Musikalische europäische Union
Regisseur Julian Benedikt scheint dem Jazz verfallen: Nach den Dokumentarfilmen "Blue Note" und "Jazz seen" geht er nun in "Play your own thing" der Entwicklung des europäischen Jazz nach dem II. Weltkrieg nach. Der Film ist eine Reise zu Ursprüngen, Anfängen und Wandlungen dieser Musik in Europa und begleitet bekannte Musiker und Künstler aus den verschiedenen europäischen Ländern.
"Der Jazz, Amerikas Geschenk an die Welt. Seiner Herkunft nach afro-amerikanisch, ist diese Geschichte der Musik sehr eng mit Europa verbunden. New Orleans ist um 1900 ein Schmelztiegel amerikanischer, afrikanischer, aber auch europäischer Kultur: Blue Notes, Synkopen, Improvisation. ... Zwei Weltkriege später ist der Jazz in Europa angekommen."
Und als Kunst anerkannt. Seine Botschaft: "Play your own thing"! Spiel deine eigene Sache! Entwickle dich! Drücke aus, was nur du zu sagen hast! Julian Benedikt hat gerade diesen Titel für seinen Film gewählt, da fast alle Jazzmusiker damit beginnen, sich an Charlie Parker zu orientieren, seine Stücke zu spielen, ihn zu kopieren. Das gilt zwar auch für die Amerikaner. Aber die Europäer haben sich besonders lange von Charlie Parker und Co gefangen nehmen lassen: von Dizzy Gillespie, Louis Armstrong, Dave Brubeck, Duke Ellington, John Coltrane und natürlich auch Ella Fitzgerald, wie Coco Schumann beschreibt.
"Und in meinem Laden waren ja auch immer ganz viele Amerikaner, die immer hinkamen und auch mitspielten. Und Ella war bekannt dafür, dass sie nicht eingestiegen ist. Und dann kam meine Königin, die Schuld hatte, dass ich Musiker geworden bin. Kam die rein und setzte sich an den Tisch. Und stand auf einmal auf und kam zu mir und sagt: 'Coco, you mind if I sing a song with you?' Ich bin beinahe vom Stuhl gefallen."
Abgesehen von Django Reinhardt, der bereits in den 30er Jahren eine anerkannte Größe in der Pariser Jazzszene war, fixierten sich die meisten Europäer lange auf ihre amerikanischen Kollegen. Besonders die GIs bringen nach dem II. Weltkrieg den Jazz in die Clubs der Alten Welt.
Erst mit dem Free Jazz entwickelte sich dann in den 60er Jahren eine eigene europäische Jazzkultur. Julian Benedikt schildert diese Entwicklung detailliert. Er zeigt Paris, Berlin und Kopenhagen in der Nachkriegszeit, montiert Konzertmitschnitte und Studioaufnahmen miteinander und lässt seine Protagonisten erzählen: Albert Mangelsdorff und Palle Mikkelborg, Juliette Greco und Jan Gabarek, Tomasz Stanko oder Gianluigi Trovesi.
In jedem Moment des Films ist nicht nur die Hingabe der Künstler zu spüren, sondern auch die des Filmemachers. Denn eigentlich wäre Julian Benedikt selbst gern Jazz-Musiker geworden. 1963 wurde der Regisseur in der Nähe von Rosenheim geboren. In den 80er Jahren schloss er in Paris ein Deutsch-Französisches Magister ab und arbeitete auch als Schauspieler. Für den TV-Sender "Arte" drehte er dann einige Fernsehbeiträge und schließlich einen Film über den Schlagzeuger Chico Hamilton. Dieses Porträt wurde dann zu einer Art Eintrittskarte zu vielen anderen Jazz-Größen.
Julian Benedikt: "Ich hätte Max Roach nie für ein Interview gekriegt in dem 'Blue Note' Film und genauso Santana. Santana, weiß ich noch heute, die wollten richtig Kohle haben. Und ich wusste, dass Santana Chico Hamilton Fan ist. Bin mal kurz während des Essens zu ihm in die Kantine gegangen. Habe ich gesagt: 'Tschuldige, wollte nicht stören, hier ist ein Film. Guck ihn dir mal an!' 15 Minuten später saß ich mit Santana auf der Couch und wir haben wirklich ein phantastisches Interview gefilmt."
In welcher Essenspause?
"Das war in Stuttgart auf dem 'Jazz Open'."
Diese Musiker interviewte er für seinen Film "Blue Note" über das gleichnamige legendäre Jazz-Label. Danach drehte Julian Benedikt "Jazz Seen", einen Film über den Jazz-Fotografen William Claxton sowie ein Porträt über den Fotografen Helmut Newton. Und nun "Play your own thing". In seinem neuen Film schildert der Regisseur aber nicht nur die Vergangenheit der europäischen Jazz-Geschichte. Er zeigt auch Musiker, die dem Jazz heute neue Impulse geben, zum Beispiel Till Brönner.
Till Brönner: "Aber das Thema Wurzeln und was sind denn meine eigenen Wurzeln, das hat mich, während ich mich mit dieser Frage beschäftigt habe, natürlich auch zu wirklichen deutschen Wurzeln gebracht. Und irgendwann mal habe ich mich gefragt: Muss ich Amerikaner sein und schwarz sein, um Jazz spielen zu dürfen? Oder ist Jazz mittlerweile eine Sprache, ein Medium, ein Wortschatz, der allen zugänglich ist? Den wir eigentlich nur benutzten sollten, um auf ihm Schlitten zu fahren. Mit dem, wo wir eigentlich tatsächlich herkommen."
Begleitet von bekannten Musikern und Künstlern aus den verschiedenen europäischen Ländern - von Norwegen bis Italien, von Spanien bis Polen - lauscht "Play your own thing" den Klängen des europäischen Jazz und den Gedanken seiner Vertreter. Nur Russland und das Baltikum werden nicht berücksichtigt. Ihnen will Benedikt einen eigenen Film widmen. War der Jazz vor dem Zweiten Weltkrieg eher eine Randerscheinung, entwickelte er sich danach allmählich fast zum Massenphänomen. In diesem Sinn dokumentiert der Film auch ein Stück gesamteuropäische Identität, wie der Regisseur betont.
"Ich würde sagen, Nachkriegs-Paris, Nachkriegs-Berlin oder Nachkriegs-Kopenhagen, das waren alles Plätze, wo sich Musiker einfach getroffen haben in Ruinen mehr oder weniger und angefangen haben zu spielen, zu jammen und im Grund genommen den europäischen Gedanken schon gelebt haben, bevor der politisch in irgendeiner Form vorhanden waren. ... Da haben schon Jugoslawen mit Franzosen und Deutschen und Engländern zusammen in einer Band gespielt. Und das ging eben nur über die Musik."
Auch wenn der Film keiner Dramaturgie folgt, sich kaum Spannungsbögen abzeichnen, wirkt er doch stark in seiner Gesamtheit. Und neben vielen wunderbaren Anekdoten sind es vor allem die Szenen des polnischen Musikers Tomasz Stanko und seiner Band im Studio, die absolut faszinieren.
Und als Kunst anerkannt. Seine Botschaft: "Play your own thing"! Spiel deine eigene Sache! Entwickle dich! Drücke aus, was nur du zu sagen hast! Julian Benedikt hat gerade diesen Titel für seinen Film gewählt, da fast alle Jazzmusiker damit beginnen, sich an Charlie Parker zu orientieren, seine Stücke zu spielen, ihn zu kopieren. Das gilt zwar auch für die Amerikaner. Aber die Europäer haben sich besonders lange von Charlie Parker und Co gefangen nehmen lassen: von Dizzy Gillespie, Louis Armstrong, Dave Brubeck, Duke Ellington, John Coltrane und natürlich auch Ella Fitzgerald, wie Coco Schumann beschreibt.
"Und in meinem Laden waren ja auch immer ganz viele Amerikaner, die immer hinkamen und auch mitspielten. Und Ella war bekannt dafür, dass sie nicht eingestiegen ist. Und dann kam meine Königin, die Schuld hatte, dass ich Musiker geworden bin. Kam die rein und setzte sich an den Tisch. Und stand auf einmal auf und kam zu mir und sagt: 'Coco, you mind if I sing a song with you?' Ich bin beinahe vom Stuhl gefallen."
Abgesehen von Django Reinhardt, der bereits in den 30er Jahren eine anerkannte Größe in der Pariser Jazzszene war, fixierten sich die meisten Europäer lange auf ihre amerikanischen Kollegen. Besonders die GIs bringen nach dem II. Weltkrieg den Jazz in die Clubs der Alten Welt.
Erst mit dem Free Jazz entwickelte sich dann in den 60er Jahren eine eigene europäische Jazzkultur. Julian Benedikt schildert diese Entwicklung detailliert. Er zeigt Paris, Berlin und Kopenhagen in der Nachkriegszeit, montiert Konzertmitschnitte und Studioaufnahmen miteinander und lässt seine Protagonisten erzählen: Albert Mangelsdorff und Palle Mikkelborg, Juliette Greco und Jan Gabarek, Tomasz Stanko oder Gianluigi Trovesi.
In jedem Moment des Films ist nicht nur die Hingabe der Künstler zu spüren, sondern auch die des Filmemachers. Denn eigentlich wäre Julian Benedikt selbst gern Jazz-Musiker geworden. 1963 wurde der Regisseur in der Nähe von Rosenheim geboren. In den 80er Jahren schloss er in Paris ein Deutsch-Französisches Magister ab und arbeitete auch als Schauspieler. Für den TV-Sender "Arte" drehte er dann einige Fernsehbeiträge und schließlich einen Film über den Schlagzeuger Chico Hamilton. Dieses Porträt wurde dann zu einer Art Eintrittskarte zu vielen anderen Jazz-Größen.
Julian Benedikt: "Ich hätte Max Roach nie für ein Interview gekriegt in dem 'Blue Note' Film und genauso Santana. Santana, weiß ich noch heute, die wollten richtig Kohle haben. Und ich wusste, dass Santana Chico Hamilton Fan ist. Bin mal kurz während des Essens zu ihm in die Kantine gegangen. Habe ich gesagt: 'Tschuldige, wollte nicht stören, hier ist ein Film. Guck ihn dir mal an!' 15 Minuten später saß ich mit Santana auf der Couch und wir haben wirklich ein phantastisches Interview gefilmt."
In welcher Essenspause?
"Das war in Stuttgart auf dem 'Jazz Open'."
Diese Musiker interviewte er für seinen Film "Blue Note" über das gleichnamige legendäre Jazz-Label. Danach drehte Julian Benedikt "Jazz Seen", einen Film über den Jazz-Fotografen William Claxton sowie ein Porträt über den Fotografen Helmut Newton. Und nun "Play your own thing". In seinem neuen Film schildert der Regisseur aber nicht nur die Vergangenheit der europäischen Jazz-Geschichte. Er zeigt auch Musiker, die dem Jazz heute neue Impulse geben, zum Beispiel Till Brönner.
Till Brönner: "Aber das Thema Wurzeln und was sind denn meine eigenen Wurzeln, das hat mich, während ich mich mit dieser Frage beschäftigt habe, natürlich auch zu wirklichen deutschen Wurzeln gebracht. Und irgendwann mal habe ich mich gefragt: Muss ich Amerikaner sein und schwarz sein, um Jazz spielen zu dürfen? Oder ist Jazz mittlerweile eine Sprache, ein Medium, ein Wortschatz, der allen zugänglich ist? Den wir eigentlich nur benutzten sollten, um auf ihm Schlitten zu fahren. Mit dem, wo wir eigentlich tatsächlich herkommen."
Begleitet von bekannten Musikern und Künstlern aus den verschiedenen europäischen Ländern - von Norwegen bis Italien, von Spanien bis Polen - lauscht "Play your own thing" den Klängen des europäischen Jazz und den Gedanken seiner Vertreter. Nur Russland und das Baltikum werden nicht berücksichtigt. Ihnen will Benedikt einen eigenen Film widmen. War der Jazz vor dem Zweiten Weltkrieg eher eine Randerscheinung, entwickelte er sich danach allmählich fast zum Massenphänomen. In diesem Sinn dokumentiert der Film auch ein Stück gesamteuropäische Identität, wie der Regisseur betont.
"Ich würde sagen, Nachkriegs-Paris, Nachkriegs-Berlin oder Nachkriegs-Kopenhagen, das waren alles Plätze, wo sich Musiker einfach getroffen haben in Ruinen mehr oder weniger und angefangen haben zu spielen, zu jammen und im Grund genommen den europäischen Gedanken schon gelebt haben, bevor der politisch in irgendeiner Form vorhanden waren. ... Da haben schon Jugoslawen mit Franzosen und Deutschen und Engländern zusammen in einer Band gespielt. Und das ging eben nur über die Musik."
Auch wenn der Film keiner Dramaturgie folgt, sich kaum Spannungsbögen abzeichnen, wirkt er doch stark in seiner Gesamtheit. Und neben vielen wunderbaren Anekdoten sind es vor allem die Szenen des polnischen Musikers Tomasz Stanko und seiner Band im Studio, die absolut faszinieren.

Der Jazzgitarrist Django Reinhardt in New York.© AP Archiv