Musikalisch gelungen, szenisch verwirrend
Mit ungeschützten Augen schaut der Priester Cayetano Delauro in die totale Sonnenfinsternis und verbrennt sich dabei sofort die Netzhaut. Auf dem einen Auge sieht er nur noch die verdunkelte Sonne. Emotional ebenso ungeschützt schaut er auf die junge Sierva Maria, die während dieser Sonnenfinsternis von einem tollwütigen Hund gebissen wurde und nun von ihm exorziert werden soll, weil sie von Dämonen besessen sei. Sofort verliebt er sich in das Mädchen, und diese Liebe wird zu seinem Dämon, der ihm zu Verhängnis wird.
Nur vage orientiert sich Peter Eötvös in seiner neuen Oper "Love and Other Demons" an dem Roman "Von der Liebe und anderen Dämonen" von Gabriel Garcia Marquez. Wo der Schriftsteller den verfallsgesättigten Kosmos eines vergessenen kolumbianischen Seehafens des späten 18. Jahrhunderts entwirft, lässt der ungarische Librettist Kornél Hamvai die Hauptpersonen durch innere Seelenzustände gehen. Eine Belcanto-Oper wollte Peter Eötvös mit "Love and Other Demons" schreiben, und das ist ihm auch insofern gelungen, als die Sänger in großen Szenen ihre Seelenzustände offen legen.
Im Graben hat Eötvös gleich zwei Orchester mit insgesamt 53 Musikern spiegelbildlich angeordnet, die aufeinander antworten. Beide Gruppen weisen starkes Schlagwerk auf, von den üblichen Trommeln und Becken bis zur afrikanischen Bohnenrassel und zur Almglocke. Das erinnert an Bela Bartoks "Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta", und auch sonst erweist der Polystilist Peter Eötvös vielen Vorgängern seine Reverenz, ohne sie je zu kopieren.
In Glyndebourne hat Eötvös bereits Janaceks "Sache Makropulos" dirigiert und kennt sowohl das Haus und seine luxuriösen akustischen Bedingungen als auch die Nachteile der überlangen Picknickpause sehr genau. Das achtzigminütige Dinner Interval macht allerdings "Love and Other Demons" durchaus zu schaffen. Statt die gut hundert Minuten der Partitur pausenlos durchzuspielen, müssen Spannung und verhängnisvolle Atmosphäre erst mühsam wieder aufgebaut werden.
Diese Arbeit überlasst Eötvös dem musikalischen Leiter des Festivals, Vladimir Jurowski, und der schafft es mit dem grandiosen London Philharmonic Orchestra auch innerhalb kürzester Zeit, wieder den magisch ungreifbaren Klangraum zu kreieren, in dem sich die Menschen ihren zerstörerischen Dämonen ausliefern. Felicity Palmer hat noch im lächerlichen religiösen Wahn eine beklemmende Intensität und Robert Brubaker gestaltet den moralischen und körperlichen Verfall des Don Ygnacio geradezu schmerzhaft intensiv, ohne je die Grenzen des Schöngesangs zu verlassen.
In der Hauptrolle der Sierva Maria nutzte die vollkommen unbekannte tasmanische Sängerin Allison Bell die Gunst der Stunde. Eigentlich war sie bloß als Zweitbesetzung für Notfälle gebucht. Als aber die Erstbesetzung gesundheitsbedingt die Rolle zurückgeben musste, übernahm sie gleich sämtliche Vorstellungen. Wäre Glyndebourne Salzburg, dann hätten wir schon vor Wochen in allen Medien gehört und gelesen von dieser technisch brillanten Sängerin, die auch in den höchsten Tönen noch rund, voll und angenehm klingt. Beim noblen englischen Festival ist das jedoch "business as usual".
Allerdings bewegt sich die Inszenierung von Silviu Purcarete nicht auf dem Niveau der musikalischen Umsetzung. Im grauen Einheitsraum von Helmut Stürmer versucht Purcarete, den Roman nachzuerzählen und ist damit leider auf dem Holzweg. Das dichte Geflecht von persönlichem Versagen und machiavellistischem Machtstreben, von afrikanischen Riten und christlicher Religion der Vorlage hat Eötvös nämlich gar nicht interessiert. Es zumindest teilweise auf der Bühne wiederzusehen, verwirrt eher, als dass es die Psychologie der Figuren erhellen würde. Eötvös geht es um Seelenzustände, Purcarete bloß um äußere Handlung, und die ist dürftig.
Bei der deutschen Erstaufführung in Chemnitz wird im kommenden Frühjahr der Regie-Anarchist Dietrich Hilsdorf Regie führen, da ist sicher ein zupackenderer Ansatz zu erwarten. Für englische Verhältnisse feierte das Publikum geradezu enthemmt alle Beteiligten, nachdem der letzte elegische Ton gerade verklungen war.
Peter Eötvös: Love and other demons
Nach dem Roman von Gabriel Garcia Marquez
Libretto: Kornél Hamvai
Musikalische Leitung: Vladimir Jurowski
Inszenierung: Silviu Purcarete
Im Graben hat Eötvös gleich zwei Orchester mit insgesamt 53 Musikern spiegelbildlich angeordnet, die aufeinander antworten. Beide Gruppen weisen starkes Schlagwerk auf, von den üblichen Trommeln und Becken bis zur afrikanischen Bohnenrassel und zur Almglocke. Das erinnert an Bela Bartoks "Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta", und auch sonst erweist der Polystilist Peter Eötvös vielen Vorgängern seine Reverenz, ohne sie je zu kopieren.
In Glyndebourne hat Eötvös bereits Janaceks "Sache Makropulos" dirigiert und kennt sowohl das Haus und seine luxuriösen akustischen Bedingungen als auch die Nachteile der überlangen Picknickpause sehr genau. Das achtzigminütige Dinner Interval macht allerdings "Love and Other Demons" durchaus zu schaffen. Statt die gut hundert Minuten der Partitur pausenlos durchzuspielen, müssen Spannung und verhängnisvolle Atmosphäre erst mühsam wieder aufgebaut werden.
Diese Arbeit überlasst Eötvös dem musikalischen Leiter des Festivals, Vladimir Jurowski, und der schafft es mit dem grandiosen London Philharmonic Orchestra auch innerhalb kürzester Zeit, wieder den magisch ungreifbaren Klangraum zu kreieren, in dem sich die Menschen ihren zerstörerischen Dämonen ausliefern. Felicity Palmer hat noch im lächerlichen religiösen Wahn eine beklemmende Intensität und Robert Brubaker gestaltet den moralischen und körperlichen Verfall des Don Ygnacio geradezu schmerzhaft intensiv, ohne je die Grenzen des Schöngesangs zu verlassen.
In der Hauptrolle der Sierva Maria nutzte die vollkommen unbekannte tasmanische Sängerin Allison Bell die Gunst der Stunde. Eigentlich war sie bloß als Zweitbesetzung für Notfälle gebucht. Als aber die Erstbesetzung gesundheitsbedingt die Rolle zurückgeben musste, übernahm sie gleich sämtliche Vorstellungen. Wäre Glyndebourne Salzburg, dann hätten wir schon vor Wochen in allen Medien gehört und gelesen von dieser technisch brillanten Sängerin, die auch in den höchsten Tönen noch rund, voll und angenehm klingt. Beim noblen englischen Festival ist das jedoch "business as usual".
Allerdings bewegt sich die Inszenierung von Silviu Purcarete nicht auf dem Niveau der musikalischen Umsetzung. Im grauen Einheitsraum von Helmut Stürmer versucht Purcarete, den Roman nachzuerzählen und ist damit leider auf dem Holzweg. Das dichte Geflecht von persönlichem Versagen und machiavellistischem Machtstreben, von afrikanischen Riten und christlicher Religion der Vorlage hat Eötvös nämlich gar nicht interessiert. Es zumindest teilweise auf der Bühne wiederzusehen, verwirrt eher, als dass es die Psychologie der Figuren erhellen würde. Eötvös geht es um Seelenzustände, Purcarete bloß um äußere Handlung, und die ist dürftig.
Bei der deutschen Erstaufführung in Chemnitz wird im kommenden Frühjahr der Regie-Anarchist Dietrich Hilsdorf Regie führen, da ist sicher ein zupackenderer Ansatz zu erwarten. Für englische Verhältnisse feierte das Publikum geradezu enthemmt alle Beteiligten, nachdem der letzte elegische Ton gerade verklungen war.
Peter Eötvös: Love and other demons
Nach dem Roman von Gabriel Garcia Marquez
Libretto: Kornél Hamvai
Musikalische Leitung: Vladimir Jurowski
Inszenierung: Silviu Purcarete