Musikalische Rundumversorgung

Von Bettina Ritter |
58 Jungen und Mädchen singen bei den "Primanern", einem der Chöre am musikorientierten Georg-Friedrich-Händel-Gymnasium. Sie strafen alle die Lügen, die im Chor zu sein für eine verstaubte Angelegenheit halten: Chormusik ist cool.
Jan Olberg sitzt auf einem kleinen Podest vor einem Halbkreis von Jungen und Mädchen des Berliner Händel-Gymnasiums. Der 47-Jährige trägt ein besticktes, weißes Hemd, unter seinen lockigen blonden Haaren haben sich an den Schläfen kleine Schweißperlen gebildet. Olberg ist studierter Dirigent und leitet den Chor "Die Primaner" seit dessen Gründung vor 15 Jahren.

"Die Besonderheit ist wirklich: junge Stimmen. Die Männer sind drei, vier Jahre raus aus dem Stimmbruch, und finden sich dort in ihrer neuen Stimme erst zurecht. Es ist eine kleine Pflanze, die gerade aufblüht."

Johanna: "Ich singe seit der fünften Klasse unter Herrn Olberg und ich bin eigentlich nichts anderes gewöhnt, und ich finde seine lustige Art sehr gut. Die Proben sind immer sehr unterhaltsam, er erzählt zwar immer die gleichen Geschichten, und gerade das ist wahrscheinlich das Lustige, dass man immer so denkt: Früher hat er das schon erzählt. Ja, seine Art ist sehr gut bei den Vorproben."

Johanna Zefenik ist eine der 58 Sängerinnen und Sänger der Primaner. Sie ist 18 Jahre alt und wird bald das Abitur machen. Dann muss sie den Chor verlassen. Auf diese Weise verliert Jan Olberg jedes Jahr 40 bis 50 Prozent seines Ensembles. Aber für Nachschub ist gesorgt: In der musikorientierten Händel-Oberschule findet alle sechs Monate ein Vorsingen statt. Dann hört auch Vera Zweininger zu. Die Fachbereichsleiterin für Musik ist die Co-Dirigentin der Primaner und sitzt bei den Proben am Klavier:

"Das zeichnet ja die Händel-Schule aus, dass alle Schülerinnen und Schüler dieser Schule, wenn sie hierher kommen und Schüler werden, sich verpflichten, in einem unserer Ensembles zu musizieren, sei es ein Chor, sei es ein Orchester oder die Folklore-Gruppe "Shikamana". Und das garantiert eine gewisse Stabilität in der Arbeit und befähigt uns, auf hohem Niveau zu musizieren."

Zwei Mal in der Woche gibt es Proben, dazu Stimmbildung und Musikunterricht. Den Sängerinnen und Sängern der Primaner wird eine musikalische Rundumversorgung geboten. Kein Wunder, dass viele nachher Gesang oder Musik studieren.

Jan Olberg: "Es gibt viele Männer bei uns, die sich in der Schulzeit zusammengefunden haben in kleinen Gruppen zu musizieren, in Boygroups sag ich mal, und mittlerweile recht bekannt sind wie 'MuSix', eine fantastische Gruppe, oder 'Vokalverkehr', 'Fade Five' – alles Gruppen, die mittlerweile in Deutschland bekannt sind und zu denen wir noch ganz viel Kontakt haben."

Marie Lerch: "Wenn beim Konzert alles stimmt, dann ist das Primaner-Feeling da, und dann fühlen wir uns wie eine Einheit, eine Masse. Dann läuft es richtig gut, dann macht es Spaß.

Wenn wir auf Fahrten sind, setzen wir uns abends manchmal zusammen ohne Chorleiter und singen für uns unsere schnulzigen Popsongs. Und dann bin ich immer richtig ergriffen, dann sind wir auch alle den Tränen nahe bei manchen Stücken."

Das Primaner-Feeling, das kommt oft zur Sprache, wenn die Sängerinnen und Sänger vom Chor-Alltag erzählen. Auch Vera Zweininger kennt es. Man spüre es sofort, wenn man den Raum betrete:

"Das geht mit dem Chor-Klang los, der ganz besonders ist für die Primaner. Ich kann Ihnen nicht sagen, woher er kommt. Ich bin nur sehr froh darüber, dass es ihn gibt. Das geht über eine gewisse Art der Disziplin bis hin zu einem gewissen Auftreten der Schüler uns gegenüber, das ist ein sehr freundschaftliches Miteinander. Und das alles zusammen erzeugt vielleicht eben dieses Primaner-Feeling, von dem die Schüler gesprochen haben."

Die Primaner hält es nie lange in Berlin. In ihrer 15 Jahre dauernden Karriere haben sie schon viele Reisen zu Chorfestivals unternommen. Unter anderem in die USA, nach Korea, Ungarn, Tschechien, Österreich und zuletzt nach Israel. Oft haben sie den ersten oder zweiten Platz bei den Wettbewerben belegt. Das seien natürlich besondere Höhepunkte, meint Chorleiter Jan Olberg. Das beständig Schöne sei aber der Chor-Alltag mit Proben und Singen:

"Es gibt so einen schönen Kanon, der immer Bestand hat: 'Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder.' Ich glaube, dieser Ansatz aus Vielem: Der Gemeinschaft, dass man in der Zeit, in der man oftmals doch sehr allein ist, gerne sucht, etwas Gemeinsames zu machen, bis dazu, dass man seine Seele gern streicheln möchte. Mit Musik."

Zum Thema:
"Die Primaner" treten beim Vokalfest Chor@Berlin" target="_blank" href="http://www.deutscher-chorverband.de/index.php?page=chor-berlin" class="click-tracking-paragraph" data-tracking="{"name":"Link in Beitrag","chapter1":"http://www.deutscher-chorverband.de/index.php?page=chor-berlin","chapter2":"Chor@Berlin","chapter3":"Musikalische Rundumversorgung","level2":1}">Chor@Berlin im Berliner Radialsystem auf. Zusammen mit acht anderen Chören geben sie am Freitag, den 14. Januar 2011 ab 19 Uhr einen Überblick über die Vielfalt der besten Berliner Chöre.

Immer mehr Menschen in Deutschland singen im Chor. In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft deutscher Chorverbände (ADC) stellt Deutschlandradio Kultur jeden Freitag um 10:50 Uhr im Profil Laienchöre aus der ganzen Republik vor: Im "Chor der Woche" sollen nicht die großen, bekannten Chöre im Vordergrund stehen, sondern die Vielfalt der "normalen" Chöre in allen Teilen unseres Landes: mit Sängern und Sängerinnen jeden Alters, mit allen Variationen des Repertoires, ob geistlich oder weltlich, ob klassisch oder Pop, Gospel oder Jazz und in jeder Formation und Größe.