Mysteriöse Geschehnisse am Bergsee
Irgendwo in der österreichischen Alpen: Im See Mariaschwarz, von den Einwohnern wegen seiner unheimlichen Farbe so genannt, wird ein Ungeheuer gesichtet - und ein menschliches Skelett geborgen. Das ruft den Wiener Chefinspektor Richard Lukastik auf den Plan. Heinrich Steinfests Kriminalroman ist voll abrupter Wendungen, erzählerischer Aspekte und philosophischer Überlegungen.
Mariaschwarz ist der Name eines Sees irgendwo in den österreichischen Alpen. Eigentlich heißt er Mariensee oder Schwarzsee, aber die Einwohner von Hiltroff, in dessen Gemeindegebiet er sich befindet, nennen ihn seiner unheimlichen, dunklen Farbe wegen Mariaschwarz. Unbeweglich liegt er in der Landschaft, frei von Lebewesen - so meint man. Doch in kurzer Folge ereignet sich Erstaunliches: Ein monströses Ungeheuer wird im See gesichtet, und ein menschliches Skelett wird geborgen.
Das scheint Vincent Olander, der seit drei Jahren in einem Hiltroffer Hotel wohnt, völlig kalt zu lassen. Der ehemalige Geschäftsmann, der täglich acht Gläser Hochprozentiges schlürft, schleppt eine ganz andere Geschichte mit sich herum. Doch nur auf den ersten Blick hat sie nichts mit den Geschehnissen im Dorf zu tun.
Mit dieser Ausgangssituation beginnt Heinrich Steinfest seinen Kriminalroman. Er entwickelt die Handlung auf verblüffende Weise, indem er weitere Blickwinkel einführt und dem Leser neue Figuren vorstellt. Alle paar Seiten nimmt die rasante Abfolge der Ereignisse zwischen dem Dorf in den Bergen und der Metropole Mailand abrupte Wendungen. Eben erst sicher Geglaubtes sieht plötzlich ganz anders aus, hohes Erzähltempo ist garantiert. Allerdings deutet der Autor mit fast buchhalterischer Verlässlichkeit kommende Überraschungen und dräuende Schicksale stets mit winzigen Bemerkungen an.
Doch gibt es, wie in den Tiefen des dunklen Sees, auch im Roman selbst eine Bruchlinie: Sie wird nach zwei Dritteln des Textes spürbar. Die Zäsur markiert ein Brief, der den größten Teil des bis dahin immer wirrer werdenden Geschehens aufklärt. Danach kommen erzählerische Aspekte stärker zum Tragen, schwelgt der Autor vornehmlich in Schilderungen von Liebesgeschichten und Wiener Befindlichkeiten. Und selbst für philosophische Überlegungen nimmt er sich Zeit. Hervorragendes Beispiel dafür: die Beschreibung Thomas Bernhards als Wecker der bis in die 1980er Jahre vor sich hin dämmernden Österreicher. Selbst als die aufgewacht waren, ließ er sich nicht abstellen.
Unversehens bäumt sich die Handlung des Romans noch einmal gewaltig auf. Schwerwiegender und unglaublicher als zuvor sind die Ereignisse. Gleichwohl steht Kommissar Richard Lukastik ihnen deutlich distanziert gegenüber. Bange fragt man sich, wie Heinrich Steinfest die erneut unerklärliche Entwicklung entwirren will. Gar nicht. Er fabuliert unbekümmert bis zur letzten Seite, zu einer Verschwörung im Hintergrund gesellt sich ein Hauch Mythos. Die Befürchtung des Lesers wird bestätigt: Heinrich Steinfest klärt nicht vollständig auf.
Trotz des Auseinanderfallens in zwei unterschiedliche Teile ist der Kriminalroman stimmig. Krimi eben und Roman - mitunter mit sprachlich großartigen Passagen: Einige von Steinfests Vergleichen zeigen köstlich seinen trockenen Humor. Bei Beschreibungen, die Gegensätzliches verbinden sollen, kostet es allerdings Mühe, die vom Autor beabsichtigte Harmonie zu erkennen.
Es fällt auf, dass Steinfest den Leser nicht in die Situationen bringt, mehr zu wissen als die Personen im Buch. Er lenkt den Handlungsverlauf nicht knapp vor Klärung in eine andere Richtung, um die Spannung zu erhöhen, beispielsweise dadurch, dass etwas übersehen oder die entscheidende Frage nicht gestellt wird. Im Gegenteil, die Ermittlungen finden so logisch statt, wie man sie als Leser mit dem selbem Informationsstand wie der Protagonist auch führen würde - was viel Ärger über Fehlentwicklungen, wie in anderen Krimis, erspart. Steinfest fesselt die Leser mit den unterschiedlichen Wendungen, auch wenn er unvermittelt das Erzähltempo herabsetzt.
Rezensiert von Stefan May
Heinrich Steinfest: Mariaschwarz
Piper Verlag, München 2008
320 Seiten. 16,90 Euro.
Das scheint Vincent Olander, der seit drei Jahren in einem Hiltroffer Hotel wohnt, völlig kalt zu lassen. Der ehemalige Geschäftsmann, der täglich acht Gläser Hochprozentiges schlürft, schleppt eine ganz andere Geschichte mit sich herum. Doch nur auf den ersten Blick hat sie nichts mit den Geschehnissen im Dorf zu tun.
Mit dieser Ausgangssituation beginnt Heinrich Steinfest seinen Kriminalroman. Er entwickelt die Handlung auf verblüffende Weise, indem er weitere Blickwinkel einführt und dem Leser neue Figuren vorstellt. Alle paar Seiten nimmt die rasante Abfolge der Ereignisse zwischen dem Dorf in den Bergen und der Metropole Mailand abrupte Wendungen. Eben erst sicher Geglaubtes sieht plötzlich ganz anders aus, hohes Erzähltempo ist garantiert. Allerdings deutet der Autor mit fast buchhalterischer Verlässlichkeit kommende Überraschungen und dräuende Schicksale stets mit winzigen Bemerkungen an.
Doch gibt es, wie in den Tiefen des dunklen Sees, auch im Roman selbst eine Bruchlinie: Sie wird nach zwei Dritteln des Textes spürbar. Die Zäsur markiert ein Brief, der den größten Teil des bis dahin immer wirrer werdenden Geschehens aufklärt. Danach kommen erzählerische Aspekte stärker zum Tragen, schwelgt der Autor vornehmlich in Schilderungen von Liebesgeschichten und Wiener Befindlichkeiten. Und selbst für philosophische Überlegungen nimmt er sich Zeit. Hervorragendes Beispiel dafür: die Beschreibung Thomas Bernhards als Wecker der bis in die 1980er Jahre vor sich hin dämmernden Österreicher. Selbst als die aufgewacht waren, ließ er sich nicht abstellen.
Unversehens bäumt sich die Handlung des Romans noch einmal gewaltig auf. Schwerwiegender und unglaublicher als zuvor sind die Ereignisse. Gleichwohl steht Kommissar Richard Lukastik ihnen deutlich distanziert gegenüber. Bange fragt man sich, wie Heinrich Steinfest die erneut unerklärliche Entwicklung entwirren will. Gar nicht. Er fabuliert unbekümmert bis zur letzten Seite, zu einer Verschwörung im Hintergrund gesellt sich ein Hauch Mythos. Die Befürchtung des Lesers wird bestätigt: Heinrich Steinfest klärt nicht vollständig auf.
Trotz des Auseinanderfallens in zwei unterschiedliche Teile ist der Kriminalroman stimmig. Krimi eben und Roman - mitunter mit sprachlich großartigen Passagen: Einige von Steinfests Vergleichen zeigen köstlich seinen trockenen Humor. Bei Beschreibungen, die Gegensätzliches verbinden sollen, kostet es allerdings Mühe, die vom Autor beabsichtigte Harmonie zu erkennen.
Es fällt auf, dass Steinfest den Leser nicht in die Situationen bringt, mehr zu wissen als die Personen im Buch. Er lenkt den Handlungsverlauf nicht knapp vor Klärung in eine andere Richtung, um die Spannung zu erhöhen, beispielsweise dadurch, dass etwas übersehen oder die entscheidende Frage nicht gestellt wird. Im Gegenteil, die Ermittlungen finden so logisch statt, wie man sie als Leser mit dem selbem Informationsstand wie der Protagonist auch führen würde - was viel Ärger über Fehlentwicklungen, wie in anderen Krimis, erspart. Steinfest fesselt die Leser mit den unterschiedlichen Wendungen, auch wenn er unvermittelt das Erzähltempo herabsetzt.
Rezensiert von Stefan May
Heinrich Steinfest: Mariaschwarz
Piper Verlag, München 2008
320 Seiten. 16,90 Euro.