Mutig nicht nur in der Fantasie

Rezensiert von Lutz Bunk |
In ihrer Anthologie stellen die Hamburger Journalisten Rüdiger Barth und Marc Bielefeld sechs "Wilde Dichter" wie Jack London, Ernest Hemingway und B. Traven vor. Gemeinsam ist allen, dass sie prägende Erlebnisse auf Schiffen hatten.
Sie waren Matrosen, Großwildjäger, Schmuggler, Boxer, Anarchisten, sie sprengten die Ketten der Gesellschaft, und sie waren weltberühmte Schriftsteller. "Wilde Dichter – Die größten Abenteurer der Weltliteratur" haben die Hamburger Journalisten Rüdiger Barth und Marc Bielefeld ihre gerade erschienene Literatur-Anthologie genannt, in der sie sechs Biographien von Schriftstellern vorstellen.

Das Buch geht übersichtlicherweise chronologisch vor. Es beginnt 1819 mit der Geburt von Herman Melville, dem Autor von "Moby Dick", - Melville war vier Jahre lang Matrose, unter anderem auf Walfangschiffen. Gefolgt von Jack London und Stephen Crane, - Letzterer in Deutschland nicht so bekannt, in Amerika hingegen ein Kult-Autor, der schon mit 26 Jahren starb, eine Art James Dean der amerikanischen Literatur.

Der Nächste ist Joseph Conrad, ein polnischer Exilant, der jahrelang zur See fuhr, Kapitän und britischer Staatsbürger wurde, - sein vielleicht bekanntester Roman "Herz der Finsternis" diente als Vorlage für den Vietnam-Antikriegsfilm "Apocalypse now".

Nach Hemingway schließt das Buch 1969 mit dem Tod von B. Traven, jenem geheimnisvollen deutschen Welt-Bestseller-Autor, der sein Leben lang versteckt in Mexiko lebte; unvergessen bleibt sein Roman "Das Totenschiff".

Nun, was aber ist ein "wilder Dichter"? Hemingway war mit Sicherheit ein wilder Dichter, wenn er z.B. einfach Literatur-Kritiker verprügelte. Heißsporne waren auf jeden Fall Jack London und Stephen Crane. Der Deutsche B. Traven war zumindest als junger Mann ein Wilder, sprich ein Anarchist und Revolutionär, - er war 1919 Mitbegründer der Münchner Räterepublik und damit offiziell ein Terrorist und Hochverräter.

Herman Melville und Joseph Conrad waren hingegen durch und durch Gentleman, Conrad als Kapitän und Melville, der nach dem Bestseller ""Moby Dick"" schriftstellerisch unterging und dann als braver Zollbeamter sein Leben fristete.

Mit Sicherheit haben alle, wie es der Untertitel des Buches nennt, zum Teil das erlebt, was wir als Abenteuer bezeichnen. Und gemeinsam ist allen, dass sie entscheidend prägende Erlebnisse auf Schiffen gemacht haben. Und folgerichtig trägt der Prolog zu diesem Buch auch den Titel "Leinen los".

"Wilde Dichter" ist in einer Art Reportage-Stil gehalten, der die journalistische Herkunft der beiden Autoren erkennen lässt. Ihr Hauptziel ist es, spannend zu erzählen, was ihnen auch durchweg sehr gut gelingt, - der Leser erlebt die Biographien der sechs Schriftsteller wie rasant inszenierte Filme.

Manchmal allerdings übertreiben sie es etwas, wenn die Sprache allzu umgangssprachlich wird. Da geht es zum Beispiel auf einer Seite um die Erlebnisse Hemingways als Boxer, und da heißt es dann im Text: Einen Gegner "putzt er weg", einen "kloppt er bewusstlos", einem dritten "poliert er die Fresse" und einen vierten "macht er nieder". Aber Gott sei Dank bleiben das eher Ausrutscher.

Und einen sprachlichen Fehler allerdings sollten die Autoren bitte auf jeden Fall nie wieder machen: Der Plural von Seemann ist nie, aber auch nie Seemänner, sondern Seeleute.

Nichtsdestotrotz ist "Wilde Dichter" ein hervorragendes Sachbuch, in dem es akribisch informiert und Geschichte und Geschichten fasslich und im besten Sinne hochdramatisch und sehr spannend erzählt.