Musikalische Gedichte

Der dritte Gedichtband des schottische Lyrikers Don Paterson ist jetzt auf deutsch erschienen. Die Verweigerung aller literaturkritschen Schubladen macht dem Dichter darin offenkundiges Vergnügen. Und er betreibt sie konsequent, in einem ständigen Wechsel des Tons, mit Anspielungen, geläufigen Zitaten und Redewendungen, die in einem unerwarteten Kontext aufblitzen wie beleuchtete Wegmarken.
Mit "Weiß wie der Mond" liegt nun ein weiteres Buch von Don Paterson auf Deutsch vor. Unter dem Titel "Landing Light" erschien es 2003 in Großbritannien als dritter Gedichtband des Schotten und erhielt prompt zwei wichtige Literaturpreise.

Don Paterson ist nicht nur Lyriker, sondern auch Jazzmusiker, Übersetzer von – unter anderen – Rilke, Herausgeber und Dozent an einer Universität in Schottland. Seine Lyrik hat einen sehr eigenen Ton, der zwischen sehr britischer Ironie und bildungsträchtiger Ehrfurcht, zwischen hocheleganter sprachlicher Akuratesse und jäher Schnoddrigkeit oszilliert.

In dem poetologischen Gedicht "Ein sprechendes Buch" heißt es:

""Aber faule Säcke,/ die Gedichte in Konserven stecken,/ etikettiert mit Ah!, Hahaha! Oder Hmmm .../ die scheren sich besser gleich davon"."

Diese ein wenig kokette Verweigerung aller literaturkritschen Schubladen macht dem Dichter offenkundiges Vergnügen, und er betreibt sie konsequent, in einem ständigen Wechsel des Tons, mit Anspielungen, geläufigen Zitaten und Redewendungen, die in einem unerwarteten Kontext aufblitzen wie beleuchtete Wegmarken.

Es gebe kein Ich, das der Rede wert sei, heißt es einmal in radikaler Absage an die Subjektivität eines lyrischen Ichs. Dennoch gibt es dieses Ich bei Paterson, aber es wandelt sich ständig; es ist also keines, das unwidersprochen bleibt. Und es wird auch nicht durchweg ernst genommen. Patersons lyrische Ichs neigen zu Gelächter, aber nicht zu jener Art von Lächerlichkeit, die durch das Pompöse entsteht. Das Spiel mit Erfahrungen und Prozessen in vielen dieser Gedichte ist niemals pompös, sondern oft unterhaltsam und witzig - immer wieder überraschend.

Zum Teil sind es die Anklänge an die Paradoxa des Zen-Buddhismus und die kalkulierten Brüche in Stimme und Ton, die diesen Überraschungseffekt erzeugen; hauptsächlich aber ist es die unbestreitbare Unverwechselbarkeit dieses Dichters.

Ein solches Werk ist unendlich schwer zu übersetzen. Da ist zum Beispiel die Rede von der Dichtung als "Kompromiss zwischen der Vision und ihrem irdischen Ausdruck, der glücklichen Ehe zwischen Rose und Wurm".

In der Übersetzung von Henning Ahrends heißen diese Verse ein wenig anders: da reimt sich "Vision und Menschentum" mit "Rose und Wurm", so dass es im Deutschen schöner klingt, musikalischer. Das ist entspricht Patersons Gedichten, die sehr von ihrem Klang bestimmt sind, streng rhythmisch, in exaktem Versmaß und mit - meist unreinen - Reimen gebaut. In der Übersetzung geht zwangsläufig ein Teil der sprachlichen Prägnanz bei der Anpassung an die Form verloren. Es war also eine kluge Entscheidung des Verlags, diesen überaus vielschichtigen Band zweisprachig erscheinen zu lassen. So hat man, angesichts der stilvoll gelungenen Übersetzung, als Leser beinahe ein doppeltes Vergnügen daran.

Rezensiert von Katharina Döbler


Don Paterson: Weiß wie der Mond. Gedichte
Zweisprachige Ausgabe. Originaltitel: Landing Light.
Aus dem Englischen von Henning Ahrens.
Luchterhand Verlag, München 2006, 176 Seiten, 16 Euro