Mythos Porsche

Von Silke Lahmann-Lammert |
Jeder, der schon mal Autobahn gefahren ist, kennt das Phänomen: Ein winziger Fleck im Rückspiegel nähert sich rasend schnell, Sekunden später zieht ein röhrender Schatten auf der Überholspur vorbei. Und der gehört eindeutig einem Porsche, schließlich gibt es kein anderes Auto mit einer solchen Form. Und genau das schätzen, lieben und bewundern Porsche-Fahrer an ihrem Luxus-Flitzer.
"Schauen Sie sich dieses Auto an, das ist für mich die Ikone der Marke Porsche. Diese Linien, diese Kurven, diese Heckflossen ..."

Zärtlich streichelt Steven Leed die Kotflügel seines schneeweißen Porsches.

"... diese runden Formen. Das ist sehr weiblich. Einfach ein wunderschönes Auto. Ich finde, das Verhältnis, das wir zu einem Auto haben, ähnelt sehr unserem Verhältnis zu einer Frau."

Von einem Luxus-Flitzer dieser Kategorie kann André Schäfer nur träumen. Vielleicht hat der Filmemacher sich deshalb auf die Spuren seines Wunschobjekts gemacht: Eine Reise zu Porscheliebhabern auf der ganzen Welt. Immer auf der Suche nach dem Funken, der die Passion entfacht.

"Ein atemberaubender C-Zylinder ..."

Mit verzücktem Blick beugt sich Hollywood-Regisseur Frank Darabont über den Motor seines silbernen Sportwagens:

"Wenn ich mit dem Porsche fahre, bin ich außer mir. Es ist als ob du dir eine Rakete unter den Arsch schnallst und zündest. Es ist wie ein Arschtritt Gottes. Es ist unglaublich!"

Irgendetwas, ahnen wir, muss die Leidenschaft für dieses Auto mit Sex zu tun haben: Porschefahrer stammeln und stöhnen Liebeserklärungen, bei denen man sich fragt, ob solche Worte jemals den Frauen an ihrer Seite zuteil werden. Dabei ist die Passion für den Porsche ist nicht per se männlich:

Porschefahrerin: "Es ist einfach ein schönes Auto. Aber es ist mehr als das. Es ist mein schönes Auto."

Wir lernen Porsche-Rennfahrer, Porsche-Sammler und Porsche-Restauratoren kennen. Menschen, die vor Besitzerstolz bersten. Aber: Was steckt dahinter? Welche Ängste, persönlichen Mängel und Minderwertigkeitsgefühle kompensiert das PS-strotzende Statussymbol?

Antworten auf diese Fragen bleibt André Schäfer in seinem Film "One hundred Porsches and me" schuldig. Kein Wunder. Wer will schon kritische Distanz von einem Filmemacher erwarten, der jeden Interviewpartner fragt:

"Kann ich mal fahren? Nein. (lacht) Schade!"

"Lassen Se mich mal fahren? - Ja, könn’Se machen, wenn’Se das schaffen."

Der Porsche-Faszination willenlos ausgeliefert war vermutlich auch Regisseur Lee H. Katzin, als er 1970 "Le Mans" drehte. In dem Film, der heute zum Auftakt des Themenabends auf ARTE zu sehen war, braust Steve McQueen wieder und wieder in seinem Porsche 917 an der Kamera vorbei. Wer sich für solche Bilder nicht erwärmen kann, ist angesichts der dürftigen Liebesgeschichte, mit der Katzin die Renn-Szenen umrahmt, verurteilt, sich zu Tode zu langweilen....

Um so spannender wird es kurz nach Mitternacht. Dann beschließt arte den Themenabend mit einer Dokumentation über den Schöpfer des formschönen Wunderwerks: Ferdinand Porsche.

Hitler: "Danke möchte ich aber den Konstrukteuren und Technikern ..."

Als der Ingenieur 1933 Hitlers Ansprache zur Automobilausstellung hört, telegraphiert er unverzüglich nach Berlin:

Porche: "”Aus der Eröffnungsrede entnehmen wir beglückt denselben Willen der uns beseelt. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, bei unseren Bestrebungen Euer Exzellenz Beachtung und Förderung teilhaftig zu werden.""

Damit beginnt die Zusammenarbeit des Konstrukteurs mit dem Diktator. Porsche entwickelt nicht nur den Silberpfeil, mit dessen Rennerfolgen die Nazis sich schmücken, sondern auch den Volkswagen: Das Auto, mit dem Hitler die Motorisierung der Massen vorantreiben will. Bei Kriegsbeginn gerät dieser Plan allerdings aus dem Blickfeld. Im nagelneuen Volkswagenwerk fertigen die Arbeiter jetzt Kübelwagen, Flugzeuge und Panzer. Nach Konstruktionsplänen von Ferdinand Porsche. Ein überzeugter Nazi ist Hitlers Lieblingsingenieur aber nie gewesen, meint der ehemalige VW-Chef Carl Hahn:

"Er war zweifellos politisch nicht interessiert, sondern er war fanatisch für sein Produkt."

Und dafür ist ihm jedes Mittel recht. Mehrfach fordert Porsche bei SS-Chef Himmler KZ-Häftlinge für das Wolfsburger Werk an. Für seine Mitschuld am Elend der Zwangsarbeiter hat er sich nie entschuldigt. Seine Verantwortung tat er mit lapidaren Bemerkungen ab:

"Wer kann schon sagen, dass er nicht dabei gewesen ist."

Nach dem Krieg und zwei Jahren in französischer Haft entwickelt er gemeinsam mit seinem Sohn Ferry den 356er Sportwagen. Den Vorläufer jenes Autos, das bis heute vor allem Männer in Ekstase versetzt. Auch solche, die wissen, wie eng die Porsche-Geschichte mit den Nazis verwoben ist.

"Es ist trotzdem ein tolles Auto. Es ist schon ein wenig angsteinflößend, aber auch interessant, wie aus so etwas Schrecklichem wie dem Dritten Reich so etwas Wunderbares entstehen konnte ..."

... meint der amerikanische Komiker und Porsche-Fan Jerry Seinfeld ...

"... dieses Auto war ein großes Geschenk an die Menschheit. Vielleicht war der VW Käfer der einzige Beitrag des deutschen Krieges an die Welt. Und ich bin Jude."