Mythenumrankte Marken
Allein der Gedanke an diese Rarität lässt die Herzen der Sammler höher schlagen: die Blaue und Rote Mauritius. Die weltweit einzigartige Ausstellung in Berlin zeigt 18 der heute noch existierenden 27 Mauritius-Marken.
Sie sind selten geworden im Zeitalter von E-Mail, Twitter und SMS: jene Geschäfte, über deren Eingang "Briefmarken" oder "Philateliebedarf" steht. Ein Drittel seiner Mitglieder hat der Bund Deutscher Philatelisten innerhalb der letzten 20 Jahre verloren - rund 53.000 sind es heute noch, Nachwuchs wird dringend gesucht.
Die Ausstellung "Die Blaue Mauritius" im Berliner Museum für Kommunikation wird an der philatelistischen Misere nichts ändern, doch eine Ahnung von der Begeisterung, die Briefmarken auslösen können, vermittelt sie schon. Denn auch wen angesichts der 2 mal 2,4 Zentimeter großen Marken nicht gleich die rechte Andacht überkommt, braucht sich bloß umzuschauen: irgendjemanden findet man immer, der im Zustand sprachloser Verzückung vor einem der Schaukästen steht - darin eine Rote oder Blaue Mauritius, durch Spots angestrahlt in der ansonsten dunkel gehaltenen "Schatzkammer" des Museums.
Andreas Hahn vom Archiv für Philatelie in Bonn, der Projektleiter der Ausstellung: er gibt sich ruhig, fängt aber an, verräterisch unruhig auf seinem Stuhl hin- und herzurutschen, wenn er sagt:
"Gleichzeitig sind wir sehr glücklich, dass wir das teuerste philatelistische Objekt der Welt überhaupt, den sogenannten 'Bordeaux-Brief', der einzige Brief, auf dem sich eine Rote und eine Blaue Mauritius gemeinsam befinden, zeigen können."
Keine "Briefmarken" seien das, meint ein Besucher, offenkundig vom Fach, sondern "historische Preziosen aus der Geschichte des britischen Weltreichs". Lady Gomm, die Gattin des britischen Gouverneurs auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean, Lady Gomm - so lautet die Legende - soll den Druck der Marken 1847 in Auftrag gegeben haben, um ihrer Einladung zu einem Kostümball mehr Aufmerksamkeit zu schaffen - drei ihrer Einladungsbriefe werden gezeigt.
Der Graveur nahm sich eine britische Marke mit dem Profil der jungen Königin Victoria zum Vorbild, versah sie mit dem Aufdruck Mauritius, soll den weiteren Text aber - die nächste Legende - während der Arbeit vergessen haben. Auf dem Weg zu seinen Auftraggebern sei er an einem Schild "Post office" vorbeigekommen, setzte prompt diesen Text auf die Marke statt des damals üblichen "Post paid" ("Porto bezahlt") - und wegen dieser Besonderheit erhielten die je 500 roten und blauen Marken sehr bald schon Sammlerwert.
"Der Mythos dieser Marken ist natürlich enorm. Das liegt daran, das ist eine Marke, die ist nicht industriell hergestellt wie sonst Briefmarken auch, sondern es ist eine Marke, von der jede einzelne Marke von einer einzelnen Druckplatte einzeln hergestellt wurde. Es ist eigentlich vergleichbar mit einer Dürer-Graphik: jedes einzelne Stück sieht etwas anders aus, je nachdem, wie der Drucker das gemacht hat."
Außerhalb von Deutschland ist nur von den "Post office"-Marken die Rede, von der "Blauen Mauritius" spricht man nur bei uns. Warum die "Rote Mauritius" praktisch nie erwähnt wird, dafür hat Andreas Hahn eine Theorie:
"Dieser Hype um diese Marken liegt ungefähr ganz besonders um die Jahre 1900, 1910, 1920. Wenn man sich überlegt, was die Farbe Blau speziell in Deutschland bedeutete - es war die Farbe der Romantik, die Farbe von Sehnsucht und Ferne. Es war die Farbe... um 1900, Beginn der deutschen Jugendbewegung, die ja auch sehr romantisch verhaftet war, die auf der Suche nach der Blauen Blume war. Es war ungefähr die Zeit, in der die Moderne Kunst mit dem 'Blauen Reiter' einen wichtigen Schritt vorwärts machte. Und ich denke, dass speziell diese Kombination von Blau, die in Deutschland immer eine sehr spezielle Rolle gespielt hat, was ja auch eigentlich eine royale Farbe ist, dass das eine ganz besondere Rolle spielt. Das ist natürlich schwer zu beweisen, zu belegen, aber so lautet zumindest meine Theorie."
18 Briefmarken mit einem Versicherungswert von 50 Millionen Euro. Detailreich kommentiert; mit einer Begleitausstellung versehen, die den "Hype" um diese Marken anschaulich macht: all die Geschichten, Legenden, Rätsel, die vielen Fälschungen, die spektakulären Versteigerungen, ihr Nachleben in Filmen, Büchern, Comics und in der Werbung. Die Blaue Mauritius: eine Art Nofretete der Philatelie - faszinierend zu erleben, wie die Besucher die Stimme senken, wenn sie nähertreten, um sie anzusehen.
Die Ausstellung "Die Blaue Mauritius" im Berliner Museum für Kommunikation wird an der philatelistischen Misere nichts ändern, doch eine Ahnung von der Begeisterung, die Briefmarken auslösen können, vermittelt sie schon. Denn auch wen angesichts der 2 mal 2,4 Zentimeter großen Marken nicht gleich die rechte Andacht überkommt, braucht sich bloß umzuschauen: irgendjemanden findet man immer, der im Zustand sprachloser Verzückung vor einem der Schaukästen steht - darin eine Rote oder Blaue Mauritius, durch Spots angestrahlt in der ansonsten dunkel gehaltenen "Schatzkammer" des Museums.
Andreas Hahn vom Archiv für Philatelie in Bonn, der Projektleiter der Ausstellung: er gibt sich ruhig, fängt aber an, verräterisch unruhig auf seinem Stuhl hin- und herzurutschen, wenn er sagt:
"Gleichzeitig sind wir sehr glücklich, dass wir das teuerste philatelistische Objekt der Welt überhaupt, den sogenannten 'Bordeaux-Brief', der einzige Brief, auf dem sich eine Rote und eine Blaue Mauritius gemeinsam befinden, zeigen können."
Keine "Briefmarken" seien das, meint ein Besucher, offenkundig vom Fach, sondern "historische Preziosen aus der Geschichte des britischen Weltreichs". Lady Gomm, die Gattin des britischen Gouverneurs auf der Insel Mauritius im Indischen Ozean, Lady Gomm - so lautet die Legende - soll den Druck der Marken 1847 in Auftrag gegeben haben, um ihrer Einladung zu einem Kostümball mehr Aufmerksamkeit zu schaffen - drei ihrer Einladungsbriefe werden gezeigt.
Der Graveur nahm sich eine britische Marke mit dem Profil der jungen Königin Victoria zum Vorbild, versah sie mit dem Aufdruck Mauritius, soll den weiteren Text aber - die nächste Legende - während der Arbeit vergessen haben. Auf dem Weg zu seinen Auftraggebern sei er an einem Schild "Post office" vorbeigekommen, setzte prompt diesen Text auf die Marke statt des damals üblichen "Post paid" ("Porto bezahlt") - und wegen dieser Besonderheit erhielten die je 500 roten und blauen Marken sehr bald schon Sammlerwert.
"Der Mythos dieser Marken ist natürlich enorm. Das liegt daran, das ist eine Marke, die ist nicht industriell hergestellt wie sonst Briefmarken auch, sondern es ist eine Marke, von der jede einzelne Marke von einer einzelnen Druckplatte einzeln hergestellt wurde. Es ist eigentlich vergleichbar mit einer Dürer-Graphik: jedes einzelne Stück sieht etwas anders aus, je nachdem, wie der Drucker das gemacht hat."
Außerhalb von Deutschland ist nur von den "Post office"-Marken die Rede, von der "Blauen Mauritius" spricht man nur bei uns. Warum die "Rote Mauritius" praktisch nie erwähnt wird, dafür hat Andreas Hahn eine Theorie:
"Dieser Hype um diese Marken liegt ungefähr ganz besonders um die Jahre 1900, 1910, 1920. Wenn man sich überlegt, was die Farbe Blau speziell in Deutschland bedeutete - es war die Farbe der Romantik, die Farbe von Sehnsucht und Ferne. Es war die Farbe... um 1900, Beginn der deutschen Jugendbewegung, die ja auch sehr romantisch verhaftet war, die auf der Suche nach der Blauen Blume war. Es war ungefähr die Zeit, in der die Moderne Kunst mit dem 'Blauen Reiter' einen wichtigen Schritt vorwärts machte. Und ich denke, dass speziell diese Kombination von Blau, die in Deutschland immer eine sehr spezielle Rolle gespielt hat, was ja auch eigentlich eine royale Farbe ist, dass das eine ganz besondere Rolle spielt. Das ist natürlich schwer zu beweisen, zu belegen, aber so lautet zumindest meine Theorie."
18 Briefmarken mit einem Versicherungswert von 50 Millionen Euro. Detailreich kommentiert; mit einer Begleitausstellung versehen, die den "Hype" um diese Marken anschaulich macht: all die Geschichten, Legenden, Rätsel, die vielen Fälschungen, die spektakulären Versteigerungen, ihr Nachleben in Filmen, Büchern, Comics und in der Werbung. Die Blaue Mauritius: eine Art Nofretete der Philatelie - faszinierend zu erleben, wie die Besucher die Stimme senken, wenn sie nähertreten, um sie anzusehen.