Mutter durch Eizellspende

"Ich habe kein schlechtes Gewissen"

Eine schwangere Frau hält ihren Bauch.
In Frankreich ist die Leihmutterschaft verboten © dpa/Fredrik von Erichsen
Alexandra im Gespräch mit Dieter Kassel · 21.03.2017
Alexandra hat sich in Tschechien befruchtete Eizellen einer anonymen Spenderin einsetzen lassen und ist jetzt Mutter von Zwillingen. In unserem Interview berichtet sich von ihren Erfahrungen mit einer Praxis, die in Deutschland nach wie vor verboten ist.
Dieter Kassel: Die Frau, mit der wir jetzt sprechen wollen, hat schon vor einigen Jahren feststellen müssen, dass ihr Partner und sie ohne medizinische Hilfe keine Kinder bekommen können. Und sie hat dann diese Hilfe in Anspruch genommen, sie hat drei Jahre lang intensiv das versucht, was in Deutschland rechtlich möglich ist, aber es ist ihr nicht gelungen, trotz zahlreicher Versuche nicht gelungen, mithilfe der künstlichen Befruchtung schwanger zu werden. Dann reiste diese Frau nach Tschechien und dort hat sie etwas getan, was dort völlig legal ist, in einigen anderen Ländern auch, was in Deutschland aber nicht erlaubt ist: Sie hat sich dort befruchtete Eizellen einer anonymen Spenderin einsetzen lassen und das hat geklappt.
Heute ist sie die Mutter von zwei Kindern, von Zwillingen, die sie dann bekommen hat. Wir wollen mit ihr darüber reden, sie ist auch bereit, mit uns zu reden, aber sie möchte anonym bleiben, und deshalb nennen wir sie heute Morgen ihrem Wunsch entsprechend Alexandra. Schönen guten Morgen, Alexandra!
Alexandra: Wunderschönen guten Morgen, Herr Kassel!
Kassel: Wie geht es denn Ihren Kindern und Ihnen inzwischen?
Alexandra: Ach, wunderbar. Also, uns ging es eigentlich nie schlecht. Ich denke mal, dass wir das Familienalltagschaos haben, was jede Zwillingsmama kennt. Ja, wunderbar von daher!

Tagebuch des "Kinderwunschweges" im Internet

Kassel: Man kann ja vieles, was Ihre Geschichte angeht … Ich habe das sehr, sehr kurz gerade zusammengefasst, man kann das sehr ausführlicher nachlesen, wenn man möchte, und auch Ihre aktuellen Erlebnisse, viele davon im Internet. Sie betreiben einen Blog unter der Adresse pippilottta.de. Warum tun Sie das, warum halten Sie es für richtig, nicht alles, aber doch vieles von dieser Geschichte in die Öffentlichkeit zu tragen?
Alexandra: Also, der Ursprungsgedanke des Blogs war gar nicht, dass ich das in die Öffentlichkeit tragen möchte, sondern es ging mir damals darum … Wir standen ganz zu Beginn der Eizellspende, wo wir auch überlegt haben, machen wir eine anonyme Eizellspende oder eine nicht anonyme Eizellspende, und da wir diese Entscheidung noch nicht getroffen hatten – das ist ja nun auch nichts, was man von heute auf morgen trifft –, wollte ich unseren Weg festhalten. Ich wollte, dass unsere Kinder später irgendwas haben zum Greifen, zum Nachlesen, dass sie sehen können, dass sie Wunschkinder waren, dass sie auch nicht aus dem Katalog ausgesucht wurden, wie sich das viele vorstellen. Also, im Endeffekt war es eigentlich das Tagebuch unseres Kinderwunschweges, ab der Eizellspende beziehungsweise ab dem ersten Gedanken der Eizellspende.
Kassel: Wie war das eigentlich bei diesem ersten Gedanken? Sie haben natürlich gewusst, dass das eine Methode ist, die in mehreren Ländern erlaubt ist – nicht nur in Tschechien, wo Sie es gemacht haben –, aber in Deutschland eben ausdrücklich verboten. Hat Sie das irgendwie beeinflusst, haben Sie irgendwie darüber nachgedacht, ob die, die sagen, ich verbiete das, nicht doch irgendwie recht haben?
Alexandra: Bedingt. Also, ich habe ganz viel gelesen, ich habe ganz viel recherchiert. Es gab leider nicht wirklich viel, das heißt, es war wirklich harte Arbeit, sich das alles herauszuarbeiten. Zu dem Zeitpunkt, wo wir darüber nachgedacht haben, fing gleichzeitig in Bayern, meine ich, oder in Süddeutschland zumindest ein Netzwerk an, das legal zu machen beziehungsweise so eine Grauzone dieses Embryonenschutzgesetzes auszunutzen. Dort dürfen ja mittlerweile auch Eizellen, die schon befruchtet wurden von Paaren, die sie jetzt über haben, die dürfen mittlerweile dort auch gespendet werden. Das heißt, die ersten Ansätze wurden ja gemacht. Und mich hat das aber nicht beeinflusst. Also, natürlich hätte ich es lieber in Deutschland gemacht, ich weiß auch, in Österreich ist es mittlerweile, ich meine, seit 2016 erlaubt.

"Kein schlechtes Gewissen"

Kassel: Mhm.
Alexandra: Es gibt ja auch die Samenspende. Also, für mich ist das nicht so ein Riesenunterschied. Und daher hatte ich auch keine Bedenken oder kein schlechtes Gewissen.
Kassel: Das heißt, andersherum empfinden Sie wahrscheinlich das Gesetz, das das in Deutschland verbietet, eher als so eine Art Anti-Frauen-, Anti-Mütter-Gesetz. Also, Sie würden sich vermutlich doch wünschen, dass man das auch bei uns komplett legalisieren würde, oder?
Alexandra: Ja, wobei ich jetzt nicht Anti-Frauen- oder Anti-Mütter-Gesetz sagen würde, ich würde einfach sagen, es ist veraltet, es ist verstaubt. Es wurde verfasst, in eine Schublade gelegt und keiner hat es wieder angepackt. Ich denke, das ist einfach veraltet. Wenn es jetzt überarbeitet werden würde, dann würden bestimmt einige Aspekte auch dafür sprechen, dass man die Eizellspende legalisieren würde auch in Deutschland. Natürlich unter bestimmten Voraussetzungen, das ist klar. Ja, ich denke halt, dass da ganz viele Parallelen auch zur Samenspende zu sehen sind.
Kassel: Gegner der Eizellespende, gerade der anonymen, so wie Sie das ja gemacht haben in Tschechien, die argumentieren ja gerne damit, dass Kinder dann nie in ihrem Leben herausfinden können, wer denn ihre leibliche Mutter war oder woher sie gekommen sind, woher diese Eizelle gekommen ist. Kinder, die zum Beispiel durch Samenspenden entstanden sind oder andere Methoden, oder Adoptivkinder, können das nicht nur, sondern sie haben sogar das Recht dazu. Was halten Sie denn von diesem Argument?
Alexandra: Ja, also, ich bin ganz stark dafür, dass Kinder aufgeklärt werden, und eigentlich auch, dass sie die Möglichkeit haben, nicht die leiblichen Eltern – weil, ich sehe mich als leibliche Mutter –, sondern die genetische Mutter kennenzulernen. Bei der Samenspende war es, soweit ich weiß, damals auch so, dass es anonym möglich war und dass das im Laufe der Jahre jetzt sozusagen gekippt wurde. Und alle, die halt auch damals anonym gespendet haben, die Männer, können sich dahinter nicht verstecken, sondern es ist eben ein Recht, dass man eben das Recht hat zu wissen, wo die Wurzeln sind. Und das würde ich mir eigentlich für die Eizellspende auch wünschen. Und ich habe so ein bisschen die Hoffnung, dass es vielleicht in Tschechien in zehn, 20 Jahren auch Recht ist.

"Die Kinder haben ein Anrecht, später aufgeklärt zu werden"

Kassel: Das heißt, wenn Ihre Kinder – in welchem Alter auch immer, sie sind ja noch sehr klein jetzt –, aber wenn die irgendwann ankämen als Jugendliche, als junge Erwachsene und zu Ihnen sagen würden, eigentlich wüsste ich gerne, wer die Frau ist, von der du diese Eizellen bekommen hast, dann würden Sie das … ob es möglich ist, wird man dann sehen, aber prinzipiell unterstützen, diesen Wunsch?
Alexandra: Natürlich. Wir wollen auch die Kinder aufklären, das war auch ein bisschen der Hintergedanke dieses Blogs. Ich finde es einfach ganz, ganz wichtig, ich finde, die Kinder haben ein Anrecht definitiv darauf. Ich werde auch mit meinem Mann … Im Rahmen der Aufklärung werden wir diese … Wir nennen sie immer Lucy, unsere Spenderin, weil Lucy, dieser Name hat in Tschechien für uns irgendwie auch eine Bedeutung gewonnen. Wir werden auch versuchen, den Kindern das zu erklären, dass es eben eine ganz, ganz nette Frau gab, die uns geholfen hat. Und wenn die das möchten, fahren wir auch mit denen nach Prag und wir zeigen denen die Klinik und wir suchen meinetwegen auch mit denen, selbst wenn wir wissen, es geht nicht. Aber ich würde sie da unterstützen, natürlich.
Kassel: Haben Sie … Ganz ehrlich, Alexandra, haben Sie vor dem Moment, wo Sie Ihren Kindern das erzählen … Also, wir reden jetzt nicht über die Frage, wollen die herausfinden, wer es ist, wir reden nur darüber, Sie klären sie darüber auf, wie sie entstanden sind. Haben Sie vor dem Moment auch ein bisschen Angst? Weil, es kann ja sein, das kann man nicht ausschließen, dass die Ihnen erst mal böse sind, dass die das alles nicht verstehen.

Kinderbücher über Eizellspende

Alexandra: Ja. Also, ich glaube, wenn es wirklich einen Zeitpunkt gibt, wo manche Frauen ihre Kinder aufklären oder auf Väter, dann, kann ich mir vorstellen, kann man Bedenken. Ich denke aber, dass unsere damit aufwachsen werden, also, dass wir von Anfang an, wenn es darum geht, wie macht man Kinder, nicht nur sagen, es gibt Mama und Papa, und wenn die sich liebhaben, dann entsteht ein Kind, sondern … Ich weiß noch nicht, wie wir es machen, aber wir werden jede Frage, die gestellt wird, kindgerecht beantworten und im Hintergrund darauf immer sagen, dass es eben auch andere Möglichkeiten gibt. Wir haben Kinderbücher, ob sie jetzt aus England sind, kann ich nicht sagen, sind auf Englisch auf jeden Fall, über die Eizellspende, und die werden wir lesen, wir werden Kinderbücher zur Adoption oder in Bezug auf Adoptivkinder lesen, einfach dass sie von vornherein wissen: Es gibt ganz, ganz viele Wege und nicht nur diesen einen. Und ich glaube, dann kommt dieser Überraschungseffekt auch gar nicht, sondern dann wachsen die eben damit auf und dann werden sie verstehen, was wir immer erzählt haben.
Kassel: Das ist interessant, die Hoffnung teile ich jetzt regelrecht mit Ihnen, das ist an sich ein relativ logischer Weg, auf den ich erst mal – typisch Mann vermutlich – nicht gekommen wäre. Aber das klingt mir eigentlich relativ einsichtig. Alexandra, ich danke Ihnen für Ihre Zeit und auch überhaupt für die Bereitschaft, so offen mit uns zu reden, und wünsche Ihnen, dass das mit der beschriebenen Methode und überhaupt alles klappt, und dass Sie vor allen Dingen mit Ihrem Partner und Ihren beiden Kindern noch ganz viel Spaß haben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten!
Alexandra: Vielen herzlichen Dank, ich bedanke mich auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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