Musikerin Peaches an der Volksbühne

Die Pop-Ikone feiert sich und den Sex

08:37 Minuten
Peaches lehnt sich in einem bunten Sommer-Outfit weit zurück und betätigt einen Wasserschlauch.
Peaches hat den sexpositiven Feminismus auf den Konzertbühnen dieser Welt salonfähig gemacht. © Magda Wosinska
Moderation: Mathias Mauersberger · 27.12.2019
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Peaches feiert ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum an der Volksbühne Berlin. „Ich habe Dinge vor, die ich auf Tour nicht machen kann“, sagt sie über das Spektakel „There's only one peach with the hole in the middle“ mit Musikern, Tänzern und Akrobaten.
Mathias Mauersberger: Im Jahr 2000 veröffentlichte die kanadische Musikerin Merrill Nisker ihr erstes Album unter dem Pseudonym Peaches und überraschte mit einer Mischung aus Electro, Punk und Sprechgesang – als Electro-Clash wurde dieser Stil auch bezeichnet. Bemerkenswert waren aber vor allem die Texte und das Auftreten von Peaches: Sie trat gerne mit blondem Irokesen-Schnitt und in rosa Hotpants auf – rappte so leger wie ihre männlichen Kollegen und sang von Sexualität in allen Facetten.
Seit 20 Jahren steht die Kanadierin jetzt auf der Bühne und das sehr erfolgreich: Mit Pink oder Iggy Pop hat Peaches zusammengearbeitet, die Oper "Jesus Christ Superstar" als One-Woman-Show inszeniert. Ab morgen bis einschließlich Dienstag wird Peaches ihr 20-jähriges Bühnenjubiläum feiern, mit dem Programm "There’s only one peach with the hole in the Middle", kurz: "The Oops Show". Wie unterscheidet sich dieses Programm von einem regulären Peaches-Konzert?
Peaches: Ich habe Dinge vor, die ich auf Tour sonst nicht machen kann. Zunächst einmal wären da die zwölf Musikerinnen und Musiker, darunter Horn-, Sausophon-, Theremin- und Geigenspieler. Natürlich wird es auch Schlagzeug, Gitarren und Electronica geben.
Dazu kommen noch zwei Tanzgruppen, die einzig und allein für diesen Auftritt ins Leben gerufen worden sind. Die eine Gruppe ist eine New-Orleans-Tanzgruppe, deren Mitglieder ich vor zwei Jahren in eben dieser Stadt kennengelernt habe. Die Tänzer und Tänzerinnen haben sich den Namen "NOLA Kinfolk" gegeben. Sie haben Choreografien einstudiert, stark energetisch aufgeladene Tänze, die von der Stadt New Orleans inspiriert sind. Diese Gruppe umfasst sechs Leute. Die zweite Tanzgruppe heißt Clusterfuck, ihre Choreografien sind menschlichen Skulpturen nachempfunden. Neun Leute.

Also: Zwölf Musikerinnen und Musiker, dazu 15 Tänzerinnen und Tänzer – so viele könnte ich kaum mit auf Tour nehmen. Zusätzlich wird es noch weitere Gäste geben: die Luftakrobatin Empress Stah. Und Anita Drink führt durch den Abend.
Peaches auf der Bühne in Hamburg in einem Kostüm des Avantgarde-Hair- und Fashion-Designers Charlie Le Mindu.
Im aktuellen Stück schafft Peaches ein futuristisches Bühnenhappening mit fast 40 Performerinnen und Performern. © Lydia Daniller

"Ich mache nichts, was ich nicht tun will"

Mauersberger: Also eine riesige, bunte Show. Im offiziellen Pressetext ist ja auch von einem futuristischen Bühnen-Happening die Rede, dann aber auch von der Inspiration durch Varieté-Shows der 70er-Jahre, von Ikonen wie Bette Midler und Liza Minelli. Natürlich wird es aber auch ganz viel um Musik gehen. "There is only one Peach with a hole in the middle" – das ist ja eine Textzeile aus ihrem Debütalbum, Peaches, aus dem Jahr 2000. Gibt es da im Rückblick eigentlich Songs, um die Sie heute lieber einen Bogen machen? Die Sie vielleicht gar nicht so gerne spielen möchten?
Peaches: Ich mache nichts, was ich nicht tun will. Songs, die ich nicht spielen möchte, spielen ich einfach nicht. Und das muss ich auch nicht. Denn ich habe ja fünf Alben, aus denen ich wählen kann. Ich werde insgesamt 25 Songs präsentieren. Die Arrangements für diese Stücke sind wirklich gelungen. Das habe ich Tif Lamson aus New Orleans zu verdanken, mit der ich vor zwei Jahren schon zusammengearbeitet habe. Aus Synth-Wave-Sounds sind Streicher- und Horn-Sätze geworden. Nein, ich habe nichts gegen meine alten Songs, auch meine bekannteren Stücke wie "Fuck The Pain Away" oder "Boys Wanna Be Her" spiele ich immer noch gerne. Diesen Songs habe ich viel zu verdanken.
Mauersberger: Ab morgen werden Sie also live zu sehen sein, vier Abende am Stück mit Ihrer Jubiläums-Show, Peaches. Und das Ganze findet ja nicht in einem Club statt, sondern in einem Theater, in einem sehr geschichtsträchtigen Theater, der Volksbühne Berlin. Sie selbst haben eine große Liebe zum Theater. Sie wollten vor Ihrer Musikerkarriere auch mal am Theater arbeiten, als Theaterregisseurin. Sie haben in diesem Jahr in Stuttgart am Schauspielhaus mitgewirkt an einem Stück nach Kurt Weill. Passt Peaches 2019 vielleicht sogar besser ins Theater als in einen Club?
Peaches: Peaches kann sich wunderbar ihrer Umgebung anpassen. Ich bin, wie ich bin, und kann mich auf ganz unterschiedliche Weisen zeigen, ohne dass es unglaubwürdig wird. Die Hole-Show ist diesen Sommer im Rahmen des Sommerfestivals auf Kampnagel, diesem Hamburger Kulturzentrum, entstanden. Dazu gehörte eine Kunstausstellung, für die ich mit einem 14-Kanal-Soundsystem gearbeitet habe. Auch Lichtarbeiten gehörten dazu, 14 Installationen. Auch das ist Peaches. Aber auch in Clubs trete ich immer noch auf. Ich bin da nicht auf ein bestimmtes Format festgelegt.

Wir müssen unseren Körper akzeptieren

Mauersberger: Sie haben selbst mal gesagt, Ihre Mission sei es, den Leuten zu mehr Selbstakzeptanz zu verhelfen, dazu, sich im eigenen Körper wohlzufühlen. Es geht viel um Sex, um Sexualität in Ihren Texten. Auch darum, gewisse Geschlechterklischees, Rollenbilder, Schönheitsideale zu hinterfragen. Wird das auch Thema des Stücks jetzt in der Berliner Volksbühne sein?
Peaches: Definitiv. Es geht um alles, wofür ich stehe. Und ich glaube, das geht über den Feminismus hinaus. Das große Thema meiner Arbeit ist, dass sich die Leute in ihrer eigenen Haut wohlfühlen. Das ist das Beste und Wichtigste, das man für sich selbst erreichen kann. Es ist nicht immer einfach, dahin zu kommen. Uns Menschen wird beigebracht, mit unseren Körpern unzufrieden zu sein. Ständig ist da das Gefühl, dass wir uns an Normen anpassen oder irgendwie verbessern müssten. Aber das stimmt nicht! Wir müssen unseren Körper akzeptieren, unsere Sexualität. Das ist mein Hauptanliegen.

Über die Toleranz hinausgehen

Mauersberger: Nun habe ich das Gefühl, wenn man heutzutage auf die Poplandschaft schaut, dann gibt es doch einige Sänger und Sängerinnen, die sich als queer bezeichnen, selbst Janelle Monáe zum Beispiel, sehr erfolgreiche R'n'B-Sängerin, die kein Problem damit hat, zu sagen, dass sie lesbisch ist oder bisexuell ist. Frank Ocean. Es gibt eine ganze Reihe von avancierten Popkünstler und Popkünstlerinnen, die sich als queer bezeichnen. Eine Dragqueen hat 2014 den Eurovision Song Contest gewonnen. Gegen wen oder was rebellieren Sie denn heute im Gegensatz zum Jahr 2000, als Sie angefangen haben?
Peaches: Ich will einfach, dass sich die Leute in ihren Körpern wohlfühlen. Dass Queerness heutzutage "toleriert" wird ... Toleranz – das ist doch ein negatives Wort in diesem Zusammenhang, oder? Als würde man mich bitten, Heteronormativität zu tolerieren, das Patriarchat zu tolerieren. Der Punkt ist doch: Wir müssen über die Toleranz hinausgehen. Es ist doch bescheuert, dass wir überhaupt darüber reden müssen. Aber ich bin nicht naiv. Ich weiß auch, dass wir in Sachen Queerness durchaus Schritte in die richtige Richtung machen.
Aber es gibt auch einen großen Backlash. Ich verstehe einfach nicht, weshalb Menschen nicht einfach Menschen für das, was sie nun mal sind, akzeptieren können. Ich weiß nicht, warum viele Menschen sich immer noch nach an der patriarchalen Machtverteilung festhalten, die einfach keinen Sinn ergibt, die nur für Angst sorgt.

Peaches: "There's only one peach with the hole in the middle"28., 29., 30.12.2019 an der Berliner Volksbühne

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