Musikfestival in Göteborg

Konzerte ohne Männer

Vor der Bühne des "Statement Festivals" in Göteborg stehen ausschliesslich Frauen.
Besucherinnen des "Statement Festivals" in Göteborg. © picture alliance / DPR
Mo Loschelder im Gespräch mit Axel Rahmlow · 01.09.2018
Das "Statement Festival" in Göteborg beschreibt die DJ Mo Loschelder eigentlich als eine gute Sache. Sie würde allerdings eher auf Frauenquoten im Festival-Line-up, als auf den Ausschluss von Männern setzen.
Axel Rahmlow: In Göteborg findet ein Festival statt, bei dem die allermeisten Männer draußen bleiben müssen. Es soll ein Statement sein, es heißt "Statement Festival", gegen sexuelle Gewalt und gegen Vergewaltigungen. Carsten Schmiester fasst erst einmal zusammen, worum es den Initiatorinnen geht.
O-Ton: Das Festival heißt nicht nur Statement, es ist auch eines. Eine Absage an männliche, sexuelle Gewalt und eine Reaktion auf bekanntgewordene Vergewaltigungen und sexuelle Belästigungen von Frauen bei früheren Festivals in Schweden. Eines musste nach 23 entsprechenden Straftaten im vergangenen Jahr sogar vorzeitig abgebrochen werden. Beim "Statement 2018" soll es solche Zwischenfälle nicht geben, deshalb sind Cis-Männer ausdrücklich nicht willkommen. Gemeint sind Männer mit einer klar männlichen Geschlechtsidentität. Männer, die beim Festival arbeiten oder die Künstler begleiten, können sich auf dem Gelände nicht frei bewegen. Zwar seien nicht alle Männer Vergewaltiger, hatten die Veranstalterinnen um die schwedische Radiomoderatorin Emma Knyckare zur teils heftigen Kritik am Festival nur für Frauen und Transgender-Besucher gesagt, aber so gut wie alle Vergewaltigungen, auch bei Großveranstaltungen, würden von Männern begangen. Knyckare hat innerhalb eines Jahres dieses Festival mit fast ausschließlich schwedischen Künstlerinnen organisiert, das Startkapital von umgerechnet etwa 50.000 Euro hatten um die 3000 Unterstützer zur Verfügung gestellt. Noch einmal 20.000 Euro gab es vom staatlichen Kulturrat, obwohl sieben Männer beim Büro des schwedischen Antidiskriminierungsombudsmanns Beschwerde eingelegt hatten. Die angekündigte Prüfung des Nur-für-Frauen-Konzepts habe aber noch nicht begonnen, hieß es kurz vor dem Start des Festivals. Ob in Göteborg also Männer diskriminiert werden oder nicht, das wird offiziell erst festgestellt, wenn alles vorbei ist.

Es braucht Plattformen für Musikerinnen

Rahmlow: Aber die Diskussion darüber gibt es natürlich schon und ich habe vor der Sendung mit Mo Loschelder gesprochen. Sie ist unter anderem DJ, sie betreut selber Künstlerinnen und Künstler, sie ist Mitinitiatorin des Festivals "Heroines of Sound". Das ist ein Festival für elektronische Musik, wo es darum geht, das Werk von Künstlerinnen zu präsentieren. Männer sind dort erlaubt. Ich habe Sie aber zuerst gefragt, ob denn das Ausladen von Männern für sie auch eine Option wäre.
Mo Loschelder: Ich persönlich bin der Meinung, dass man eigentlich eine Quote bräuchte, aber auf jeden Fall, dass eben auch so ein Festival wie "Heroines of Sound" seine Berechtigung hat. Also das heißt, dass man Plattformen braucht, wo Frauen, also Musikerinnen präsentiert werden, weil das einfach ansonsten zu wenig gemacht wird. Aber ich bin auf jeden Fall sehr daran interessiert, dass diese Frauen nicht nur vor Frauen präsentiert werden, sondern dass natürlich auch die Männer das mitbekommen, was Frauen so machen.
Rahmlow: Über diese Quote, die Sie gerade angesprochen haben, möchte ich gleich gerne noch mal etwas detaillierter sprechen, aber vorher, wenn ich das richtig verstanden habe: Sie sind also skeptisch, dass dieses Konzept etwas bringt, dass es eine Veränderung herbeibringen kann?

Geschlechter sollten zusammenarbeiten

Loschelder: Also dieses Festival heißt ja Statement und als Statement finde ich das erst mal okay. Ich muss auch sagen, diese massiven auch Vergewaltigungen und überhaupt sexuelle Belästigungen, die es gerade in Schweden auf diesen Festivals gab, das habe ich selber in keinem Zusammenhang bisher erlebt. Ich bewege mich da auch in anderen Zusammenhängen, also das heißt, kleinere Festivals. Beziehungsweise, ich bin auch beim "Roskilde Festival" gewesen in Dänemark, was auch recht groß ist – ich habe solche Erfahrungen nicht gemacht, aber ich habe das natürlich in der Presse alles mitbekommen, deswegen als Statement erst mal finde ich es okay, aber generell als Konzept finde ich es eher daneben.
Rahmlow: Warum? Daneben ist ja ein starkes Wort.
Loschelder: Ich meine, wenn es darum geht, eine gleichberechtigte Gesellschaft zu erschaffen, dann kann das nur funktionieren, wenn alle Geschlechter, also halt in jeder Form von Geschlecht miteinander an die Sache herangehen. Deswegen fände ich es falsch, wenn ein Geschlecht ausgeschlossen wird aus einem gesellschaftlichen Forum von Vorneherein erst mal verkehrt.
Rahmlow: Was wäre denn eine bessere Möglichkeit, um Vergewaltigungen auf Festivals zu verhindern oder auch generell in der Clubkultur dem etwas entgegenzusetzen?

Line-up mit Frauenquote

Loschelder: Dieses "Statement Festival" ist schon eine Reaktion auf eine ganz konkrete Anzahl von Vorfällen, die es im letzten Jahr – oder wahrscheinlich auch die Jahre davor – in Schweden gegeben hat, ich weiß es nicht. Mir geht es eher um die Unterrepräsentanz von Frauen auf Festivals und deswegen würde ich halt vorschlagen, dass diese gesellschaftliche Umwandlung, die dafür nötig ist, eingeleitet wird durch eine Quotenregelung. Und zwar tatsächlich von einfach offizieller Seite, denn die meisten Festivals erhalten ja überall auf der Welt staatliche Förderungen, das heißt, es werden Steuergelder verwendet, um das Line-up zu finanzieren. Und da die Steuergelder auch von Frauen gezahlt werden, bin ich dafür, dass – bis das sozusagen Normalität geworden ist –, dass eine Quote eingeführt wird.
Rahmlow: Aber eine Quote an Künstlerinnen zum Beispiel, glaube Sie, das verändert etwas an dem Bewusstsein von Männern, die auf Festivals gehen und Ärger machen?
Loschelder: Ja, das glaube ich!
Rahmlow: Warum?

Es wird besser

Loschelder: Auf jeden Fall. Wie gesagt, ich kuratiere ja selber dieses "Heroines of Sound"-Festival mit und habe auch schon vorher ein Festival mit kuratiert, das aus dem Netzwerk "female pressure" entstanden ist. Und bei allen Festivals dieser Art gibt es auf jeden Fall bisher, kann man sagen, mindestens also fifty fifty an Männern und Frauen, die als Besucher dahin kommen. Und ich würde auch sagen, es gibt durch verschiedenste Debatten, also auch durch die #metoo-Debatte noch mal angeregt, eh schon Bestrebungen von den Festivals, sich diesen Schuh nicht anhängen zu lassen, dass sie jetzt überhaupt keine Frauen repräsentieren. Das heißt also, ich sehe schon, dass da Schritt für Schritt eine leichte Verbesserung eintritt, das ist jedenfalls mein optimistischer Glaube.
Rahmlow: Mo Loschelder, sie ist DJ, unter anderem auch selber Initiatorin des Festivals "Heroines of Sound", und wir haben mit ihr über das "Statement Festival" in Göteborg gesprochen. Herzlichen Dank für das Gespräch!
Loschelder: Ja, ich danke auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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