Musiker im Bilde

Von Sven-Claude Bettinger |
Im Brüsseler Palais des Beaux-Arts illustrieren Ölgemälde, Zeichnungen und Kupferstiche die intensive Beschäftigung des französischen Rokoko-Malers Antoine Watteau mit der Musik seiner Zeit. Der Cembalist und Dirigent William Christie wählte die Begleitmusik zu den Kunstwerken aus.
Das Besondere der Ausstellung ist die Mitwirkung des franko-amerikanischen Cembalisten und Dirigenten William Christie, der als Co-Kurator fungiert und mit seinem Ensemble "Les Arts florissants" Musiken aufgenommen hat, die perfekt zu den Kunstwerken zu passen scheinen. Darüber hinaus gestaltete William Christie auch das musikalische Rahmenprogramm der Ausstellung mit. Die Idee, zum ersten Mal Watteaus Verhältnis zur Musik zu illustrieren, stammt allerdings von der französischen Kunsthistorikerin Florence Raymond:

"Sein Verhältnis zur Musik bleibt recht mysteriös. Auf einem Drittel aller Werke Watteaus sind Musiker oder Musikinstrumente zu sehen. Das ist enorm, kommt in der Kunst sehr selten vor und ist dadurch sehr charakteristisch für ihn. Darüber hinaus rühmen alle Zeitgenossen Watteaus feines Gespür für die Musik."

Dem ist William Christie nachgegangen:

"Neben der pompösen Kunst, die den Monarchen verherrlicht, gibt es eine stillere Kunst. Sie dreht sich um Sensibilität und Intimität. Ihr absoluter Meister ist Couperin. Er hat nie eine Oper komponiert, aber seine Cembalo-Stücke zählen zu den monumentalsten Werken der französischen Kunst. Dabei handelt es sich um Miniaturen, die das Grandiose verbergen. Genau das tut auch Watteau."

Die ersten Säle gehen auf die starken Kontraste in Watteaus Œuvre ein. Da hängen markante Kupferstiche nach seinen Gemälden, etwa "Die galante Gesellschaft". Mehrere Liebespaare lauschen einem kokett posierenden, leidenschaftlich spielenden Gitarristen, einige lasziv, andere innig verschlungen, manche bereits auf dem Weg zu einem vermutlich intimeren Ort.

"La gamme d'amour" bringt die intensive Bindung zwischen einem Gitarristen und einer jungen Dame zum Ausdruck. Während er schon die Saiten zupft, studiert sie ihren Gesangspart.

Eine rätselhafte Stimmung vermittelt hingegen "Das Quartett", eines der schönsten Gemälde der Ausstellung. Zwei lebhafte junge Damen scheinen einen Harlekin aufzufordern, auf der Gitarre zu spielen, die über seinem Rücken baumelt. Ein junger Mann, der neben ihnen sitzt, blickt vage auf den seltsam erstarrten Musikanten, der dem Betrachter den Rücken zuwendet. Bilder wie diese schätzt William Christie besonders:

"Wenn ich Couperin spiele oder Watteau betrachte, spüre ich jedes Mal Melancholie, eine Art von Überdruss, alles bereits mitgemacht und gesehen zu haben, vermischt mit einer unbestimmten Nostalgie. Das bleibt allerdings, bei Couperin wie bei Watteau, recht mysteriös. Das bewundere ich sehr. Möglicherweise deshalb spricht Watteau uns heute noch an."

Der mittlere Teil der Ausstellung ist enzyklopädisch konzipiert. Ein Saal zeigt in Vitrinen um ein Barock-Cembalo Partituren der italienischen und französischen Komponisten des frühen 18. Jahrhunderts und Originalinstrumente, von der Piccoloflöte über Lauten und Gamben bis zu Dudelsack oder Leierkasten. In einem weiteren Saal sind Watteaus hinreißende Zeichnungen von Musikern zu sehen. Kein Instrument, keine Körperhaltung ist ihm entgangen.

"Watteau interessierte sich für alle Musiker seiner Zeit. Er war ungemein offen, brachte allen sichtbar viel Empathie entgegen. So zeigt er Musiker, die bei Hofe oder im Salon seines reichen Gönners Pierre Crozat spielen. Aber genauso gut zeichnet er die einfachen Straßenmusikanten."

William Christie sieht hier noch etwas anderes:

"Watteaus Zeichnungen wirken auf mich melodisch. Wenn ich diese fließenden Linien des Strichs betrachte, dann sehe ich eine melodische Kurve vor mir. Das ist minimalistisch - wie bei Couperin, der übrigens ein hervorragendes Auge hatte."

Der letzte Saal geht auf Watteaus starke Wirkung nach seinem frühen Tod ein. Die besten Kupferstecher des 18. Jahrhunderts verbreiteten seine Werke. Sein luftiger, verspielter Rokoko-Stil, in dem er sogar Cembali verzierte, wird von jüngeren Künstlern begeistert aufgenommen. Hier und da malen sie auch Musiker.

Service:

Die Ausstellung Antoine Watteau: Die Musikstunde ist vom 8. Februar bis 12. Mai 2013 im Brüsseler Palais des Beaux-Arts zu sehen.
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