Musikfestspiele Potsdam Sanssouci

Den Tanz hören

Eine Szene aus der Produktion "Pygmalion" bei den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci 2016
Eine Szene aus der Produktion "Pygmalion" bei den Musikfestspielen Potsdam Sanssouci 2016 © Stefan Gloede/Musikfestspiele Potsdam Sanssouci
13.08.2016
Typisch "französisch" ist, wenn man Körperbewegungen in der Musik mit den Ohren spüren kann! "Les Talens lyriques" aus Versailles haben in Potsdam unter dem Titel "Pygmalion" ein überaus tanzbares Programm geboten.
Barocke höfische Bühnenmusik war in Frankreich von enormer Delikatesse. Ihre Hochblüte erlebte sie in der Regierungszeit des Sonnenkönigs. Er, der mehrere Stunden am Tag für das Tanztraining reservierte, initiierte die Sonderstellung, die der Tanz in den Bühnenwerken einnahm. Kein anderes europäisches Land ist derart stark auf den artifiziellen Tanz, auf das Ballett fixiert wie Frankreich. Oft wird sogar auf Dramatik und verwirrende Handlungsstränge bewusst verzichtet. Es sind die Franzosen, die oft mit dem Zusatz "lyrique" zu einem Bühnenstück anzeigen, dass auf der Bühne eigentlich nicht viel passiert, so in der opéra lyrique oder konkret auch bei "Les Caractères lyriques" von Louis-Nicolas Clérambault.
Der choreographierte Tanz zu einer Musik ist dann das Wesentliche, worauf man damals, bei Hofe sein Augenmerk richtete. Tanz ist die Seele des französischen barocken Musiktheaters, Tanzbarkeit ist die Richtschnur des Musizierens. Zu schnelle oder zu langsame Tempi, Metrenwechsel oder satztechnische Formate - sie leiten sich von der Tanzbarkeit der Musik her. Der Abend im Potsdamer Hans-Otto-Theater mit Werken von Clérambault, Rebel und Rameau war eine Verbeugung an die Tanzleidenschaft unserer französischen Nachbarn. Im Radio kann man zwar die Choreographie des Dargebotenen nicht sehen, aber man spürt in der Anmutung der Musik, dass die Ballett-Choreographie das musikalische Geschehen bestimmt. Man hört, dass zur Musik getanzt worden ist. Ein überaus französischer Abend, subtil dargeboten von einem Team aus Versaille, zu dessen Kern das von Christophe Rousset gegründete und geleitete Spitzenorchester "Les Talens Lyriques" gehört. Auch das Ensemble trägt also den Zusatz "lyriques" in seinem Namen.
Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci
Hans-Otto-Theater Potsdam
Aufzeichnung vom 25. Juni 2016
Louis-Nicolas Clérambault
"La Muse de l’Opéra ou Les Caractères lyriques"
Jean-Féry Rebel
"Les Caractères de la Danse", Symphonie chorégraphique
Jean-Philippe Rameau
"Pygmalion", Acte de ballet
La Muse de l’Opéra und Céphise - Chantal Santon-Jeffery, Sopran
La Statue - Magali Arnault-Stanczak, Sopran
L’Amour - Jodie Devos, Sopran
Volk, Nymphen - Vocalconsort Berlin
Les Talens Lyriques
Leitung: Christophe Rousset