Musik aus Ostdeutschland vor und nach der Wende

Was wurde aus der Folkszene in der DDR?

07:08 Minuten
Die Gruppe Folkländer spielt auf einem Marktplatz
Teil der ostdeutschen Folkszene: die Gruppe Folkländer in den 1970er-Jahren. © Uli Doberenz
Wolfgang Leyn im Gespräch mit Mascha Drost · 06.11.2019
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Mitte der 70er-Jahre entwickelte sich in der DDR eine blühende Folkszene. Wolfgang Leyn, der darüber ein Buch geschrieben hat, erklärt, was die Szene so besonders machte - und wie es nach der Wende weiterging.
Zensur macht erfinderisch. Ein altes Soldatenlied über den Drill in der preußischen Armee – das konnte man in der DDR singen, auch wenn jeder wusste, dass damit die Nationale Volksarmee gemeint war. Parallel zur westdeutschen Folkszene entstand Mitte der 70er-Jahre auch eine in der DDR.

Doppelbödigkeit, die jeder Verstand

Die Folkmusiker im Osten hatten es vergleichsweise einfach: Ihr Schatz war das Buch "Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters aus sechs Jahrhunderten". Damit und mit einer Doppelbödigkeit, die jeder verstand, konnte man sich künstlerisch ausdrücken und sogar davon leben.
Anders als im Westen waren die Gagen festgelegt und es gab genügend Auftrittsmöglichkeiten. Jeder Musiker, der öffentlich auftreten wollte, musste vor einer Kommission bestehen. "Man musste gut spielen", sagt Wolfgang Leyn, Autor des Buches "Volkes Lied und Vater Staat. Die DDR-Folkszene 1976-1990". "Denn die Einstufung hing davon ab, wie viel Honorar man bekommen hat."
Beim Material hätten die Musiker auf historische Lieder zurückgegriffen, die zwar im DDR-Kontext einen doppelten Boden hatten und auch beim Publikum so verstanden wurden, aber gegen die die Kommission nichts ausrichten konnte. Das technische Niveau war hoch, Gitarristen etwa haben ihr Handwerk an der Musikhochschule gelernt.

Vereinigung auf Augenhöhe

In seinem Buch schreibt Leyn: "Womöglich ist die Folkszene der einzige Bereich, in dem es eine deutsch-deutsche Vereinigung auf Augenhöhe gab." Denn die Folkszene der DDR sei stärker gewesen. "Anders als in der Ökonomie und der Politik sind wir nicht übernommen worden, sondern es hat sich da wirklich eine Vereinigung vollzogen." Die Musiker beider Szenen hätten sich über die Grenzen hinaus gekannt.
Nach der Wende fiel die Infrastruktur weg, Clubs und andere Veranstaltungsorte machten zu. Viele DDR-Bands traten dann im Ausland auf, aber das konnte die fehlenden Einnahmen nicht kompensieren. Da das Alltagsleben sich veränderte, sagt Leyn, sei auch die Musik schließlich zurückgetreten.
(leg)
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