Mut zur Nische
Das Schaulaufen der bekannten Autoren bei den großen Publikumsverlagen ist der alljährliche Alltag auf der Frankfurter Buchmesse. Daneben gibt es aber noch die exotischen Themen, die wagemutigen Kleinverlage und die Druckerzeugnisse der besonderen Art. Ein Rundgang.
Bücher sind nicht nur klug, unterhaltsam oder informativ – sondern auch schön. Im besten Fall zumindest. Wenn sie viele Bilder haben, tolle Fotos, originelle Grafiken. Manchmal reicht es sogar, mit der Hand über den Umschlag zu fahren.
„Das fängt an beim Papier, beim Umschlag, aber vor allem auch die Typografie. Das ist die Fadenheftung, das ist das Lesebändchen, das ist ein anderes Gefühl, so ein Buch in der Hand zu haben als einen E-Reader.“
Mario Früh von der Büchergilde Gutenberg streicht über einen Umschlag; er kann die Schönheit der Literatur spüren.
„Haptik zu erklären ist ja ganz schwierig. Das hat mit Wohlbefinden zu tun. Man nimmt es in die Hand, ohne die einzelnen Details zu reflektieren. Aber es gibt natürlich schon dieses Gefühl, das ist gut gemacht. Bedrucktes Leinen mag ich sehr gern, gerade bei Klassikern. Dadurch erhält es noch einen besonderen Wert, abgesehen davon, dass ich es lesen will.“
Zur Ästhetik von Büchern gab es einen Wettbewerb, die Ergebnisse sind in Halle 4.1. der Messe ausgestellt. Bei einigen dieser „schönsten deutschen Bücher“ sind auch die Titel schön. Schön speziell jedenfalls: „Hoch und platt. Das Vademecum Niederdeutsch“. Oder das grafische Wunderwerk „Die konstruktive Kraft des Nullpunkts“. Besonders fein daran: Die Spalte für eigenhändige Randnotizen des Lesers.
Wer sich in den Randbereichen der Messe umschaut, der entdeckt vielleicht auch dieses komische Gefährt an einem der Stände: einen Vespa-Roller, seltsam aufgemotzt mit An und Umbauten. Daneben sitzt dMatto – so sein Künstlername. Schweizer mit Wohnsitz auf Bali, die Vespa hat er mitgebracht. Sein Bildband dreht sich ausschließlich um dieses Zweitrad.
„Ja, es ist schon ein bisschen ein Risiko.“
Ein ganzer Stand, tapeziert mit einem einzigen Buch – seinem verrückten Werk über das Vespa-Roller-Fahren in Indonesien. Dutzende hochklassige Fotos über die Bastel-Leidenschaft der Balinesen in Sachen Zweirad. Dazu kurze Texte über die jeweiligen Vespa-Schrauber, die Totenköpfe an den Lenkern oder Badewannen als Beiwagen angedübelt haben.
„Mich interessiert auch weniger die Vespa, sondern mehr die Kreatitivität. Und wie dieser Kult entstehen konnte und dass ein italienisches Designprodukt in so einem weit entfernten Land so einen Kult auslösen konnte. Und was die alles draus machen, das sind ja alles Einzelstücke.“
Für Einzelstücke wie dMatto mit seinem Buch „Vespa extrem“ gibt es auf der Frankfurter Buchmesse immer ein Eckchen. Die kleinen, unabhängigen Verlage machen ja gerade die Originalität des deutschen Buchmarkts aus.
Auch Matthes und Seitz ist so ein Verlag. Dessen Chef Andreas Rötzer hat zum Auftakt der Messe mal wieder einen Preis bekommen – für „herausragenden verlegerischen Idealismus und Mut“.
„Für einen Verlag unserer Größe ist wahrscheinlich eher die Nische attraktiv als das große Publikum, das wir allerdings auch anstreben wollen. Aber wirklich rechnen und kalkulieren kann man nur für ein Nischenpublikum. Und für dieses Publikum machen wir auch Bücher (...) aus unserer Perspektive denken, das muss alle interessieren. Ein hervorragendes Buch über eine Insel in der Barentsee, auf 600 Seiten Ethologie, autobiografische Reisebeschreibung, das ist wahrscheinlich etwas speziell, wobei ich denke: Das muss jeder lesen!“
Und wie man sieht, kann Idealismus Früchte tragen: Ein bei Mattes und Seitz erschienenes Buch – „Die Laute“ von Michael Roes – kam dieses Jahr auf die Longlist des deutschen Buchpreises. So eine Nominierung als einer von 20 der besten Romane des Jahres verdoppelt oder verdreifacht mal schnell die Auflage.
Gleich neben Andreas Rötzer hat der Verbrecherverlag sein Lager aufgeschlagen. Dessen Gründer Jörg Sundermeier sieht sich für die Zukunft – vor allem die elektronische – gut gerüstet:
„Diese Umbruchssituation ist für kleine Verlage gar nicht so schlecht ist, weil kleine Verlage wendiger sind. Das gedruckte Buch wird ein Nischenprodukt werden, da kenn ich mich aus. Wir haben es ja auch in der Musikindustrie so, dass die Vinylplatte wieder zurückkommt – in Kombination mit dem Download-Link. Ich glaube, wir Kleinen können da schneller sein. Es gibt tatsächlich ein paar Autoren, die sagen, ich will nicht, dass das als eBook erscheint. Da können sie mit Engelszungen reden, aber dann ist das eben so.“
So müssen wir jetzt also zum Unvermeidlichen kommen: dem eBook. Elektronische Bücher sind in der Regel das Gegenteil von schön – auch wenn der eine oder andere Trendsetter zu seinem iPad bereits libidinöse Beziehungen hergestellt haben mag.
Wenn in den USA jeder dritte Roman schon heute downgeloadet – also nicht mehr als gedrucktes Buch gekauft wird, dann will die Frankfurter Buchmesse bei den Innovationen natürlich dabei sein. Deshalb veranstaltet sie Führungen zu den „Top Spots“ des elektronischen Publizierens. Und auf so einer Tour zu den Tablets und Plattformen kommen wir auch zu Zach Melamed. Der arbeitet bei der Softwareschmiede Total Boox aus Israel, die ein revolutionäres System entwickelt hat, durch das der Leser nur die Seiten eines Buches bezahlen muss, die er wirklich liest.
„Die Leute sollten nicht für etwas bezahlen, das ihnen nicht gefallen hat oder das sie nicht gelesen haben. Wenn sie ein Buch sehen, dann laden Sie es einfach runter. Sie können einfach durchblättern. Und erst wenn sie eine Seite länger als fünf Sekunden betrachten, wird das Bezahlsystem aktiviert. Die Idee ist: Wenn Du nur die Hälfte liest, zahlst Du nur die Hälfte, liest Du nur zehn Prozent, dann zahlst Du nur zehn Prozent.“
Dicke Romane, die seitenlang langweilen – kein Problem mehr, ab sofort zahlt man nur die spannenden Kapitel. Oder Bücher, die man gekauft hat, aber ungelesen ins Regal stellt – diese Geldverschwendung hat endlich ein Ende. Endlich mal ein echter Messetrend. Beste Aussichten also für die Zukunft des Buchs.
„Das fängt an beim Papier, beim Umschlag, aber vor allem auch die Typografie. Das ist die Fadenheftung, das ist das Lesebändchen, das ist ein anderes Gefühl, so ein Buch in der Hand zu haben als einen E-Reader.“
Mario Früh von der Büchergilde Gutenberg streicht über einen Umschlag; er kann die Schönheit der Literatur spüren.
„Haptik zu erklären ist ja ganz schwierig. Das hat mit Wohlbefinden zu tun. Man nimmt es in die Hand, ohne die einzelnen Details zu reflektieren. Aber es gibt natürlich schon dieses Gefühl, das ist gut gemacht. Bedrucktes Leinen mag ich sehr gern, gerade bei Klassikern. Dadurch erhält es noch einen besonderen Wert, abgesehen davon, dass ich es lesen will.“
Zur Ästhetik von Büchern gab es einen Wettbewerb, die Ergebnisse sind in Halle 4.1. der Messe ausgestellt. Bei einigen dieser „schönsten deutschen Bücher“ sind auch die Titel schön. Schön speziell jedenfalls: „Hoch und platt. Das Vademecum Niederdeutsch“. Oder das grafische Wunderwerk „Die konstruktive Kraft des Nullpunkts“. Besonders fein daran: Die Spalte für eigenhändige Randnotizen des Lesers.
Wer sich in den Randbereichen der Messe umschaut, der entdeckt vielleicht auch dieses komische Gefährt an einem der Stände: einen Vespa-Roller, seltsam aufgemotzt mit An und Umbauten. Daneben sitzt dMatto – so sein Künstlername. Schweizer mit Wohnsitz auf Bali, die Vespa hat er mitgebracht. Sein Bildband dreht sich ausschließlich um dieses Zweitrad.
„Ja, es ist schon ein bisschen ein Risiko.“
Ein ganzer Stand, tapeziert mit einem einzigen Buch – seinem verrückten Werk über das Vespa-Roller-Fahren in Indonesien. Dutzende hochklassige Fotos über die Bastel-Leidenschaft der Balinesen in Sachen Zweirad. Dazu kurze Texte über die jeweiligen Vespa-Schrauber, die Totenköpfe an den Lenkern oder Badewannen als Beiwagen angedübelt haben.
„Mich interessiert auch weniger die Vespa, sondern mehr die Kreatitivität. Und wie dieser Kult entstehen konnte und dass ein italienisches Designprodukt in so einem weit entfernten Land so einen Kult auslösen konnte. Und was die alles draus machen, das sind ja alles Einzelstücke.“
Für Einzelstücke wie dMatto mit seinem Buch „Vespa extrem“ gibt es auf der Frankfurter Buchmesse immer ein Eckchen. Die kleinen, unabhängigen Verlage machen ja gerade die Originalität des deutschen Buchmarkts aus.
Auch Matthes und Seitz ist so ein Verlag. Dessen Chef Andreas Rötzer hat zum Auftakt der Messe mal wieder einen Preis bekommen – für „herausragenden verlegerischen Idealismus und Mut“.
„Für einen Verlag unserer Größe ist wahrscheinlich eher die Nische attraktiv als das große Publikum, das wir allerdings auch anstreben wollen. Aber wirklich rechnen und kalkulieren kann man nur für ein Nischenpublikum. Und für dieses Publikum machen wir auch Bücher (...) aus unserer Perspektive denken, das muss alle interessieren. Ein hervorragendes Buch über eine Insel in der Barentsee, auf 600 Seiten Ethologie, autobiografische Reisebeschreibung, das ist wahrscheinlich etwas speziell, wobei ich denke: Das muss jeder lesen!“
Und wie man sieht, kann Idealismus Früchte tragen: Ein bei Mattes und Seitz erschienenes Buch – „Die Laute“ von Michael Roes – kam dieses Jahr auf die Longlist des deutschen Buchpreises. So eine Nominierung als einer von 20 der besten Romane des Jahres verdoppelt oder verdreifacht mal schnell die Auflage.
Gleich neben Andreas Rötzer hat der Verbrecherverlag sein Lager aufgeschlagen. Dessen Gründer Jörg Sundermeier sieht sich für die Zukunft – vor allem die elektronische – gut gerüstet:
„Diese Umbruchssituation ist für kleine Verlage gar nicht so schlecht ist, weil kleine Verlage wendiger sind. Das gedruckte Buch wird ein Nischenprodukt werden, da kenn ich mich aus. Wir haben es ja auch in der Musikindustrie so, dass die Vinylplatte wieder zurückkommt – in Kombination mit dem Download-Link. Ich glaube, wir Kleinen können da schneller sein. Es gibt tatsächlich ein paar Autoren, die sagen, ich will nicht, dass das als eBook erscheint. Da können sie mit Engelszungen reden, aber dann ist das eben so.“
So müssen wir jetzt also zum Unvermeidlichen kommen: dem eBook. Elektronische Bücher sind in der Regel das Gegenteil von schön – auch wenn der eine oder andere Trendsetter zu seinem iPad bereits libidinöse Beziehungen hergestellt haben mag.
Wenn in den USA jeder dritte Roman schon heute downgeloadet – also nicht mehr als gedrucktes Buch gekauft wird, dann will die Frankfurter Buchmesse bei den Innovationen natürlich dabei sein. Deshalb veranstaltet sie Führungen zu den „Top Spots“ des elektronischen Publizierens. Und auf so einer Tour zu den Tablets und Plattformen kommen wir auch zu Zach Melamed. Der arbeitet bei der Softwareschmiede Total Boox aus Israel, die ein revolutionäres System entwickelt hat, durch das der Leser nur die Seiten eines Buches bezahlen muss, die er wirklich liest.
„Die Leute sollten nicht für etwas bezahlen, das ihnen nicht gefallen hat oder das sie nicht gelesen haben. Wenn sie ein Buch sehen, dann laden Sie es einfach runter. Sie können einfach durchblättern. Und erst wenn sie eine Seite länger als fünf Sekunden betrachten, wird das Bezahlsystem aktiviert. Die Idee ist: Wenn Du nur die Hälfte liest, zahlst Du nur die Hälfte, liest Du nur zehn Prozent, dann zahlst Du nur zehn Prozent.“
Dicke Romane, die seitenlang langweilen – kein Problem mehr, ab sofort zahlt man nur die spannenden Kapitel. Oder Bücher, die man gekauft hat, aber ungelesen ins Regal stellt – diese Geldverschwendung hat endlich ein Ende. Endlich mal ein echter Messetrend. Beste Aussichten also für die Zukunft des Buchs.