Musizieren ohne Leistungsdruck
Eichwalde ist eine Gemeinde im Landkreis Dahme-Spreewald. Thomas Merfort hat dort vor elf Jahren einen Chor gegründet. Die Idee, den Singkreis „Dahme-Chor“ zu nennen, haben die fünfzehn Gründungsmitglieder schnell fallen lassen. Gegen „Mehr Forte“ sprach nichts.
Ankommen, Jacken ausziehen, Stühle aufstellen: eine Sache von fünf Minuten. Blitzschnell haben die rund vierzig Chormitglieder die geräumige Alte Feuerwache in ihren Raum verwandelt. Paul Jetschmann zieht die Haube des Flügels ab und schließt das Keyboard an:
„Ich spiel hier seit – ich glaub‘ jetzt mittlerweile zwei Jahren im Chor Klavier. Thomas hat mich irgendwann mal gefragt, ob ich als fester Chorpianist kommen will, ich war am Anfang noch ein bisschen skeptisch, weil ich ja doch noch relativ jung bin, aber es hat ganz gut geklappt. Jetzt bin ich sozusagen fest mit eingeplant.“
Paul ist neunzehn und beginnt im Oktober ein Medizinstudium in Berlin. Johanna Erdmann, die aus Jena nach Eichwalde zurückgezogen ist und nun als angehende Musiklehrerin am benachbarten Humboldt-Gymnasium unterrichtet, dirigiert das Einsingen. Auch Thomas Merfort arbeitet als Musiklehrer an einer Schule in Eichwalde. Wie kam er auf die Idee, den Chor „Mehr forte“ zu gründen?
„Wahrscheinlich ein sublimiertes Trauma. Ich hatte an der Hochschule Gesangsunterricht, der grottenschlecht war. Ich komme so eher aus der Zupfmusik, und wenn man einmal anfängt, so vokal zu arbeiten, dann hat man als Chorleiter sehr viel mehr Möglichkeiten. Die Klänge sind größer, es ist nicht so abgehackt und so’ne Wechselwirkung gewesen zwischen Ausprobieren und Spaßmachen, und irgendwann entdeckt man die Liebe zur vokalen Musik.“
Der 47-Jährige greift zur Gitarre und fordert den Chor auf, Beethovens Lied „Signor Abate“ zu singen. Der Kanon soll die Stimmen noch etwas geschmeidiger machen:
„Signor Abate, io sono ammolato! Santo Padre vieni e datemi la benedizione! Hol Sie der Teufel, wenn Sie nicht kommen!“
Johanna Erdmann singt im Sopran – in der ersten Reihe, wenn der Chor beim jährlichen Rosenfest in Eichwalde und an einem der Adventssonntage auftritt. Gern würde sie wieder die Partnergemeinde Osno besuchen, gemeinsam mit polnischen Choristen singen, feiern und sich austauschen:
„Wir bereiten uns vor allen Dingen darauf vor, dass wir das Ganze auswendig singen, was für die meisten ein großer Aufwand ist, viele gucken halt in die Noten, und wenn sie wissen, wir müssen es auswendig singen, dann wird‘s schon manchmal knirsch, aber sie kriegen es meistens alle hin.“
Thomas Merfort: „Einmal abgähnen, ok, Ihr Lieben, sinner you know, einmal im Sitzen mit Noten und dann wird’s ernst. Das Ding muss ein bisschen nach vorn getrieben werden.“
Jakob Erdmann sitzt bei den Tenören. Er ist 31 und arbeitet als Wissenschaftler beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof. Heute werden ein Gospel und eine Motette von Johann Sebastian Bach geprobt. Was hält er von der Auswahl?
„Zum Thema der Mitbestimmung bei der Liederwahl möchte ich nur die Anfangszeile eines von uns geschätzten Liedes zitieren: ‚Chorleitung ist Diktatur!‘. Nichtsdestotrotz bin ich sehr zufrieden hier im Chor und habe auch den Eindruck, dass das Repertoire kaum besser sein könnte.“
Die Stimmung bei „Mehr Forte“ wirkt sehr entspannt. Wer nicht im Kirchenchor in Eichwalde oder den größeren Nachbargemeinden Zeuthen und Schulzendorf mitsingen will, der kommt hierher. Auffällig viele junge Männer gehören zum Chor.
Thomas Merfort: „Die kennen sich auch untereinander ganz gut durch die Chorfahrten und dann ist das jetzt inzwischen so eine inoffizielle Kontaktbörse, und manchmal hat man den Eindruck, es ist mehr eine Psychogruppe als ein Chor, aber das bleibt alles in der richtigen Richtung, ja.
Dieses Stück ‚Jesu, meine Freude‘ ist eins, das der Chor sehr liebt. Das haben wir, glaube ich schon fünf oder sechs Jahre im Repertoire. Am Anfang große Widerstände, inzwischen ist es eines der Lieblingsstücke, die Männer beklagen sich manchmal, dass sie immer nur „ba“ und „dum“ und „zick“ zu singen haben, und bei Bach tut sich eben was.“
Der Chor „Mehr Forte“ gehört nicht zum Deutschen Chorverband und auch zu keiner anderen Institution. Frei miteinander musizieren zu können, ohne jeden Leistungsdruck, das ist es, was 48 Frauen und Männer, Woche für Woche abends in der Alten Feuerwache genießen – auch Benno Bretag, der als Anästhesist und Notfallmediziner einen aufreibenden Beruf hat:
„Die meisten unserer Mitglieder sind im Beruf so eingespannt, dass der Wettbewerb, den wir dort erleben, schon groß genug ist und wir sind eigentlich sehr zufrieden, dass wir den Chor als Ausgleich benutzen können. Wenn man so viel übt, wie wir’s tun, dann will man sich auch irgendwann mal präsentieren, aber man möchte dort nicht unbedingt jemanden anders ausstechen oder überboten werden. Das liegt uns nicht, weil: Das haben wir im Beruf jeden Tag.“
„Ich spiel hier seit – ich glaub‘ jetzt mittlerweile zwei Jahren im Chor Klavier. Thomas hat mich irgendwann mal gefragt, ob ich als fester Chorpianist kommen will, ich war am Anfang noch ein bisschen skeptisch, weil ich ja doch noch relativ jung bin, aber es hat ganz gut geklappt. Jetzt bin ich sozusagen fest mit eingeplant.“
Paul ist neunzehn und beginnt im Oktober ein Medizinstudium in Berlin. Johanna Erdmann, die aus Jena nach Eichwalde zurückgezogen ist und nun als angehende Musiklehrerin am benachbarten Humboldt-Gymnasium unterrichtet, dirigiert das Einsingen. Auch Thomas Merfort arbeitet als Musiklehrer an einer Schule in Eichwalde. Wie kam er auf die Idee, den Chor „Mehr forte“ zu gründen?
„Wahrscheinlich ein sublimiertes Trauma. Ich hatte an der Hochschule Gesangsunterricht, der grottenschlecht war. Ich komme so eher aus der Zupfmusik, und wenn man einmal anfängt, so vokal zu arbeiten, dann hat man als Chorleiter sehr viel mehr Möglichkeiten. Die Klänge sind größer, es ist nicht so abgehackt und so’ne Wechselwirkung gewesen zwischen Ausprobieren und Spaßmachen, und irgendwann entdeckt man die Liebe zur vokalen Musik.“
Der 47-Jährige greift zur Gitarre und fordert den Chor auf, Beethovens Lied „Signor Abate“ zu singen. Der Kanon soll die Stimmen noch etwas geschmeidiger machen:
„Signor Abate, io sono ammolato! Santo Padre vieni e datemi la benedizione! Hol Sie der Teufel, wenn Sie nicht kommen!“
Johanna Erdmann singt im Sopran – in der ersten Reihe, wenn der Chor beim jährlichen Rosenfest in Eichwalde und an einem der Adventssonntage auftritt. Gern würde sie wieder die Partnergemeinde Osno besuchen, gemeinsam mit polnischen Choristen singen, feiern und sich austauschen:
„Wir bereiten uns vor allen Dingen darauf vor, dass wir das Ganze auswendig singen, was für die meisten ein großer Aufwand ist, viele gucken halt in die Noten, und wenn sie wissen, wir müssen es auswendig singen, dann wird‘s schon manchmal knirsch, aber sie kriegen es meistens alle hin.“
Thomas Merfort: „Einmal abgähnen, ok, Ihr Lieben, sinner you know, einmal im Sitzen mit Noten und dann wird’s ernst. Das Ding muss ein bisschen nach vorn getrieben werden.“
Jakob Erdmann sitzt bei den Tenören. Er ist 31 und arbeitet als Wissenschaftler beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof. Heute werden ein Gospel und eine Motette von Johann Sebastian Bach geprobt. Was hält er von der Auswahl?
„Zum Thema der Mitbestimmung bei der Liederwahl möchte ich nur die Anfangszeile eines von uns geschätzten Liedes zitieren: ‚Chorleitung ist Diktatur!‘. Nichtsdestotrotz bin ich sehr zufrieden hier im Chor und habe auch den Eindruck, dass das Repertoire kaum besser sein könnte.“
Die Stimmung bei „Mehr Forte“ wirkt sehr entspannt. Wer nicht im Kirchenchor in Eichwalde oder den größeren Nachbargemeinden Zeuthen und Schulzendorf mitsingen will, der kommt hierher. Auffällig viele junge Männer gehören zum Chor.
Thomas Merfort: „Die kennen sich auch untereinander ganz gut durch die Chorfahrten und dann ist das jetzt inzwischen so eine inoffizielle Kontaktbörse, und manchmal hat man den Eindruck, es ist mehr eine Psychogruppe als ein Chor, aber das bleibt alles in der richtigen Richtung, ja.
Dieses Stück ‚Jesu, meine Freude‘ ist eins, das der Chor sehr liebt. Das haben wir, glaube ich schon fünf oder sechs Jahre im Repertoire. Am Anfang große Widerstände, inzwischen ist es eines der Lieblingsstücke, die Männer beklagen sich manchmal, dass sie immer nur „ba“ und „dum“ und „zick“ zu singen haben, und bei Bach tut sich eben was.“
Der Chor „Mehr Forte“ gehört nicht zum Deutschen Chorverband und auch zu keiner anderen Institution. Frei miteinander musizieren zu können, ohne jeden Leistungsdruck, das ist es, was 48 Frauen und Männer, Woche für Woche abends in der Alten Feuerwache genießen – auch Benno Bretag, der als Anästhesist und Notfallmediziner einen aufreibenden Beruf hat:
„Die meisten unserer Mitglieder sind im Beruf so eingespannt, dass der Wettbewerb, den wir dort erleben, schon groß genug ist und wir sind eigentlich sehr zufrieden, dass wir den Chor als Ausgleich benutzen können. Wenn man so viel übt, wie wir’s tun, dann will man sich auch irgendwann mal präsentieren, aber man möchte dort nicht unbedingt jemanden anders ausstechen oder überboten werden. Das liegt uns nicht, weil: Das haben wir im Beruf jeden Tag.“