Musiker und Frisör

Von Tim Schauen |
Seine erste Band hieß „Skagen“, nun hat er mit ein paar Freunden „HardOn“ gegründet. Ihre ElektroRapTechnoPunk-Musik gibt es kostenlos zum Download im Internet bei Myspace. Daneben wird Michael Ahlmeyer in der Kölner Südstadt seinen ersten Frisörladen eröffnen. Dort will er mit ökologischen Produkten arbeiten und Strom und Wasser sparen.
" So alleine Schlagzeugspielen ist dann auch n bisschen langweilig auf Dauer. "

Zumal, wenn man in Niedersachsen auf dem Land aufwächst. Sein Schlagzeug bekommt Michael Ahlmeyer mit fünf Jahren, hat Unterricht bis er 14 ist. Eine Band muss schleunigst her, dann noch eine. Denn:

" Ganz lange hab ich den Traum gehabt, Rockstar zu werden. Wenn man aus ner kleinen Stadt kommt, und da groß wird, und vielleicht auch n Außenseiter ist, ja ganz klassisch wie im Bilderbuch, dann ist das auch so'n Weg, um da'n bisschen rauszukommen, eigentlich war immer der große Traum, auf die großen Bühnen der Welt zu kommen mit der Musik und ‚n ganz aufregendes Leben zu führen. "

2005 scheint sein Traum wahr zu werden. Da ist er 22.

" Ich hab mit meiner letzten Band, „Skagen“ hießen die, ne Platte rausgebracht, und das war irgendwie so'n Schritt, einen Traum zu verwirklichen. "

Skagen, wie die Stadt in Dänemark. Ahlmeyers Mutter ist Dänin, deswegen nennt er sich zu dieser Zeit auch Mikael. 2005 steht die Platte in den Läden, geht vielleicht 500 Mal über die Theke, schätzt er. Das ist gar nicht so wenig, aber nicht genug für große Bühnen. Der Traum mit „Skagen“ war 2006 zuende.

Mikael heißt heute wieder Michael, im April wird er 25. Im Wohnzimmer seiner Kölner Wohngemeinschaft stehen riesige Boxen. Die Wand rechts knallrot, die linke tiefblau. In der Ecke Gitarrenkoffer, ein Synthesizer, das Mikrostativ. Überall im Zimmer Frisörutensilien, Scheren, Kämme, Shampooflaschen. Dazwischen sitzt Michael Ahlmeyer auf dem Ledersofa und dreht sich eine Zigarette:

" Ja, ich steh gerade kurz vor der Existenzgründung meines kleinen Frisörsalons, in der Kölner Südstadt würde ich das gerne machen, und da gibt’s ja viel zu regeln. "

Die Musik soll nur noch Hobby sein, das Friseurhandwerk ist seine Berufung. Das hat er für sich klar, und folgt dennoch beiden Familientraditionen. Der Vater ist Musiklehrer, die Großeltern hatten einen Frisörsalon. Der schmale Mann mit der blondierten pseudonachlässigen Wuschelfrisur kaut auf dem Ring in der Unterlippe, schaut ernst.

" Ich möchte in meinem Frisörsalon viel Wert auf ökologische Produkte setzen, ich möchte Strom sparen, ich möchte Wasser sparen, all das, was andere Frisöre nicht machen. "

Im vergangenen Dezember besteht Michael Ahlmeyer seine Meisterprüfungen, jetzt sucht er ein Ladenlokal – und macht nebenbei Musik, natürlich, das geht gar nicht anders.

" Also die Steffi, auch T!T genannt, (lacht) ist Frisörin auch, irgendwann waren wir mal auf nem Konzert von „Peaches“ und haben uns überlegt, yeah, so was wollen wir auch machen. "

Das ist der Startschuss zum Projekt „HardOn“, fast ein Jahr ist das her.

" Ich kann halbwegs Klavier spielen, bisschen Bass spielen, was man halt so kann, wenn man Gitarre spielen kann, es reicht halt, um irgendwelche Parts einzuspielen, wenn ich am Computer arbeite.“

Die Einflüsse kommen aus vielen Richtungen, und so entsteht in diesem Kölner Wohnzimmer ElektroRapTechnoPunk, oder so. „HardOn“ ist reines Homerecording. Alle vier Mitglieder texten und singen, aber Ahlmeyer ist der Macher, das Hirn. Er frickelt die Songs am Laptop zusammen und stellt sie bei Myspace ins Netz: Slash hardonmusik mit K und mit der freundlichen Aufforderung zum Gratisdownload: „Don’t buy, just dance!“ 5500 verlinkte Freunde, über 37.000 Mal wurden die Songs von „HardOn“ angeklickt. Obwohl es bis jetzt nur fünf gibt.
" Bei „HardOn“ isses eigentlich so, dass wir Charaktere geschaffen haben, die uns selber n bisschen karikieren. Wir sind T!T, Dick und Ass – und Gingahead. (…) Ja, es ist auch so, dass wir halt auch in den Texten uns selber n bisschen auf die Schippe nehmen und aber auch versteckte Phantasien, wir uns einfach erlauben, das in der Musik auszuleben, ohne Einschränkung, ohne Zensur.“

Die internationale Partyszene könnte die neue große Bühne werden für die vier „HardOns“ – wenn sie nur wollten.

" Also die Leute fragen uns nach Konzerten, und zwar nicht nur hier in Deutschland sondern in ganz Europa. Wir hätten jetzt schon 30, 40 Konzerte haben können in dem halbem Jahr, das ging halt einfach aus beruflichen Gründen nicht. "

Das, sagt der Frisörmeister, hätte er früher anders gemacht.

" Ich war früher ganz anders, was das angeht, ich hab mein ganzes Leben, mein Aussehen, all das nach Musik definiert, und ausgerichtet, und das ist nicht mehr so. Vielleicht ist es aber auch ganz normal, wenn man älter wird, weiß ich nicht. Aber meine Helden früher waren „Tocotronic“ mit den schönen Frisuren und den Trainingsjacken, Cordhosen, Adidasturnschuhe, so was gibt’s heute ja nicht mehr. "

Früher, das ist für ihn vielleicht fünf Jahre her. Heute sind die Prioritäten anders, Michael Ahlmeyer ist da seriöser Geschäftsmann, trennt Beruf und Privates, hat keine Helden mehr, na ja vielleicht Ryan Adams.

" Mein Freund, der ist auch dabei, das ist „Ass“ (lacht), der hat gar keinen musikalischen Background, der kommt eher aus der schauspielerischen Ecke. Also die Gingahead ist Ethnologin. Aber das ist ja genau die Mischung, die „HardOn“ ausmacht. "

Beim ersten Auftritt, Anfang November in Köln, waren die 100 Leute im engen TsunamiClub ziemlich begeistert. Am 23. Februar geht es in Bielefeld weiter, am 19. April in Berlin. Danach in der Schweiz, dann wieder in Köln.
" Unser größter Hit, ist, äh, da muss ich mal kurz überlegen, aber beim Publikum unser größter Hit ist eigentlich „Locomotion“ gewesen.“

Im April will Michael Ahlmeyer seinen Salon eröffnen, in der Kölner Südstadt. „HardOn“ gibt es weiterhin im Internet. Nicht kaufen, nur tanzen!

Service:
Neben den Songs zum Anhören und Herunterladen sowie den aktuellen Auftritten gibt es unter myspace.com/hardonmusik auch ein atmosphärisches Video vom ersten Auftritt der Band in Köln.