Musiktheater

Wir sind belauscht mit Ohr und Blick

Probe mit Orchester und Chor zu Ludwig van Beethovens Freiheitsoper "Fidelio" im Innenhof der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus des Vereines Menschenrechtszentrum
© dpa / picture alliance / Patrick Pleul
Von Frederik Hanssen · 28.06.2014
Bis 1989 waren im Zuchthaus Cottbus vor allem politische Häftlinge untergebracht. Heute ist der Ort eine Gedenkstätte − das Staatstheater Cottbus führt hier mit großem Aufwand Beethovens Freiheitsoper "Fidelio" auf.
Dieser Ort berührt unmittelbar: In einem ruhigen Wohngebiet, etwas außerhalb des Stadtzentrums von Cottbus, liegt das ehemalige Zuchthaus der Stadt. Seit 1860 wurden hier Verurteilte interniert, besonders perfide aber war die Nutzung zu DDR-Zeiten: Da wurde der Knast nämlich als Devisenbeschaffungsanstalt genutzt. Hierher brachte man vor allem politische Gefangene, um sie dann von der Bundesrepublik "freikaufen" zu lassen. Rund 100.000 D-Mark zahlte der Westen pro Kopf, ein einträgliches Geschäft für den Arbeiter- und Bauernstaat.
2007 haben ehemalige Häftlinge einen Verein gegründet, 2011 das 22.000 Quadratmeter große Areal erworben und zu einer Gedenkstätte umgebaut. Eine wahrlich außergewöhnliche Aktion des bürgerschaftlichen Engagements. Um öffentliche Aufmerksamkeit für ihr privat getragenes Menschenrechtszentrum zu erringen, veranstaltet der Verein dieser Tage ein großes "Freiheits- und Demokratiefest", dessen Höhepunkt die Inszenierung von Beethovens "Fidelio" unter freiem Himmel im Innenhof der Gefängnisanlage darstellt.
Kooperationspartner ist dabei das Staatstheater Cottbus, die letzte Bühne Brandenburgs, die noch über eine eigene Musiktheatersparte verfügt. Intendant Martin Schüler zeigt das Revolutionsdrama als allgemeingültige Parabel, verzichtet bewusst darauf, eindeutige Anspielungen auf die DDR-Zeit einzubauen. Seine Häftlinge tragen helle Kleidung, die Insassen vor 1989 mussten graue Uniformen anziehen, mit dicken gelben Streifen an der Seite – die sie sofort als Häftlinge kenntlich machten, sollte ihnen die Flucht gelingen. Wenn der Chor singt "Sprecht leise, haltet euch zurück, wir sind belauscht mit Ohr und Blick", sieht man bei Martin Schüler keine Stasi-Schergen umherschleichen. Es ist vielmehr Leonore, die durch die Reihen geht, in der Hoffnung, ihren Florestan zu finden.
Abgesehen von Craig Bermingham (Florestan) und Miriam Gordon-Steward (Leonore) können alle Rollen aus dem Cottbuser Ensemble besetzt werden, das hier einmal mehr sein hohes Niveau unter Beweis stellt, ebenso wie das Philharmonische Orchester des Staatstheaters, das unter der Leitung seines Chefdirigenten Evan Christ mitreißend musiziert. Erstaunlich klar und textverständlich überträgt die Tonanlage, die extra für diese Aufführungsserie installiert wurde, alle Sängerstimmen. Bis 12. Juli wird "Fidelio" sieben Mal über die Freiluftbühne gehen, an jedem Abend stehen 1.000 Sitzplätze zur Verfügung.
Informationen des Staatstheaters Cottbus zur Inszenierung von "Fidelio"
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