400. Geburtstag will am Beispiel seiner Mutter auch mit dem Mythos aufräumen, dass die abgebildeten Familienmitglieder stets als Porträts geplant waren. Sie waren vor allem Modelle für Auftragsarbeiten.
Am Beispiel von Neeltje van Zuydtbrouck beschäftigt sich ein Maler aber zum ersten Mal ganz offen mit dem körperlichen Altern eines Menschen.
"Alter in der Malerei ist nicht neu, aber bei Rembrandt wird es im Detail ... ausgedehnt – alle Falten. Es ist eine Ästhetik, die wir nicht mehr schön finden,"
beschreibt Christiaan Vogelaar, wie Rembrandt Gesicht und Hände seiner Mutter liebevoll und doch realistisch darstellt
"... sie ist nicht schön. Es ist gar nicht das Modell, was man sich zum Beispiel kennt von Caravaggio ... aus der italienischen Kunst. Was man seit Rembrandt normal findet, das war damals sehr neu."
"... in der Arbeit von Rembrandt spürt man nie eine Distanz. Er ist immer sehr nah."
Rembrandt verstand die Persönlichkeit seiner Modelle, allen voran die seiner Mutter, und hat sie in seinem künstlerischen Werk eher noch verstärkt.
Um das zu vergleichen und hervorzuheben sind zu den Abbildern von Rembrandts Mutter Gemälde seiner engsten Kollegen und Freunde Gerrit Dau und Jan Lievens gesellt. Völlig anders in der Bildanlage und im Strich haben diese beiden Zeitgenossen und zahlreiche andere Künstler sich ebenfalls Rembrandts Modellen zugewandt. Man glaubt die Personen wiederzuerkennen, spürt aber auch die emotionale Distanz.
Allen gemeinsam ist, dass sie sich an Rembrandt van Rijn orientiert und dennoch ihren eigenen Stil entwickelt haben.
"Wie das artistisch ganz unterschiedlich gemalt wurde, ist ein Kriterium gewesen. Wir haben versucht, Typen ... zu kombinieren, Stiche, Zeichnungen, Gemälde."
"Damals war es nicht so wichtig, dass es die Mutter ist. Diese Werke hat man verkaufen wollen. ... Für uns ist das wichtig. Man sieht nicht die Mutter. Sie ist mit wunderbaren Kleidern, mit kostbaren Stoffen kostümiert ... es ist reizvoll."
Etwa 160 Gemälde, Zeichnungen und Radierungen zeigt die Ausstellung in dem barocken ehemaligen Zunfthaus der Leidener Tuchmacher. Etwa die Hälfte sind von Rembrandt gemalt, die übrigen stammen von Zeitgenossen. Die Schau ist allein wegen der erstklassigen Exponate ein Genuss und führt mit einzigartigen Leihgaben aus aller Welt zusammen, war teilweise noch nie in dieser Kombination zu sehen.
Nicht nur die Mutter saß Modell für ihren Sohn. Gefragt war auch der Vater.
"In der Tradition gibt's mehrere Gemälde aus Paris, Berlin, Amsterdam, aus der Eremitage, die Rembrandts Vater genannt worden sind. Die Geschichte ist etwas kompliziert. Historische Gründe, dass es der Vater sein, sind nicht vorhanden. Es ist eine Rekonstruktion. ..."
In der Ausstellung ist eine Rembrandt-Zeichnung zu bewundern, die das Ashmolean Museum in Oxford beigesteuert hat. Erst vor knapp 100 Jahren wurde sie wiederentdeckt. Trotz einer schriftlichen Anmerkung scheint für Christiaan Vogelaar eine kunsthistorische Neubewertung notwendig:
"Rembrandt hat mit der Hand hinzugefügt, dies sei sein Vater. Das Modell ist ganz unterschiedlich, das heißt die traditionelle Identifikation ist seit 1907 ganz anders geworden."
Neben Rembrandts drei Frauen, die selbstverständlich ebenfalls für Auftragsarbeiten finanzkräftiger Kunstfreunde als Modelle verpflichtet wurden, gibt es in der Ausstellung auch eine kleine Abteilung mit Bildern
"Die sind der Schwester gewidmet und Bruder Adriaan. ... das sehr bekannte Bild aus Berlin, der Mann mit dem Goldhelm hat immer gegolten als Rembrandts Bruder Adriaan. Ob das richtig ist oder nicht, müssen wir mal abwarten."
Nicht nur diese unsichere Zuschreibung wird die wissenschaftlichen Debatte um Rembrandts Werk auch weiterhin bestimmen. Ergänzt wird die Ausstellung, die im Titel Rembrandts Mutter gewidmet ist, aber auch andere Modelle aus dem engen Umfeld seiner Familie befasst, mit wunderbaren Stilleben, Landschaften und religiösen Allegorien.
"Er hat viel mehr gemacht als andere Maler, ... immer wieder dasselbe Modell, aber ganz unterschiedlich: als alte Frau lesend, dann in einem Interieur, dann von ganz nahe, dass man die Züge richtig sehen kann. Und die Werke sind ganz unterschiedlich."
Die alte Frau mit den unendlich vielen Falten im Gesicht, eingefallenem Mund, Lesebrille auf die Nase geklemmt studiert ein dickes Buch. Im Hintergrund-Dunkel erkennt man die Pelzkappe, die sie trägt. Wie von einem Spot beleuchtet, strahlt ihr Gesicht und macht jede Wimper, jedes Haar in den Augenbrauen sichtbar.
Dabei ist bis heute unsicherer denn je, ob die so häufig abgebildete Frau wirklich seine Mutter war. Sicher ist: er muss eine enges emotionales Verhältnis zu ihr gehabt haben.
"Sie vor allem sein Modell, das sehr nützlich war. Gratis, was für Holländer auch damals eine Rolle gespielt hat. Sie war eine schöne Frau. .. sie war eine alte Frau, das kann man spüren."
Die Auftakt-Ausstellung zu Rembrandts 400. Geburtstag will am Beispiel seiner Mutter auch mit dem Mythos aufräumen, dass die abgebildeten Familienmitglieder stets als Porträts geplant waren. Sie waren vor allem Modelle für Auftragsarbeiten.
Am Beispiel von Neeltje van Zuydtbrouck beschäftigt sich ein Maler aber zum ersten Mal ganz offen mit dem körperlichen Altern eines Menschen.
"Alter in der Malerei ist nicht neu, aber bei Rembrandt wird es im Detail ... ausgedehnt – alle Falten. Es ist eine Ästhetik, die wir nicht mehr schön finden,"
beschreibt Christiaan Vogelaar, wie Rembrandt Gesicht und Hände seiner Mutter liebevoll und doch realistisch darstellt
"... sie ist nicht schön. Es ist gar nicht das Modell, was man sich zum Beispiel kennt von Caravaggio ... aus der italienischen Kunst. Was man seit Rembrandt normal findet, das war damals sehr neu."
"... in der Arbeit von Rembrandt spürt man nie eine Distanz. Er ist immer sehr nah."
Rembrandt verstand die Persönlichkeit seiner Modelle, allen voran die seiner Mutter, und hat sie in seinem künstlerischen Werk eher noch verstärkt.
Um das zu vergleichen und hervorzuheben sind zu den Abbildern von Rembrandts Mutter Gemälde seiner engsten Kollegen und Freunde Gerrit Dau und Jan Lievens gesellt. Völlig anders in der Bildanlage und im Strich haben diese beiden Zeitgenossen und zahlreiche andere Künstler sich ebenfalls Rembrandts Modellen zugewandt. Man glaubt die Personen wiederzuerkennen, spürt aber auch die emotionale Distanz.
Allen gemeinsam ist, dass sie sich an Rembrandt van Rijn orientiert und dennoch ihren eigenen Stil entwickelt haben.
"Wie das artistisch ganz unterschiedlich gemalt wurde, ist ein Kriterium gewesen. Wir haben versucht, Typen ... zu kombinieren, Stiche, Zeichnungen, Gemälde."
"Damals war es nicht so wichtig, dass es die Mutter ist. Diese Werke hat man verkaufen wollen. ... Für uns ist das wichtig. Man sieht nicht die Mutter. Sie ist mit wunderbaren Kleidern, mit kostbaren Stoffen kostümiert ... es ist reizvoll."
Etwa 160 Gemälde, Zeichnungen und Radierungen zeigt die Ausstellung in dem barocken ehemaligen Zunfthaus der Leidener Tuchmacher. Etwa die Hälfte sind von Rembrandt gemalt, die übrigen stammen von Zeitgenossen. Die Schau ist allein wegen der erstklassigen Exponate ein Genuss und führt mit einzigartigen Leihgaben aus aller Welt zusammen, war teilweise noch nie in dieser Kombination zu sehen.
Nicht nur die Mutter saß Modell für ihren Sohn. Gefragt war auch der Vater.
"In der Tradition gibt's mehrere Gemälde aus Paris, Berlin, Amsterdam, aus der Eremitage, die Rembrandts Vater genannt worden sind. Die Geschichte ist etwas kompliziert. Historische Gründe, dass es der Vater sein, sind nicht vorhanden. Es ist eine Rekonstruktion. ..."
In der Ausstellung ist eine Rembrandt-Zeichnung zu bewundern, die das Ashmolean Museum in Oxford beigesteuert hat. Erst vor knapp 100 Jahren wurde sie wiederentdeckt. Trotz einer schriftlichen Anmerkung scheint für Christiaan Vogelaar eine kunsthistorische Neubewertung notwendig:
"Rembrandt hat mit der Hand hinzugefügt, dies sei sein Vater. Das Modell ist ganz unterschiedlich, das heißt die traditionelle Identifikation ist seit 1907 ganz anders geworden."
Neben Rembrandts drei Frauen, die selbstverständlich ebenfalls für Auftragsarbeiten finanzkräftiger Kunstfreunde als Modelle verpflichtet wurden, gibt es in der Ausstellung auch eine kleine Abteilung mit Bildern
"Die sind der Schwester gewidmet und Bruder Adriaan. ... das sehr bekannte Bild aus Berlin, der Mann mit dem Goldhelm hat immer gegolten als Rembrandts Bruder Adriaan. Ob das richtig ist oder nicht, müssen wir mal abwarten."
Nicht nur diese unsichere Zuschreibung wird die wissenschaftlichen Debatte um Rembrandts Werk auch weiterhin bestimmen. Ergänzt wird die Ausstellung, die im Titel Rembrandts Mutter gewidmet ist, aber auch andere Modelle aus dem engen Umfeld seiner Familie befasst, mit wunderbaren Stilleben, Landschaften und religiösen Allegorien.