Muster des gelebten Föderalismus

Von Adolf Stock |
Die Werke des Bildhauers Christian Daniel Rauch fristeten lange Zeit ein trauriges Dasein in Berliner Depots. Seit 2002 wird mit dem Rauch-Museum im nordhessischen Arolsen ein großer Sohn der Stadt gewürdigt, als Ergebnis einer föderalen Kraftanstrengung.
Statuen und Büsten aus Gips. Wer den Marstall betritt, trifft auf Exponate, die lange Zeit in Vergessenheit geraten waren. Es sind die Arbeiten von Christian Daniel Rauch, der 1777 als Sohn eines fürstlichen Lakaien in der kleinen Residenzstadt Arolsen geboren wurde. Rauch wurde Hofbildhauer und ging später nach Potsdam und Berlin.

Spätestens seit dem Sarkophag der Königin Luise von Preußen zählt man ihn zu den besten Bildhauern seiner Zeit: Die Königin scheint sanft zu schlafen; mit äußerster Anmut begegnet Rauch dem Tod. Anfang des 19. Jahrhunderts pilgerten die Menschen zum Mausoleum im Charlottenburger Schlosspark, um das Grab der schlafenden Königin zu sehen.

Birgit Kümmel, Leiterin der Arolser Museen: "Der Bildhauer ist an seinen Geburtsort zurückgekehrt, mit einem Teil seiner Werke. Und das passiert im Marstall, in einer wunderbar geschwungenen Architektur aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, die noch an einer ganz zentralen Stelle liegt, nämlich direkt gegenüber dem barocken Residenzschloss."

Nach seinem Tod 1857 wurde Rauchs Nachlass in Berlin prominent ausgestellt. Später verschwanden die Werkstücke und Skulpturen in dunklen Fluren und Depots, andere wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört oder sind bis heute nicht auffindbar. Im 20. Jahrhundert hatte die Moderne neue künstlerische Maßstäbe gesetzt. Expressionismus und Neue Sachlichkeit beherrschten die Szene. Rauchs Oeuvre gammelte auf der Ost-Berliner Museumsinsel still vor sich hin.

Um das Jahr 2000 war es die hessische FDP-Politikerin Ruth Wagner, die sich dafür zu interessieren begann und gemeinsam mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ein Rauch-Museum in Arolsen auf den Weg brachte. In einer föderalen Kraftanstrengung wurden die Exponate frisch aufpoliert und wieder ausgestellt:

"Dieses Museum hat verschiedene Aspekte. Es ist eine Dokumentation des Lebenswerkes von Christian Daniel Rauch. Und das Zweite ist, dass wir dokumentiert haben - zum ersten Mal - wie der Bund mit einer großen Stiftungseinrichtung und einem Land so gut zusammenarbeiten kann. Plus Privaten und Kommunen, sodass eine neue Kultureinrichtung entsteht. Und ich glaube, das ist ein Muster für gelebten Föderalismus."

Rund 100 Werkstattarbeiten sind in Arolsen zu sehen. Gemeinsam mit Birgit Kümmel hat der Kunsthistoriker Bernhard Maaz das Rauch-Museum konzipiert.

Birgit Kümmel: "Das fängt an mit bildhauerischen Entwürfen, mit Gipsvorstufen bis zum Original-Gipsmodell, mit Werken aus Bronze, aus Marmor, aber auch aus Terrakotta."

Bernhard Maaz: "Das Interesse an Rauch gilt ihm als Person, als Phänomen seiner Zeit, weil er verbindet, was Berliner und preußische Kunstgeschichte einerseits ist und europäische Ausstrahlung andererseits. Die Vielfalt seines Schaffens, vom einfachen Bildnisrelief über die Bildnisbüste bis hin zu Denkmälern und Idealskulpturen, das ist also ein immenser Facettenreichtum, in dem sich die Zeit - die Goethezeit - spiegelt."

So lässt sich beispielsweise die Entstehung des Berliner Reiterstandbilds Friedrich des Großen Schritt für Schritt verfolgen. Darüber hinaus sind Werke von Kollegen und Schülern zu sehen.

Bernhard Maaz: "Am Anfang des Rundgangs steht Gottfried Schadow, Rauchs Lehrer und Meister und auch Antipode. Schadow, der später gesagt hat: 'Mein Ruhm ist in Rauch aufgegangen.' Man sieht die dänische, die deutsche, die Schweizer Kunst. Und es geht darum, dass man einen solchen Bogen durch die Epoche schlägt, die wechselseitigen Bereicherungen und Beflügelungen der Künstler, und wie das im Kunstwerk seine Spuren hinterlassen hat."

Das Christian Daniel Rauch-Museum ist Teil einer eindrucksvollen Museumslandschaft im hessischen Bad Arolsen, auf die Birgit Kümmel mit Stolz verweist:

"Wir haben das Glück, mit unseren Museumshäusern - das sind insgesamt fünf - auch die Architekturgeschichte dieser Stadt abzubilden. Diese Häuser sind nämlich verschiedenen Bewohnern zuzuordnen, die auch verschiedenen sozialen Schichten entstammen. Das ist das Geburtshaus des Bildhauers Rauch, und dann gibt es das typische Handwerkerhaus, in dem die Familie Kaulbach gearbeitet hat. Es gibt ein Beamtenhaus, dort zeigen wir eine stadtgeschichtliche Abteilung, aber natürlich auch Einblicke in das Wirken der Malerfamilie Kaulbach. Und dann gibt es eben den Bereich unserer Wechselausstellungen, und dort stehen uns Räume im Residenzschloss zur Verfügung."

Birgit Kümmel wurde auf Initiative des Arolser Museumsvereins von der Kommune angestellt. Mitglieder des Vereins führen in den Museen ehrenamtlich Aufsicht. In der traditionsreichen Residenzstadt verbindet sich Hochkultur mit Bürgersinn. Die Erfolge sind zu besichtigen, weitab von den Metropolen in der nordhessischen Provinz.

Service:
Das Christian Daniel Rauch-Museum ist Mittwoch bis Samstag von 14:00 bis 17:00 Uhr, Sonntag von 11:00 bis 17:00 Uhr geöffnet.