Musik voller Melancholie

Von Vanja Budde · 30.08.2011
In ihrer Heimat, aus der sie vor 20 Jahren floh, nannte man sie die "Helene Weigel des Irak". Inaam Wali wob ihre Kritik am Regime in die Rollen, wenn sie Brecht spielte. In ihrem deutschen Exil begann sie eine zweite Karriere als Sängerin. Derzeit tourt sie durch Rheinland-Pfalz.
Inaam Wali ist eine zähe Kämpferin. In ihrem früheren Leben eine Diva auf Bagdads großen Bühnen, läuft sie heute zu Castings, lässt Fotos machen, pflegt Kontakte und stellt selbst produzierte Proben ihrer Schauspielkunst auf Youtube ein, um sich als Darstellerin zu empfehlen.

Inaam Wali ist 48 Jahre alt, in diesem Sommer reist sie mit einem Klein-Theater über die Freilichtbühnen von Rheinland-Pfalz. In einem Stück über das urdeutsche Laubenpiepertum spielt sie die gut integrierte Ausländerin mit Kleingarten.

Imaan Wali: "Die Bühne ist ja mein Leben! Ich habe sehr gerne immer gespielt in Bagdad. Das war mein Ort, wo ich immer machen (konnte), was ich nicht im Leben machen kann. Ich bin gerne auf der Bühne, ich muss nur halt selber immer die Jobs suchen. Und klappt das immer. Es gibt kein Mal, dass es nicht bei mir geklappt (hat), dass ich dann ausgewählt worden bin."

Doch diese Rollen sind nicht zu vergleichen mit ihrer früheren Karriere: "Helene Weigel des Irak" wird sie genannt, als ein Scherge des Geheimdienstes ihr 1992 zuraunt: "Wir kriegen jeden." Damals herrscht Saddam Hussein als Diktator. In diesem Moment verfliegt der Glaube, dass ihr Ruhm sie schützt, die Anstellung am Nationaltheater, die Zusammenarbeit mit den bekanntesten Regisseuren des Landes. Inaam Wali gibt all ihr Erspartes für Fluchthilfe aus und verlässt den Irak. Auf Umwegen kommt sie 1996 nach Deutschland, eine Asylbewerberin von vielen.

Inaam Wali singt vom Verlust und von der Einsamkeit des Exils. Ihre zweite Karriere als Sängerin startet sie in Hamburg, wo sie Islamwissenschaften, Deutsche Literatur und Phonetik studiert.

Zwei CDs gibt es von Inaam Wali: Ihre drei Brüder, die an Orchestern in Jordanien arbeiten, nahmen dafür die Musik auf, im Tonstudio in Hamburg wurde Inaams Stimme dazu gemischt. Die überraschend tief und voll ist für eine so zierliche Frau.

Ihre Musik ist voll Melancholie, sie selbst aber nicht. Sie mag Deutschland, hat hier nie Anfeindungen erlebt, wie sie sagt, und das Fremdsein ist ihr seit Kindertagen vertraut: Inaam wuchs in Kuweit auf, der Vater, ein schiitischer Adeliger, handelte mit Orientteppichen. Er hat sie unterstützt, als sie nach der Schule nach Bagdad ging, an der Akademie der Schönen Künste Theaterwissenschaft und Schauspiel zu studieren.

Wali: "Ich hab geglaubt an Theater, ich kann mit Theater viel ändern in meiner Gesellschaft. Abgesehen jetzt von der Diktatur: Unsere sehr männliche Gesellschaft - als Frau wollte ich (sie) ändern durch Theater. Es ist mir nicht gelungen."

Saddams Zensoren waren sie ein Dorn im Auge, die Stücke von Shakespeare, Cocteau und Strindberg. Der Geheimdienst hatte ein eigenes Büro im Nationaltheater. Dass Inaam Wali Kritik am Regime in ihre Rollen einwob, wenn sie Brecht spielte, blieb nicht verborgen.
Inaam Wali hat den Irak nicht freiwillig verlassen, doch eine Rückkehr ist auch nach dem Sturz von Saddam Hussein keine Option. Vergangenes Jahr ist sie zum ersten Mal wieder in die verlorene Heimat gereist:

"Das war sehr traurig, es war schockierend. So ein korruptes Land habe ich noch nie erlebt. Ich konnte Bagdad nicht wiedererkennen. Das ist eine furchtbare Stadt, alles mit Mauer: jeder Bezirk, jedes Krankenhaus. Das Leben dort ist unheimlich schwierig. Und abgesehen von der Gefahr: Ich kann ja nicht klar mit den Menschen kommen. Ich bin innerhalb dieser 15 Jahre nach vorne gekommen, ich hab mich entwickelt, ich kann meine Meinung sagen. Diese islamischen Beschränkungen, die da im Land herrschen: Das kann ich nicht."

Inaam Wali ist mittlerweile deutsche Staatsbürgerin. Sie lebt in einer Zwei-Zimmer-Altbauwohnung in einer schönen, grünen Ecke von Berlin-Neukölln. Sie fühlt sich wohl in Deutschland.

"Ich schätze sehr diese Freiheit und meine Sicherheit. Man kann das nicht so spüren oder schätzen, nur, wenn man unter so einer Diktatur lebte. Das ist so ein Schatz, das man hat. Und Freiheit für mich als Frau heißt, nicht nur meine Meinung laut sagen, sondern, wenn ich auf der Straße gehe, da kann keiner mich anmachen."

Im Irak unter dem Regime Saddam Husseins und seiner Söhne waren gut aussehende Frauen dagegen Freiwild. Freiheit und Sicherheit gegen Ruhm und Karriere. Das ist ein guter Tausch, findet Inaam Wali.

"Eigentlich ich hab nicht viel verloren, im Gegenteil, ich hab viel bekommen. Ich habe ein neues Leben, ich habe eine neue Sprache gelernt, das ist schon was Tolles. Und ich habe mein Eigenes geschafft, ich habe meine Musik gemacht. War alles richtig."

Service: Die Sängerin und Schauspielerin Inaam Wali tourt derzeit auf den Freilichtbühnen von Rheinland-Pfalz. Am 2. und 3. September 2011 ist sie mit "Laubenkolonie Zaunkönige e.V." in Oppenheim zu sehen, am Sonntag, 4. September 2011, in Oberriexingen.


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