Muslim-Facebook oder Radikalen-Plattform?

Moderation: Susanne Führer |
Ende Juli soll das soziale Netzwerk Salamworld.com online gehen, viele bezeichnen die Plattform als muslimische Antwort auf Facebook. Doch unsere Expertin Dorothea Jung warnt: Bei den Machern der Seite handelt es sich offenbar um Islamisten.
Susanne Führer: Wenn der Fastenmonat Ramadan zu Ende ist, also Ende Juli, soll eine neue Internetplattform online gehen, salamworld.com. Schon jetzt wird Salamworld als muslimische Antwort auf Facebook bezeichnet, denn die Plattform soll halal sein, also im Einklang mit dem Islam stehen. Bei mir im Studio ist nun meine Kollegin Dorothea Jung. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Islam und Islamismus. Guten Morgen, Frau Jung!

Dorothea Jung: Guten Morgen, Frau Führer!

Führer: Ja, was soll das genau sein, Salamworld? Wo besteht der Unterschied jetzt zum Beispiel jetzt zu Facebook?

Jung: Ich glaube nicht, dass die Betreiber von Salamworld ihr Projekt Facebook für Muslime nennen würden. Denn es soll ja nicht nur ein Netzwerk werden, in dem sich Muslime miteinander austauschen können, sondern Salamworld will ja auch dezidiert religiöse Angebote machen. Auf der Seite können die Muslime dann zwar, wie auf Facebook auch, miteinander chatten und Urlaubsfotos austauschen oder Lieblingsvideos posten oder was weiß ich. Aber sie können noch viel mehr.

Nämlich zum Beispiel: Islamische Bücher downloaden, sie können ihre Sheiks, Mullahs und Hodschas zu religiösen Problemen befragen, sie können sogar einen Fernstudiengang in islamischer Theologie belegen, heißt es. Salamworld will sich also explizit nur und ausschließlich an Muslime wenden, und zwar in elf vornehmlich muslimischen Ländern. Das heißt, es wird Seiten auf Englisch geben, auf Arabisch, auf Türkisch, auf Urdu und so weiter. Die Gemeinschaft aller Muslime weltweit, die Umma der ganzen Welt soll durch diese Plattform die Gelegenheit haben, halal, das heißt islamgemäß miteinander zu kommunizieren.

Führer: Und wer ist der Betreiber von Salamworld?

Jung: Der Geschäftsführer des Projektes ist ein türkischer Muslim namens Abdul-Wached Nijasow, der ganz offensichtlich russische oder kasachische Wurzeln hat. Und angeblich soll das Geld für das Projekt ebenfalls aus Russland kommen. Das heißt, für die ersten drei Jahre ist ein Unternehmensbudget von rund 50 Millionen Dollar vorgesehen, also ganz schön viel Geld. Weil die Seite aber ja noch nicht existiert, muss man ein bisschen vorsichtig sein mit der ideologischen Einordnung. Aber es spricht schon einiges dafür, dass die Macher von Salamworld Islamisten sind. Der Geschäftsführer Nijasow hat zum Beispiel in einem Interview den inzwischen verstorbenen Islamistenführer Necmettin Erbakan als einen weisen Mann bezeichnet, vor dem er großen Respekt habe. Necmettin Erbakan, das war der Begründer der türkischen Milli-Görüş-Bewegung und der war nun wirklich kein liberaler Moslem und er war auch kein lupenreiner Demokrat – das muss man nun wirklich ganz eindeutig sagen.

Und zur Gründungsriege gehört auch Abdurrahman Dilipak, das ist ein Redakteur der islamistischen türkischen Zeitung "Akit", in Deutschland hieß das Blatt "Vakit", und dieses Blatt wurde verboten unter der rot-grünen Regierung damals, weil es extrem islamistisch und erklärt antisemitisch ist. Es scheint aber so zu sein, dass die Gründungsriege von Salamworld großes Vertrauen in der türkischen Medienlandschaft und auch in der offiziellen Erdogan-Nomenklatura genießt, denn es soll auf der Webseite einen News-Dienst geben, der von der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu Agency bestückt wird.

Führer: Nun haben sie mehrere Hinweise auf Islamismus aufgedeckt, Frau Jung, das weiß man jetzt noch nicht, ob das so kommen wird. Ich hab so gedacht, ein eigenes Netzwerk für Muslime, so eine Separation hat ja immer ein doppeltes Gesicht, ja? Wenn wir jetzt mal an Emanzipationsbewegungen denken, also wie die Frauenbewegung zum Beispiel oder die Homosexuellenbewegung, da gab es das ja auch immer. Dann heißt das so Vernetzung und die Stärkung des Selbstbewusstseins, Vernetzung untereinander. Auf der anderen Seite ist natürlich die negative Seite der Medaille ein Abschotten vom Rest der Gesellschaft und ein Separatismus in diesem Sinne. Wie beurteilen Sie das jetzt mit Salamworld?

Jung: Man muss berücksichtigen, wenn man sich das Problem von dieser Seite anguckt, wie Sie es jetzt getan haben, dass die muslimische Welt extrem heterogen ist. Und es ist eine der ganz großen modernen islamistischen Ideen, eine weltumspannende muslimische Umma zu propagieren, die genau diese Unterschiede ausbügelt. Also nationale und ethnische Zuordnungen sollen überwunden werden zugunsten einer islamischen Identität. Und zu dieser Identität gehört dann in aller Regel eine stark antiwestliche Haltung. Der Westen gilt dann als unmoralisch und die muslimische Welt als islamisch rechtgeleitet und fromm.

Und dahinter steckt natürlich ein Menschenbild, wo das Individuum mit seinen ganz unterschiedlichen Persönlichkeitsaspekten keine besonders große Rolle spielt, weil sich der Mensch ja im Wesentlichen über die Religion definiert. Also, es ist ziemlich wahrscheinlich, dass die Macher von Salamworld eine solche Umma-Idee vertreten und das sie hoffen, die Religion möchte doch bitte eine ganz starke identitätsstiftende Kraft entfalten, und eines ist auch klar: Je strenger die Regeln für ein islamgemäßes Leben in Salamworld dann formuliert werden, und je mehr Leute sich den dort propagierten strengen muslimischen Lebensregeln unterwerfen, desto besser lässt sich mit den Usern dieser Plattform dann Politik machen.

Führer: Sagt meine Kollegin Dorothea Jung. Unser Thema ist das muslimische Netzwerk Salamworld. Jetzt gibt es ja in mehreren, in einer ganzen Reihe von muslimischen Ländern eine sehr strenge Internetzensur. Facebook zum Beispiel ist da komplett gesperrt. Kann man dann vielleicht sagen, na gut, dann wenigstens besser so ein Netzwerk als gar keins?

Jung: Die Frage lässt sich heute einfach noch nicht beantworten. Es wird ganz sicher davon abhängen, wie stark das Projekt diese rein religiösen Angebote pushen wird, und wie viel Raum sich die User dann für ihre Kommunikation à la Facebook nehmen können. Man kennt ja die Freiräume von Salamworld noch überhaupt gar nicht. Man weiß halt noch nicht, ob da, in diesem großen, religiösen Zusammenhang genügend Platz ist für den normalen Alltag, also für Spaß, für Mode, für Musik und für Unterhaltung und so was. Also gewissermaßen für die ganzen Inhalte, auf die junge Leute abfahren, selbst wenn sie strenggläubig sind oder strenggläubig sein sollten.

Die Macher haben erklärt, ein wichtiges Motiv für die Entwicklung des Projektes sei gewesen, die muslimische Jugend weltweit vor den allzu freizügigen und unislamischen Angeboten anderer Netzwerke zu schützen, und da wittert der aufgeklärte Zeitgenosse natürlich schon Zensur, religiöse, politische Zensur. Aber man muss einfach abwarten, bis Salamworld da ist.

Führer: Nun gab es ja schon vorher einige Versuche, solche muslimischen Netzwerke zu starten, die sind aber allesamt gescheitert. Was meinen Sie, gibt es denn überhaupt einen Bedarf dafür?

Jung: Schwer zu sagen. Sollte Salamworld funktionieren und ein Erfolg werden und viele User an sich binden können, dann dürften bei rund eineinhalb Milliarden Muslimen weltweit die Profitaussichten für die Macher jedenfalls gar nicht so schlecht sein, denn die Seite will ja auch islamgemäße Produkte anbieten und Pilgerreisen organisieren und so was, und damit lässt sich – jetzt neben muslimisch korrekter Werbung und so etwas, erfahrungsgemäß sehr, sehr, sehr viel Geld machen. Andere Webseiten für Muslime waren mit ähnlichen Konzepten bislang nicht besonders erfolgreich, allerdings hat bislang auch noch keine Plattform, meines Wissens nach jedenfalls, ein derart breites Angebot wie Salamworld im Auge gehabt hat.

Muxlim.com ist zum Beispiel ein Netzwerk, das einigermaßen erfolgreich ist, bislang weltweit das erfolgreichste islamische Onlinenetzwerk für Muslime, und das ist tatsächlich so etwas wie ein islamisches Facebook. Es erleichtert dort einfach den Muslimen, sich mit Gleichgesinnten und Glaubensbrüdern und -schwestern zu vernetzen. Und es gibt auf muxlim.com keine religiöse Zensur und etwa zehn Prozent der User sind Nicht-Muslime, die auf diese Art mit Muslimen in Kontakt treten wollen. Und so offen hört sich das Projekt Salamworld für mich aber nicht an.

Führer: Es gibt ja, also Sie haben es gerade gesagt, also muxlim.com, es gibt ja in Deutschland auch eine ganze Reihe von anderen Projekten – die sind aber mehr, also auch Frauenzeitschriften zum Beispiel und so – die sind ja aber mehr getragen eben von diesen Gedanken: Wir leben in dieser Gesellschaft hier und mischen uns hier ein und machen auch die Gesellschaft mit unseren Anliegen vertraut. Also das wäre dann eine andere Haltung, meinen Sie.

Jung: Richtig.

Führer: Sagt Dorothea Jung über Salamworld, das geplante muslimische Netzwerk. Danke für Ihren Besuch, Frau Jung.

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