Musikfestspiele Potsdam Sanssouci

Vokalensemble Graindelavoix
Vokalensemble Graindelavoix © Charlie de Keersmaecker
26.06.2014
Der mediterrane Raum war schon immer ein Kreuzpunkt der Welten. Von Phöniziern bis Byzantinern, von Spaniern über Türken und Italiener: Sie alle haben die Mittelmeerregion mit ihren Kulturen, Religionen und Musikstilen geprägt. Und bis heute treffen politische Brennpunkte und das besondere Flair von Azurblau und Oliven, von Inseln und Orangen eng aufeinander.
2014 feiert Potsdam 60 Jahre Musikfestspiele in den Schlössern und Gärten von Sanssouci. Die Römischen Bäder, der Sizilianische Garten oder das Marmorpalais im Neuen Garten erzählen von Potsdams Traum vom Süden. 1786 ernannte der Preußische König Friedrich Wilhelm II. Luigi Boccherini zum "compositeur de notre chambre" und schuf so eine klingende Verbindung zwischen Lucca, Madrid und Potsdam.
Die Musikfestspiele Potsdam Sanssouci lassen in mehr als 60 Konzerten, Opern, Open Airs oder dem Fahrradkonzert die Sibyllen und Sirenen gemeinsam singen über das Meer als Wiege der Kulturen, von den Antiken bis zum Arabischen Frühling, von Tarantellen bis Rembetiko. Dabei verwandelt sich die Orangerie Sanssouci in den Garten der Hesperiden und die Potsdamer Freundschaftsinsel in ein wahrhaftiges Kythera, genauso wie Watteau es gemalt hat. Das Mittelmeer fasziniert!
Das aufsehenerregende Vokalensemble Graindelavoix erforscht am 20. Juni in der Friedenskirche unter dem Thema "Palermo 1140" die sakrale Gesangswelt der Capella Palatina.
Wer die Palastkapelle der normannischen Könige Siziliens betritt, wird schier geblendet von goldfunkelnder byzantinischer Mosaikenpracht, über ihm aber wölbt sich aus üppigem Schnitzwerk ein arabischer Himmel. Umkämpfter Mittelpunkt des Mittelmeers, wo sich alle Wege kreuzten, wurde Sizilien unter wechselnden Herren zum Sammelbecken und Schmelztiegel der Kulturen. In seiner Palastkapelle machte König Roger II. die Koexistenz der Religionen zum Programm und schuf ein Gotteshaus, in dem lateinischer und byzantinischer Ritus ebenso ihren Ort hatten wie der Islam der Fatimiden oder der tunesischen Sufis.
Die versunkene Klangwelt der Capella Palatina um 1140 wiederzugewinnen und singend zu vergegenwärtigen, ist ein ambitioniertes Projekt. Mit Graindelavoix ist dazu eines der aufregendsten Vokalensembles angetreten, die man derzeit erleben kann - der kernige, erdhafte, ungezähmte Sound markanter Stimmen geht unter die Haut.
Friedenskirche
Aufzeichnung vom 20.06.2014
Palermo 1140
Geistliche Gesangstradition der Cappella Palatina
Griechische Anrufungen an Roger II., ital.-griech. Gesang (Messina Ms. 161)
Laudes regiæ, normannisch-sizilianischer Gesang (Madrid Ms. 288)
Anrufungen an den Imam-Kalifen, fatimidische Tradition (Al-mu'ayyad Al-Shirazi, Kairo 12. Jahrhundert)
Kirchweihe: Die Gründung der Capella Palatina
Pax eterna ab eterno patre, normannisch-sizilianischer Gesang (Madrid Ms. 289)
Kyrie igapisa euprepeian, ital.-griech. Gesang (Grottaferrata I, VI, VII)
Ja kiblata 'Lhaki / Ka'ba Ja Bit Rabbi, fatimidische Tradition / tunesischer Sufi-Gesang (Al-mu'ayyad Al-Shirazi, Kairo 12. Jahrhundert)
u.a.m.
Vokalensemble Graindelavoix
Leitung: Björn Schmelzer