Mystisches Ereignis des Christentums
Tod und Auferstehung Jesu Christi – das mystische Ereignis des Christentums. Schon Paulus predigte den auferstandenen Christus, wohl wissend, sein Glauben war "den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit". Wie sind die biblischen Reden von Tod und Auferstehung Jesu Christi heute sinnvoll zu verstehen?
Reicher Jüngling: "Meister, was muss ich Gutes tun, um ewiges Leben zu erlangen?"
Jesus: "Was fragst Du mich, was gut ist! Das Gute ist nur EINER. Willst Du aber zum ewigen Leben eingehen, so halte an den Geboten fest."
Reicher Jüngling: "An welchen?"
Jesus: "An diesen: Du sollst nicht töten, Du sollst kein falsches Zeugnis geben, Du sollst nicht ehebrechen und Du sollst nicht stehlen. Ehre Vater und Mutter – und liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst."
Warum wird einer wie Jesus von Nazareth, der Frieden predigt und Nächstenliebe, ja sogar Feindesliebe! – am Ende zum Tode verurteilt und stirbt am Kreuz? Jörg Frey, Professor für Geschichte des Neuen Testaments an der Universität München:
O-Ton Frey:
"Es ist eine sehr schwierige Frage, zu entscheiden, auf wessen Betreiben Jesus zu Tode gebracht wurde. Die traditionelle Theologie hat eine sehr einfache, gefährlich einfache Antwort geliefert: Die Juden seien schuld am Tod Jesu. - Diese Verallgemeinerung ist historisch sicher falsch. Die Gruppen, die ihm nach dem Leben trachteten, das waren vor allem die Tempelaristokratie, das heißt, die sadduzäischen Hohepriesterfamilien, die ihre Geschäfte am Tempel, die ihre Geschäfte in Jerusalem beeinträchtigt sahen. Für die Tötung Jesu ist aber letztlich die römische Seite verantwortlich, denn die Kapitalgerichtsbarkeit kam zu dieser Zeit allein dem römischen Präfekten, also Pontius Pilatus zu."
Das heißt, ein jüdisches Gericht konnte wohl ein Todesurteil empfehlen, aber es fällen und vollstrecken lassen durfte nur die römische Besatzungsmacht. – Jens Schröter, Professor für Neutestamentliche Wissenschaft an der Universität Leipzig.
Schröter: "Also, Kreuzigung ist ’ne ganz typisch römische Strafe, die eben besonders grausam war und der Abschreckung auch diente. Kreuze wurden oft auch entlang von Straßen aufgestellt, das kennt man übrigens auch aus dieser Spartakus-Geschichte. Übrigens gehörte dazu auch, dass Gekreuzigte nicht beerdigt werden durften. Also, dass war verboten, die abzunehmen, die mussten an den Kreuzen hängen bleiben. Und deswegen ist das eine gewisse Besonderheit bei Jesus, dass der auf Bitten des Joseph von Arimathäa dann vom Kreuz abgenommen und in dessen Grab, was er gekauft hatte, beerdigt werden durfte."
Wie ist Jesus von Nazareth gestorben - als verzweifelter Mensch? Als siegreicher Gottessohn? Die Evangelien geben unterschiedliche Zeugnisse ab.
Pasolini hat für seinen Christus-Film die Sterbeszene aus dem Matthäus-Evangelium gewählt:
Jesus: "Mein Vater, warum hast Du mich verlassen!"
Henkersknechte: "Hört, er ruft nach dem Elias, wir wollen seh’n, ob Elias kommt und ihn rettet!"
Zitator:
"Aber Jesus schrie laut - und verschied."
So steht es nicht nur bei "Matthäus", sondern auch im Markus-Evangelium.
Jörg Frey: "Im Markus-Evangelium, dem ältesten der Evangelien, haben wir Jesus gezeichnet als den leidenden Gerechten. Der im Garten Gethsemane Angst vor seinem Tod hat, der in Zittern und Zagen um Verschonung vor dem Todeskelch bittet und der am Ende am Kreuz ausruft: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" Diese Perspektive wird auch im Matthäus-Evangelium weitergeführt und übernommen."
Im Lukas-Evangelium dagegen fühlt sich der sterbende Christus keineswegs von Gott verlassen. Er spricht ein Gebet:
"Jesus rief laut und sprach: "Vater! Ich befehle meinen Geist in deine Hände." Und als er das gesagt hatte, verschied er."
Frey: "Ganz anders ist das Christus-Bild im vierten Evangelium nach Johannes, des jüngsten unserer vier Evangelien. Dort ist der ganze Bericht der Passion Jesu bereits stark aus österlicher Perspektive geschildert.
Jesus erscheint also als derjenige, der bewusst und freiwillig in das Leiden geht, der nicht um Verschonung vor dem Todeskelch bittet, sondern nur darum, dass der Vater ihn verherrlicht, das heißt, seinen Tod fruchtbar werden lässt, ertragreich für seine Nachfolger, das in diesem Tod Heil geschaffen wird. Dementsprechend ist auch der Aspekt des Leidens im johanneischen Evangeliuim entsprechend reduziert, und am Ende triumphiert Jesus am Kreuz mit den Worten: "Es ist vollbracht!"
Wird das qualvolle Sterben des Jesus von Nazareth in diesem Evangelium überhaupt ernst genommen? Wird es nicht durch Verklärung verdrängt?
Jens Schröter und Jörg Frey meinen, man müsse die Dinge anders betrachten. Der Evangelist Johannes habe keine naturalistische Darstellung von Jesu Tod beabsichtigt.
Schröter: "Das ist ganz deutlich, dass die Evangelien bestimmte Darstellungen des Weges und des Geschicks Jesu sind, und die sind aus jeweils einer bestimmten Perspektive vorgenommen."
Frey: "Ich glaube, dass die Tradition, dass Jesus am Ende tatsächlich einen Psalm betet, der von der Gottverlassenheit spricht, diese Tradition ist sehr vertrauenswürdig. Dieses Bild des Jesus von Nazareth, der ganz menschlich, mit Angst in den Tod geht, das ist meines Erachtens sehr nahe an der Geschichte des wirklichen Jesus. Es ist auch ein Bild, das für uns heutige durchaus wertvoll ist, weil Jesus dem Leiden der Menschen zu allen Zeiten damit sehr nahe kommt und als der Solidarische im Leiden erscheinen kann."
Schröter: "Wogegen im Johannesevangelium zwar auch immer diese Perspektive "Leiden" bleibt, aber dass er eigentlich die Vollmacht behält. Also, er behält gewissermaßen die Fäden in der Hand, könnte man etwas salopp sagen, bis in die Passions-Ereignisse hinein."
Frey: "Denn zumindest nach Ostern hat die christliche Gemeinde Jesu Tod noch einmal in einem anderen Licht sehen gelernt. Freilich war das ein langer Prozess, bis der Tod Jesu im österlichen Lichte gedeutet werden konnte."
Engel: "Ich weiß, ihr sucht den gekreuzigten Jesus. Fürchtet Euch nicht, er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt seht den Ort, wo der Herr gelegen hat. Und siehe, er geht Euch vorauf nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen."
Verkündet der Engel des HERRN in Pasolinis Film über das Matthäus-Evangelium. Dieser Engel erscheint nicht etwa Petrus und den anderen Jüngern sondern – darin sind sich alle Evangelien einig – dieser Engel erscheint den Frauen um Maria Magdalena.
Frey: "Im Johannes-Evangelium ist Maria Magdalena sowohl an der Kreuzigung als auch am Ostermorgen zugegen, und sie ist die erste Person, die eine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus hat. Es ist auffällig, dass in den neutestamentlichen Evangelien eine Frau die erste Zeugin des Auferstandenen ist. Das ist zu sehen im Rahmen des Rechtsbrauches im antiken Palästina, dass Frauen eigentlich kein wirksames Zeugnisrecht zubilligte, insofern wird man diese Nachrichten historisch relativ ernst zu nehmen haben."
Schröter: "Ja, das halt’ ich auch für plausibel. Wenn man das Bekenntnis "Der Herr ist auferstanden!" hätte nachträglich illustrieren wollen durch die Geschichte des Fundes des leeren Grabes, dann hätte man das leere Grab sicher nicht von Frauen finden lassen, sondern von Petrus und den anderen Jüngern."
Frey: "Eine der ganz schwierigen Fragen ist die nach dem leeren Grab. War das Grab Jesu wirklich leer? Oder war letztlich, wie andere behaupten, der Leichnam weiter darin und ist verfault."
Vor zwei Jahren behauptete ein Team kanadischer Filmemacher, man hätte die Grabhöhle von Jesus entdeckt. Ihr Dokumentarfilm "Das Jesus-Grab" wurde am Karfreitag 2007 von einem deutschen Privatsender ausgestrahlt.
Tatsache ist: Anfang der achtziger Jahre hat man in Jerusalem zwei Dutzend antiker Steinsärge gefunden. In einem davon, mutmaßen die Leute vom Film, lagern die Knochen des Jesus von Nazareth.
Allerdings - der federführende Archäologe in dieser Sache, Professor Amos Kloner, erklärte inzwischen der Zeitung "Jerusalem Post":
"Das ist eine gute Story für einen Film. Aber - das ist Unsinn!"
Frey: "Es gibt viele populäre Versuche, die Nachricht vom Tod Jesu herabzuspielen. Entweder er hätte die Kreuzigung überlebt, in einer Höhle, vielleicht gepflegt von heilkundigen Essenern, oder er sei rechtzeitig geflohen nach Indien oder nach Ägypten, er hätte dann vielleicht sogar später noch geheiratet und Kinder gehabt, und so weiter."
So wie es Dan Brown in seinem Bestseller "Sakrileg" beschreibt.
Frey: "Die Erklärungen, die bis heute in Romanen gebracht werden, gehen zurück auf die Zeit der Aufklärung, in der man insbesondere dem Anstoß der Auferweckung Jesu entgehen wollte und damit zu einer Hypothese des Scheintods oder des überlebten Kreuzes Zuflucht nahm."
Karl Heinrich Venturini, ein Romanciers des 18. Jahrhunderts, hat ein seinerzeit viel beachtetes Buch geschrieben: "Die Geschichte des großen Propheten zu Nazareth". Dort wird der scheinbar leblose Jesus durch heilkundige Essener vom Kreuz genommen und ein einer Höhle gesund gepflegt.
Jörg Frey: "All diese romanhaften Erklärungen kann man getrost vergessen! Man darf es den römischen Besatzungstruppen ohne weiteres zutrauen, dass sie einen aufständischen Provinzalen gut und wirksam zu Tode bringen konnten."
Wohin verschwand der Leichnam des Jesus von Nazareth? – Eine Antwort, die Wissenschaftlern genügen könnte, ist bisher nicht gefunden. Es besteht auch wenig Aussicht auf des Rätsels Lösung.
Jörg Frey: "Ja, diese Frage - historisch lässt sie sich nicht beantworten. Wir haben diese Erzählungen von dem leeren Grab - wobei immer deutlich ist, dass das leere Grab nicht die Auferweckung sozusagen beweist."
Die ältesten Zeugnisse von der Auferstehung Christi finden sich nämlich nicht in den Evangelien, sondern in den Paulus-Briefen.
Jens Schröter: "Also, da ist vom leeren Grab überhaupt nicht die Rede. Sondern da wird von der Auferweckung und Erscheinung Jesu geredet, ohne dass dazu irgendetwas vom leeren Grab erzählt wird."
Paulus verkündet in seinem Ersten Brief an die Gemeinde in Korinth:
"Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift. Und dass er begraben ist, und dass er auferstanden ist. Und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben."
Schröter: "Von daher muss man eigentlich den Osterglauben des frühen Christentums so interpretieren, dass die Überzeugung, dass die Geschichte Jesu mit dem Tod und seiner Bestattung nicht zu Ende ist - die steht am Anfang. Und daraus ist dann die Überzeugung entstanden, dass er nicht im Grab gewesen sein kann. Also, es ist nicht so, dass man findet, dass das Grab leer ist und daraus den Schluss zieht, er ist auferstanden. Sondern die Überzeugung, Jesus ist nicht im Tod geblieben, Jesus ist von Gott auferweckt worden, die steht am Anfang, und das wird dann in verschiedener Weise ausgestaltet."
Wenn Jesus von Nazareth, wie Christen glauben, der von Gott gesandte Messias ist – welchen Sinn hatte sein Tod am Kreuz?
"Christus ist gestorben für unsere Sünden", heißt es in den Paulus-Briefen. Friedrich Nietzsche hat behauptet, diese Parole habe Paulus nur ausgegeben, um möglichst viele Juden zum Christentum zu bekehren, denn "Opferlämmer" und "Sündenböcke" waren den Juden wohl bekannt. - Jens Schröter hingegen deutet Paulus’ Briefe anders.
Schröter: "Na ja, ich meine, es ist eine Überzeugung von Paulus und eine christliche Überzeugung überhaupt, dass Sünde nicht einfach ein moralisches Vergehen ist, sondern dass es eine Verfasstheit von Menschen ist, die sie von Gott trennt. Es ist eine von Paulus formulierte anthropologische Einsicht, dass Menschsein sich immer irgendwie gebrochen vollzieht. Man verfehlt sich immer gegen das, wie man eigentlich sein und leben sollte, man ist nicht so, wie Gott den Menschen eigentlich will."
Paulus-Römerbrief: "Ich weiß, nicht was ich tue, denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das tue ich. - Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht."
Schröter: "Und das ist das, was Paulus als "Sünde" bezeichnet, Trennung von Gott. Dass das so ist, ist auch heute unstrittig, da braucht man nur in unsere Welt zu gucken, dass der Mensch zwar Geschöpf Gottes ist, aber dass er nicht immer danach lebt. - Und das ist das, was Paulus meint, dass diese Trennung von Gott im Glauben an Jesus Christus aufgehoben wird."
Paulus–Römerbrief: "Weil wir ja wissen, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist. Dass wir hinfort der Sünde nicht dienen."
Schröter: "Das ist natürlich auch metaphorisch gesprochen von Paulus, man stirbt ja nicht wirklich. Aber man begibt sich gewissermaßen in diese durch den Tod und die Auferweckung Jesu Christi ermögliche Gemeinschaft mit hinein."
Christus: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und unterweiset alle Völker. Und lehret sie, alles zu halten, was ich Euch aufgetragen habe. Und siehe, ich bin Bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende."
So predigt der auferstandene Christus in Pasolinis Film.
Christen glauben an die Auferstehung Jesu Christi. Aber in welcher Weise ist Christus auferstanden? In welcher Weise haben seine Jünger den Auferstandenen geschaut? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Nicht nur die christlichen von den nicht-christlichen, sondern auch die christlichen Geister untereinander. – Jens Schröter:
Schröter:
"Diese Geschichten von dem Erscheinenden wollen nicht sagen, Jesus ist einfach als wiederbelebte Leiche ins Leben zurückgekehrt! Sondern sie wollen sagen, die Geschichte des irdischen Jesus geht jetzt auf irgendeine andere Weise weiter. Aber dass es eine andere Weise ist, machen die Evangelien ganz deutlich. Zum Beispiel, Maria Magdalena erkennt ihn gar nicht. Erst, als er sie dann noch einmal ausdrücklich anspricht mit ihrem Namen, erkennt sie plötzlich, dass es der HERR ist.
Diese Geschichten machen deutlich: das, was mit dem irdischen Jesus im Tod geendet ist, setzt sich jetzt auf neue Art und Weise fort. Nicht einfach so als unmittelbare Anknüpfung, sondern in neuer, veränderter Weise. - Er kann ja auch Sachen, die er vorher nicht gemacht hat. Also, er geht durch verschlossene Türen, und solche Dinge werden da erzählt. Also, es wird immer deutlich gemacht, dass Jesus jetzt in anderer Art und Weise anwesend ist, nicht in derselben Weise, wie er vorher anwesend war."
Der durch verschlossene Türen gehende Christus soll aber auch einen höchst menschlichen Leib besessen haben, denn der Auferstandene speist mit seinen Jüngern. So steht es jedenfalls im Lukas-Evangelium:
"Sie gaben ihm ein Stück von gebratenem Fisch. Und er nahm es und aß vor ihnen."
Biser: "Bis zum Kreuzestod Jesu bilden die Evangelien ein relativ geschlossenes Bild. Mit der Auferstehung jedoch splittert dieses in einer geradezu surrealistischen Weise auf, da sich die Angaben über Ort und Zeit einschließlich der Erscheinungsweisen des Auferstandenen ständig widersprechen."
Bemerkt der katholische Theologe Eugen Biser in seinem Buch "Jesus. Sein Lebensweg in neuem Licht."
Jörg Frey: "Es gibt eine lange Diskussion darüber, welcher Wirklichkeitsgehalt den Erscheinungen des Auferstandenen zukommt. Bildeten sich die Jünger nur etwas ein? Eventuell aus Schuldgefühlen, weil sie Jesus verlassen hatten, weil sie geflohen waren?"
Der Göttinger Theologe Gerd Lüdemann zum Beispiel vermutet, der Auferstehungsglaube sei ursprünglich aus einem Schuldkomplex des Petrus entstanden. Petrus hat seinen Meister in der Todesstunde bekanntlich im Stich gelassen. Wenn man Lüdemann glaubt, so ist es ein unbewältigtes Gefühl der Schuld gewesen, das Petrus die Wahnvorstellung von Christi Auferstehung beschert hat.
Eine solche, rein psychoanalytische Deutung des urchristlichen Glaubens kann Jens Schröter allerdings nicht nachvollziehen.
Schröter: "Das glaub ich gar nicht, das geben die Texte auch nicht her! Die Texte sprechen immer davon, dass sich etwas Überraschendes bei den Leuten ereignet hat, womit sie nicht gerechnet haben, und das plötzlich von außen auf sie zugekommen ist. Ich bin überzeugt davon, dass man diese Texte niemals so deuten kann, dass das irgendwie auf psychologische Motivationen zurückgeht oder irgendwie psychologische Gründe hat."
Frey: "Hatten die Jünger eine Vision? Eine subjektive Vision oder eine objektive Vision?"
Fragt sich Jörg Frey. Wir erinnern noch einmal an Paulus’ ersten Brief an die Korinther:
"Dass Christus auferstanden ist und gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als 500 Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben."
Aber was hat Kephas, der im Lateinischen Petrus heißt, gesehen ? Was haben die fünfhundert Brüder geschaut, wie haben sie Christus Gegenwart wahrgenommen? Vielleicht in einer Art gemeinschaftlicher Vision, erlebt als ekstatisch-göttliches Gefühl der liebevollen Verbundenheit in Christus? So deutet der Theologe Eugen Biser in seinem neuesten Jesus-Buch das Geschehen um den Tod und die Auferstehung Christi:
Biser: "Mit seinem Tod hat Christus seine irdische Existenz in Raum und Zeit aufgegeben, um von nun an fortzuleben als lebendig machender Geist in allen, die ihm in Glauben und Liebe zugewandt sind."
Nach Bisers Deutung – und das ist die von Paulus - bildet die Gemeinschaft der Gläubigen von nun an den mystischen Leib Christi.
Hier wird unter "Auferstehung" nicht nur ein historisches Ereignis verstanden, das zu einer bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort stattgefunden hat, nämlich vor mehr als 2000 Jahren in Jerusalem, sondern hier wird "Auferstehung" gedeutet als ein allgegenwärtiges, geistiges Geschehen, das in Jerusalem seinen wundervollen Anfang nahm.
"Wo zwei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter Euch."
Ein Christus-Wort aus dem Matthäus-Evangelium. Allerdings: Dass ein derart auferstandener (und auferstehender) Corpus Christi hin und wieder "gebratenen Fisch" zu sich nimmt, wie es im Lukas-Evangelium heißt, kann hier nur als ein materialistisches Missverständnis gelten.
Für den, der Auferstehung als ein geistiges Geschehen deutet, ist es auch ziemlich gleichgültig, wohin der Leichnam des Jesus von Nazareth verschwand.
"Ihr werdet es hören mit Euren Ohren, aber nicht verstehen. Ihr werdet es sehen mit Euren Augen, aber nicht begreifen!"
Heißt es im Matthäus-Evangelium.
Jörg Frey: "”Das Problem der Auferweckung Jesu Christi ist natürlich, dass wir keine Analogie für ein solches Geschehen haben. Und historische Ereignisse in aller Regel nur dann von uns festzustellen sind, wenn wir sie in irgendeiner Weise durch Analogieschlüsse in die uns bekannte Welt einordnen können. Die neutestamentlichen Zeugnisse Jesu beanspruchen hier aber ein die Welt aus den Angeln hebendes, das System sprengendes, analogieloses Geschehen, das komplett Neues schafft. Und genau das kann der Historiker mit seinen Mitteln nicht nachvollziehen.""
Huber: "Das ist ja auch gut, dass diese Auferstehung größer ist als unsere eigene Vorstellungskraft, das kann man ja gut einräumen. Und dass man deswegen immer wieder versucht, in der eigenen Überzeugung und in der Sprache, die man dafür findet, möglichst nah an dieses Geheimnis heranzukommen, das ist doch total in Ordnung!"
Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Also werden Christen auch weiterhin beherzt darüber streiten, wie die Rede von der Auferstehung Jesu Christi sinnvoll verstanden werden kann. Wie heißt es doch im ersten Brief des Paulus an Timotheus?
"Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens."
Jesus: "Was fragst Du mich, was gut ist! Das Gute ist nur EINER. Willst Du aber zum ewigen Leben eingehen, so halte an den Geboten fest."
Reicher Jüngling: "An welchen?"
Jesus: "An diesen: Du sollst nicht töten, Du sollst kein falsches Zeugnis geben, Du sollst nicht ehebrechen und Du sollst nicht stehlen. Ehre Vater und Mutter – und liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst."
Warum wird einer wie Jesus von Nazareth, der Frieden predigt und Nächstenliebe, ja sogar Feindesliebe! – am Ende zum Tode verurteilt und stirbt am Kreuz? Jörg Frey, Professor für Geschichte des Neuen Testaments an der Universität München:
O-Ton Frey:
"Es ist eine sehr schwierige Frage, zu entscheiden, auf wessen Betreiben Jesus zu Tode gebracht wurde. Die traditionelle Theologie hat eine sehr einfache, gefährlich einfache Antwort geliefert: Die Juden seien schuld am Tod Jesu. - Diese Verallgemeinerung ist historisch sicher falsch. Die Gruppen, die ihm nach dem Leben trachteten, das waren vor allem die Tempelaristokratie, das heißt, die sadduzäischen Hohepriesterfamilien, die ihre Geschäfte am Tempel, die ihre Geschäfte in Jerusalem beeinträchtigt sahen. Für die Tötung Jesu ist aber letztlich die römische Seite verantwortlich, denn die Kapitalgerichtsbarkeit kam zu dieser Zeit allein dem römischen Präfekten, also Pontius Pilatus zu."
Das heißt, ein jüdisches Gericht konnte wohl ein Todesurteil empfehlen, aber es fällen und vollstrecken lassen durfte nur die römische Besatzungsmacht. – Jens Schröter, Professor für Neutestamentliche Wissenschaft an der Universität Leipzig.
Schröter: "Also, Kreuzigung ist ’ne ganz typisch römische Strafe, die eben besonders grausam war und der Abschreckung auch diente. Kreuze wurden oft auch entlang von Straßen aufgestellt, das kennt man übrigens auch aus dieser Spartakus-Geschichte. Übrigens gehörte dazu auch, dass Gekreuzigte nicht beerdigt werden durften. Also, dass war verboten, die abzunehmen, die mussten an den Kreuzen hängen bleiben. Und deswegen ist das eine gewisse Besonderheit bei Jesus, dass der auf Bitten des Joseph von Arimathäa dann vom Kreuz abgenommen und in dessen Grab, was er gekauft hatte, beerdigt werden durfte."
Wie ist Jesus von Nazareth gestorben - als verzweifelter Mensch? Als siegreicher Gottessohn? Die Evangelien geben unterschiedliche Zeugnisse ab.
Pasolini hat für seinen Christus-Film die Sterbeszene aus dem Matthäus-Evangelium gewählt:
Jesus: "Mein Vater, warum hast Du mich verlassen!"
Henkersknechte: "Hört, er ruft nach dem Elias, wir wollen seh’n, ob Elias kommt und ihn rettet!"
Zitator:
"Aber Jesus schrie laut - und verschied."
So steht es nicht nur bei "Matthäus", sondern auch im Markus-Evangelium.
Jörg Frey: "Im Markus-Evangelium, dem ältesten der Evangelien, haben wir Jesus gezeichnet als den leidenden Gerechten. Der im Garten Gethsemane Angst vor seinem Tod hat, der in Zittern und Zagen um Verschonung vor dem Todeskelch bittet und der am Ende am Kreuz ausruft: "Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?" Diese Perspektive wird auch im Matthäus-Evangelium weitergeführt und übernommen."
Im Lukas-Evangelium dagegen fühlt sich der sterbende Christus keineswegs von Gott verlassen. Er spricht ein Gebet:
"Jesus rief laut und sprach: "Vater! Ich befehle meinen Geist in deine Hände." Und als er das gesagt hatte, verschied er."
Frey: "Ganz anders ist das Christus-Bild im vierten Evangelium nach Johannes, des jüngsten unserer vier Evangelien. Dort ist der ganze Bericht der Passion Jesu bereits stark aus österlicher Perspektive geschildert.
Jesus erscheint also als derjenige, der bewusst und freiwillig in das Leiden geht, der nicht um Verschonung vor dem Todeskelch bittet, sondern nur darum, dass der Vater ihn verherrlicht, das heißt, seinen Tod fruchtbar werden lässt, ertragreich für seine Nachfolger, das in diesem Tod Heil geschaffen wird. Dementsprechend ist auch der Aspekt des Leidens im johanneischen Evangeliuim entsprechend reduziert, und am Ende triumphiert Jesus am Kreuz mit den Worten: "Es ist vollbracht!"
Wird das qualvolle Sterben des Jesus von Nazareth in diesem Evangelium überhaupt ernst genommen? Wird es nicht durch Verklärung verdrängt?
Jens Schröter und Jörg Frey meinen, man müsse die Dinge anders betrachten. Der Evangelist Johannes habe keine naturalistische Darstellung von Jesu Tod beabsichtigt.
Schröter: "Das ist ganz deutlich, dass die Evangelien bestimmte Darstellungen des Weges und des Geschicks Jesu sind, und die sind aus jeweils einer bestimmten Perspektive vorgenommen."
Frey: "Ich glaube, dass die Tradition, dass Jesus am Ende tatsächlich einen Psalm betet, der von der Gottverlassenheit spricht, diese Tradition ist sehr vertrauenswürdig. Dieses Bild des Jesus von Nazareth, der ganz menschlich, mit Angst in den Tod geht, das ist meines Erachtens sehr nahe an der Geschichte des wirklichen Jesus. Es ist auch ein Bild, das für uns heutige durchaus wertvoll ist, weil Jesus dem Leiden der Menschen zu allen Zeiten damit sehr nahe kommt und als der Solidarische im Leiden erscheinen kann."
Schröter: "Wogegen im Johannesevangelium zwar auch immer diese Perspektive "Leiden" bleibt, aber dass er eigentlich die Vollmacht behält. Also, er behält gewissermaßen die Fäden in der Hand, könnte man etwas salopp sagen, bis in die Passions-Ereignisse hinein."
Frey: "Denn zumindest nach Ostern hat die christliche Gemeinde Jesu Tod noch einmal in einem anderen Licht sehen gelernt. Freilich war das ein langer Prozess, bis der Tod Jesu im österlichen Lichte gedeutet werden konnte."
Engel: "Ich weiß, ihr sucht den gekreuzigten Jesus. Fürchtet Euch nicht, er ist nicht hier, er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt seht den Ort, wo der Herr gelegen hat. Und siehe, er geht Euch vorauf nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen."
Verkündet der Engel des HERRN in Pasolinis Film über das Matthäus-Evangelium. Dieser Engel erscheint nicht etwa Petrus und den anderen Jüngern sondern – darin sind sich alle Evangelien einig – dieser Engel erscheint den Frauen um Maria Magdalena.
Frey: "Im Johannes-Evangelium ist Maria Magdalena sowohl an der Kreuzigung als auch am Ostermorgen zugegen, und sie ist die erste Person, die eine Begegnung mit dem auferstandenen Jesus hat. Es ist auffällig, dass in den neutestamentlichen Evangelien eine Frau die erste Zeugin des Auferstandenen ist. Das ist zu sehen im Rahmen des Rechtsbrauches im antiken Palästina, dass Frauen eigentlich kein wirksames Zeugnisrecht zubilligte, insofern wird man diese Nachrichten historisch relativ ernst zu nehmen haben."
Schröter: "Ja, das halt’ ich auch für plausibel. Wenn man das Bekenntnis "Der Herr ist auferstanden!" hätte nachträglich illustrieren wollen durch die Geschichte des Fundes des leeren Grabes, dann hätte man das leere Grab sicher nicht von Frauen finden lassen, sondern von Petrus und den anderen Jüngern."
Frey: "Eine der ganz schwierigen Fragen ist die nach dem leeren Grab. War das Grab Jesu wirklich leer? Oder war letztlich, wie andere behaupten, der Leichnam weiter darin und ist verfault."
Vor zwei Jahren behauptete ein Team kanadischer Filmemacher, man hätte die Grabhöhle von Jesus entdeckt. Ihr Dokumentarfilm "Das Jesus-Grab" wurde am Karfreitag 2007 von einem deutschen Privatsender ausgestrahlt.
Tatsache ist: Anfang der achtziger Jahre hat man in Jerusalem zwei Dutzend antiker Steinsärge gefunden. In einem davon, mutmaßen die Leute vom Film, lagern die Knochen des Jesus von Nazareth.
Allerdings - der federführende Archäologe in dieser Sache, Professor Amos Kloner, erklärte inzwischen der Zeitung "Jerusalem Post":
"Das ist eine gute Story für einen Film. Aber - das ist Unsinn!"
Frey: "Es gibt viele populäre Versuche, die Nachricht vom Tod Jesu herabzuspielen. Entweder er hätte die Kreuzigung überlebt, in einer Höhle, vielleicht gepflegt von heilkundigen Essenern, oder er sei rechtzeitig geflohen nach Indien oder nach Ägypten, er hätte dann vielleicht sogar später noch geheiratet und Kinder gehabt, und so weiter."
So wie es Dan Brown in seinem Bestseller "Sakrileg" beschreibt.
Frey: "Die Erklärungen, die bis heute in Romanen gebracht werden, gehen zurück auf die Zeit der Aufklärung, in der man insbesondere dem Anstoß der Auferweckung Jesu entgehen wollte und damit zu einer Hypothese des Scheintods oder des überlebten Kreuzes Zuflucht nahm."
Karl Heinrich Venturini, ein Romanciers des 18. Jahrhunderts, hat ein seinerzeit viel beachtetes Buch geschrieben: "Die Geschichte des großen Propheten zu Nazareth". Dort wird der scheinbar leblose Jesus durch heilkundige Essener vom Kreuz genommen und ein einer Höhle gesund gepflegt.
Jörg Frey: "All diese romanhaften Erklärungen kann man getrost vergessen! Man darf es den römischen Besatzungstruppen ohne weiteres zutrauen, dass sie einen aufständischen Provinzalen gut und wirksam zu Tode bringen konnten."
Wohin verschwand der Leichnam des Jesus von Nazareth? – Eine Antwort, die Wissenschaftlern genügen könnte, ist bisher nicht gefunden. Es besteht auch wenig Aussicht auf des Rätsels Lösung.
Jörg Frey: "Ja, diese Frage - historisch lässt sie sich nicht beantworten. Wir haben diese Erzählungen von dem leeren Grab - wobei immer deutlich ist, dass das leere Grab nicht die Auferweckung sozusagen beweist."
Die ältesten Zeugnisse von der Auferstehung Christi finden sich nämlich nicht in den Evangelien, sondern in den Paulus-Briefen.
Jens Schröter: "Also, da ist vom leeren Grab überhaupt nicht die Rede. Sondern da wird von der Auferweckung und Erscheinung Jesu geredet, ohne dass dazu irgendetwas vom leeren Grab erzählt wird."
Paulus verkündet in seinem Ersten Brief an die Gemeinde in Korinth:
"Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift. Und dass er begraben ist, und dass er auferstanden ist. Und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben."
Schröter: "Von daher muss man eigentlich den Osterglauben des frühen Christentums so interpretieren, dass die Überzeugung, dass die Geschichte Jesu mit dem Tod und seiner Bestattung nicht zu Ende ist - die steht am Anfang. Und daraus ist dann die Überzeugung entstanden, dass er nicht im Grab gewesen sein kann. Also, es ist nicht so, dass man findet, dass das Grab leer ist und daraus den Schluss zieht, er ist auferstanden. Sondern die Überzeugung, Jesus ist nicht im Tod geblieben, Jesus ist von Gott auferweckt worden, die steht am Anfang, und das wird dann in verschiedener Weise ausgestaltet."
Wenn Jesus von Nazareth, wie Christen glauben, der von Gott gesandte Messias ist – welchen Sinn hatte sein Tod am Kreuz?
"Christus ist gestorben für unsere Sünden", heißt es in den Paulus-Briefen. Friedrich Nietzsche hat behauptet, diese Parole habe Paulus nur ausgegeben, um möglichst viele Juden zum Christentum zu bekehren, denn "Opferlämmer" und "Sündenböcke" waren den Juden wohl bekannt. - Jens Schröter hingegen deutet Paulus’ Briefe anders.
Schröter: "Na ja, ich meine, es ist eine Überzeugung von Paulus und eine christliche Überzeugung überhaupt, dass Sünde nicht einfach ein moralisches Vergehen ist, sondern dass es eine Verfasstheit von Menschen ist, die sie von Gott trennt. Es ist eine von Paulus formulierte anthropologische Einsicht, dass Menschsein sich immer irgendwie gebrochen vollzieht. Man verfehlt sich immer gegen das, wie man eigentlich sein und leben sollte, man ist nicht so, wie Gott den Menschen eigentlich will."
Paulus-Römerbrief: "Ich weiß, nicht was ich tue, denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das tue ich. - Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht."
Schröter: "Und das ist das, was Paulus als "Sünde" bezeichnet, Trennung von Gott. Dass das so ist, ist auch heute unstrittig, da braucht man nur in unsere Welt zu gucken, dass der Mensch zwar Geschöpf Gottes ist, aber dass er nicht immer danach lebt. - Und das ist das, was Paulus meint, dass diese Trennung von Gott im Glauben an Jesus Christus aufgehoben wird."
Paulus–Römerbrief: "Weil wir ja wissen, dass unser alter Mensch samt ihm gekreuzigt ist. Dass wir hinfort der Sünde nicht dienen."
Schröter: "Das ist natürlich auch metaphorisch gesprochen von Paulus, man stirbt ja nicht wirklich. Aber man begibt sich gewissermaßen in diese durch den Tod und die Auferweckung Jesu Christi ermögliche Gemeinschaft mit hinein."
Christus: "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und unterweiset alle Völker. Und lehret sie, alles zu halten, was ich Euch aufgetragen habe. Und siehe, ich bin Bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende."
So predigt der auferstandene Christus in Pasolinis Film.
Christen glauben an die Auferstehung Jesu Christi. Aber in welcher Weise ist Christus auferstanden? In welcher Weise haben seine Jünger den Auferstandenen geschaut? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Nicht nur die christlichen von den nicht-christlichen, sondern auch die christlichen Geister untereinander. – Jens Schröter:
Schröter:
"Diese Geschichten von dem Erscheinenden wollen nicht sagen, Jesus ist einfach als wiederbelebte Leiche ins Leben zurückgekehrt! Sondern sie wollen sagen, die Geschichte des irdischen Jesus geht jetzt auf irgendeine andere Weise weiter. Aber dass es eine andere Weise ist, machen die Evangelien ganz deutlich. Zum Beispiel, Maria Magdalena erkennt ihn gar nicht. Erst, als er sie dann noch einmal ausdrücklich anspricht mit ihrem Namen, erkennt sie plötzlich, dass es der HERR ist.
Diese Geschichten machen deutlich: das, was mit dem irdischen Jesus im Tod geendet ist, setzt sich jetzt auf neue Art und Weise fort. Nicht einfach so als unmittelbare Anknüpfung, sondern in neuer, veränderter Weise. - Er kann ja auch Sachen, die er vorher nicht gemacht hat. Also, er geht durch verschlossene Türen, und solche Dinge werden da erzählt. Also, es wird immer deutlich gemacht, dass Jesus jetzt in anderer Art und Weise anwesend ist, nicht in derselben Weise, wie er vorher anwesend war."
Der durch verschlossene Türen gehende Christus soll aber auch einen höchst menschlichen Leib besessen haben, denn der Auferstandene speist mit seinen Jüngern. So steht es jedenfalls im Lukas-Evangelium:
"Sie gaben ihm ein Stück von gebratenem Fisch. Und er nahm es und aß vor ihnen."
Biser: "Bis zum Kreuzestod Jesu bilden die Evangelien ein relativ geschlossenes Bild. Mit der Auferstehung jedoch splittert dieses in einer geradezu surrealistischen Weise auf, da sich die Angaben über Ort und Zeit einschließlich der Erscheinungsweisen des Auferstandenen ständig widersprechen."
Bemerkt der katholische Theologe Eugen Biser in seinem Buch "Jesus. Sein Lebensweg in neuem Licht."
Jörg Frey: "Es gibt eine lange Diskussion darüber, welcher Wirklichkeitsgehalt den Erscheinungen des Auferstandenen zukommt. Bildeten sich die Jünger nur etwas ein? Eventuell aus Schuldgefühlen, weil sie Jesus verlassen hatten, weil sie geflohen waren?"
Der Göttinger Theologe Gerd Lüdemann zum Beispiel vermutet, der Auferstehungsglaube sei ursprünglich aus einem Schuldkomplex des Petrus entstanden. Petrus hat seinen Meister in der Todesstunde bekanntlich im Stich gelassen. Wenn man Lüdemann glaubt, so ist es ein unbewältigtes Gefühl der Schuld gewesen, das Petrus die Wahnvorstellung von Christi Auferstehung beschert hat.
Eine solche, rein psychoanalytische Deutung des urchristlichen Glaubens kann Jens Schröter allerdings nicht nachvollziehen.
Schröter: "Das glaub ich gar nicht, das geben die Texte auch nicht her! Die Texte sprechen immer davon, dass sich etwas Überraschendes bei den Leuten ereignet hat, womit sie nicht gerechnet haben, und das plötzlich von außen auf sie zugekommen ist. Ich bin überzeugt davon, dass man diese Texte niemals so deuten kann, dass das irgendwie auf psychologische Motivationen zurückgeht oder irgendwie psychologische Gründe hat."
Frey: "Hatten die Jünger eine Vision? Eine subjektive Vision oder eine objektive Vision?"
Fragt sich Jörg Frey. Wir erinnern noch einmal an Paulus’ ersten Brief an die Korinther:
"Dass Christus auferstanden ist und gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als 500 Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben."
Aber was hat Kephas, der im Lateinischen Petrus heißt, gesehen ? Was haben die fünfhundert Brüder geschaut, wie haben sie Christus Gegenwart wahrgenommen? Vielleicht in einer Art gemeinschaftlicher Vision, erlebt als ekstatisch-göttliches Gefühl der liebevollen Verbundenheit in Christus? So deutet der Theologe Eugen Biser in seinem neuesten Jesus-Buch das Geschehen um den Tod und die Auferstehung Christi:
Biser: "Mit seinem Tod hat Christus seine irdische Existenz in Raum und Zeit aufgegeben, um von nun an fortzuleben als lebendig machender Geist in allen, die ihm in Glauben und Liebe zugewandt sind."
Nach Bisers Deutung – und das ist die von Paulus - bildet die Gemeinschaft der Gläubigen von nun an den mystischen Leib Christi.
Hier wird unter "Auferstehung" nicht nur ein historisches Ereignis verstanden, das zu einer bestimmte Zeit an einem bestimmten Ort stattgefunden hat, nämlich vor mehr als 2000 Jahren in Jerusalem, sondern hier wird "Auferstehung" gedeutet als ein allgegenwärtiges, geistiges Geschehen, das in Jerusalem seinen wundervollen Anfang nahm.
"Wo zwei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter Euch."
Ein Christus-Wort aus dem Matthäus-Evangelium. Allerdings: Dass ein derart auferstandener (und auferstehender) Corpus Christi hin und wieder "gebratenen Fisch" zu sich nimmt, wie es im Lukas-Evangelium heißt, kann hier nur als ein materialistisches Missverständnis gelten.
Für den, der Auferstehung als ein geistiges Geschehen deutet, ist es auch ziemlich gleichgültig, wohin der Leichnam des Jesus von Nazareth verschwand.
"Ihr werdet es hören mit Euren Ohren, aber nicht verstehen. Ihr werdet es sehen mit Euren Augen, aber nicht begreifen!"
Heißt es im Matthäus-Evangelium.
Jörg Frey: "”Das Problem der Auferweckung Jesu Christi ist natürlich, dass wir keine Analogie für ein solches Geschehen haben. Und historische Ereignisse in aller Regel nur dann von uns festzustellen sind, wenn wir sie in irgendeiner Weise durch Analogieschlüsse in die uns bekannte Welt einordnen können. Die neutestamentlichen Zeugnisse Jesu beanspruchen hier aber ein die Welt aus den Angeln hebendes, das System sprengendes, analogieloses Geschehen, das komplett Neues schafft. Und genau das kann der Historiker mit seinen Mitteln nicht nachvollziehen.""
Huber: "Das ist ja auch gut, dass diese Auferstehung größer ist als unsere eigene Vorstellungskraft, das kann man ja gut einräumen. Und dass man deswegen immer wieder versucht, in der eigenen Überzeugung und in der Sprache, die man dafür findet, möglichst nah an dieses Geheimnis heranzukommen, das ist doch total in Ordnung!"
Bischof Wolfgang Huber, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Also werden Christen auch weiterhin beherzt darüber streiten, wie die Rede von der Auferstehung Jesu Christi sinnvoll verstanden werden kann. Wie heißt es doch im ersten Brief des Paulus an Timotheus?
"Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens."