Musik zum Heiligen Abend

Der lange Weg zum Sternenzelt

Die Kuppel des Berliner Doms
Die Kuppel des Berliner Doms © Amin Akhtar/Rundfunkchor Berlin
24.12.2014
Riga und Rom liegen weit auseinander, aber dennoch beide in Europa. Musikalisch gesehen rücken sie an diesem Abend eng zusammen und treffen dabei auf eine Messe im Geiste mährischer Volksmusik. Neue Chormusik aus Lettland und ältere aus Italien stellte der Rundfunkchor Berlin im Dom der Hauptstadt vor. Das Tschechische RSO führte die Missa Brevis des Gegenwartskomponisten Jiří Pavlica im Prager Rudolfinum auf. Und in Braunschweig diskutierten Experten Aufführungstraditionen des weihnachtlichen "Muss"-Werkes hierzulande, des Weihnachtsoratoriums von Bach, dessen erste vier Kantaten hier morgen zu hören sind.
Spirituelle Friedfertigkeit strahlen die meisten Werke des heutigen Abends aus, ob sie nun aus Lettland, Italien oder Mähren stammen. Der Rundfunkchor Berlin hat für sein traditionelles Domkonzert wieder mal einen lettischen Dirigenten eingeladen, diesmal den 45 Jahre alten Māris Sirmais. Und der setzt einen baltisch-italienischen Akzent. Damit bringt dieses vorweihnachtliche Konzert eher ungewohnte Klänge in die deutsche Hauptstadt. Zum einen ein knappes barockes "Exsultate Deo" von Alessandro Scarlatti, dann die leicht beschwingte Hirtenmusik Ottorino Respighis, die "Lauda per la nativita". Dieses Werk von 1930 ist ein bewusst einfach gehaltenes Stück für Solisten, Chor, "Hirteninstrumente" und Klavier zu vier Händen.
Der andere Teil des Programms des Domkonzerts besteht aus weihnachtlich-verhalten feierlicher Musik aus dem Baltikum. Der Este Arvo Pärt darf dabei nicht fehlen. Er ist mit seinem "Which was the son of..." vertreten, einer nicht ganz ernst zu nehmenden Vertonung der Namen der Vorfahren Jesu. Die zwei lettischen Komponisten dieses Abends setzen ganz auf einfache, effektvolle und zugleich tiefgründige Musikstile. Ugis Praulinš kommt von der Rock-Musik her. In seinem a-cappella-Stück auf den mittelalterlichen Choral "Komm, heiliger Geist!" setzt er auf stilistische Vielfalt und auch auf Expressivität, während der 37 Jahre alte Eriks Ešenvalds geistlichen Gehalt durch bewusste Einfachheit erzielen möchte. Er hat früher selbst als Profi im "Staatlichen Akademischen Chor Lettland" unter Māris Sirmais gesungen und kennt sich bestens aus mit den Anforderungen, die ein Komponist erfüllen muss, um originelle und dennoch kehlengerechte Musik zu schreiben. In seinen drei Stücken meditiert er über die verschiedenen Wege zu Gott - die können lang und unbequem sein (ein Werk heißt "Long Road"), doch am Ende steht der offene und weite Blick auf die "Sterne" (so heißt ein weiteres Stück Ešenvalds').
Im Weihnachtskonzert des Tschechischen Rundfunk-Sinfonieorchesters und des Brünner Tschechischen Philharmonischen Chores im Prager Rudolfinum gab es die kurze festliche Messe des mährischen Geigers und Leiters der traditionellen Zymbalgruppe "Hradišťan", Jiří Pavlica. Dieses Werk knüpft nahtlos an die pastorale Einfachheit der Musik Respighis und Ešenvalds' an.
Der letzte Teil unseres Heilig-Abend-Konzerts bereitet auf die Konzertsendung am Ersten Weihnachtsfeiertag vor. Dann gibt es die ersten vier Kantaten von Bachs Weihnachtsoratorium. Über die phonografischen Aufführungstraditionen dieses Standardwerks diskutierten am vergangenen Sonntag in Braunschweig vier qualifizierte Publizisten im Quartett der Kritiker. Diese Experten waren unter fachkundiger Anleitung Olaf Wilhelmers wieder einmal im Deutschlandradio Kultur zu Gast und bereiteten ein interessiertes Publikum auf das "Jauchzet, frohlocket!" vor, das ein hervorragendes Ensemble an diesem Abend unter der Leitung von Ton Koopman in der Braunschweiger Martini-Kirche anstimmte.
Das Programmheft zum Nachlesen
Berliner Dom
Aufzeichnung vom 22. Dezember 2014
Eriks Ešenvalds
"O Salutaris Hostia" für Chor a cappella
Jan Sandström
"Es ist ein Ros entsprungen" für zwei vierstimmige gemischte Chöre a cappella
Ugis Praulinš
"O Lux Beatissima (Veni, Sancte Spiritus)" für Chor a cappella
Arvo Pärt
"Which was the son of..." für Chor a cappella
Alessandro Scarlatti
"Exsultate Deo" für Chor a cappella
Claudio Monteverdi
"Lauda Sion, Salvatorem", "Ave Maria" für Bläsertrio
Eriks Ešenvalds
"Stars" für Chor, drei bis vier tibetische Klangschalen und sechs Gläser
Ottorino Respighi
"Lauda per la natività del Signore" für Soli, Chor und Instrumente
Eriks Ešenvalds
"Long Road" für Chor a cappella
Yeree Suh, Sopran
Kristine Larissa Funkhauser, Mezzosopran
Krystian Adam, Tenor
Holger Groschopp, Klavier
Hendrik Heilmann, Klavier
Polyphonia Ensemble Berlin
Rundfunkchor Berlin
Leitung: Māris Sirmais
Rudolfinum Prag, Dvořák-Saal
Aufzeichnung vom 22. Dezember 2014
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Flöte, Harfe und Orchester C-Dur KV 299
Jiří Pavlica
"Missa brevis" für Soli, gemischten Chor und Sinfonieorchester
Jae-A Yoo, Flöte
Marie-Pierre Langlamet, Harfe
Markéta Halířová, Sopran
Roman Janál, Bariton
Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn
Sinfonieorchester des Tschechischen Rundfunks
Leitung: Marek Šedivý
Jakob-Kemenate Braunschweig
Aufzeichnung vom 21. Dezember 2014
Quartett der Kritiker - zu Gast im Deutschlandradio Kultur
Johann Sebastian Bach: Weihnachtsoratorium BWV 248
Ingeborg Allihn, freie Publizistin
Eleonore Büning, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Albrecht Thiemann, Opernwelt
Rainer Wagner, freier Publizist
Moderation: Olaf Wilhelmer